In Somalia erwirtschaften etwa zwei Drittel der Bevölkerung den überwiegenden Teil ihrer Lebensgrundlagen durch Tierhaltung und Landwirtschaft und sind damit stark vom Wetter abhängig. Auf zwei Regenzeiten im Jahr folgen in der Regel zwei Trockenzeiten – ein Muster, auf das jedoch in den vergangenen Jahren immer weniger Verlass war. Fallen Regenzeiten schwach oder ganz aus, wächst kaum Futter für die Tiere auf Nahrungssuche. Regnet es dagegen zu stark, kommt es zu gefährlichen Überschwemmungen entlang der Flüsse.
Seit 2016 führten eine langanhaltende Dürre, gefolgt von großflächigen Überschwemmungen sowie die anhaltende Heuschreckenplage zu einer Häufung von Notlagen. Die von den Industrienationen maßgeblich verursachte Klimakrise verstärkt die Wetterextreme, verändert Wettermuster und zerstört in Somalia die Lebensgrundlagen von Menschen – die selbst kaum zum Klimawandel beitragen. Der Aufbau staatlicher Institutionen, die angemessen auf Naturereignisse reagieren könnten, geht nur schleppend voran. Denn Somalia befindet sich seit 1991 fast durchgehend im Kriegszustand, beginnend mit dem jahrelangen Bürgerkrieg bis hin zum Terror der islamistischen Al-Shabaab-Miliz, die zeitweise große Teile Somalias kontrollierte und noch immer die Bewegungsfreiheit einschränkt. Zwar existiereneine nationale Katastrophenschutzstrategie und eine entsprechende Behörde, doch fehlt es angesichts der Umstände an Kapazitäten und finanzieller Mittel, um wirksame Maßnahmen landesweit umzusetzen. Dadurch werden Naturereignisse, vor denen Schutz zweifelsfrei möglich wäre, zu Katastrophen für die Menschen.
Naturgefahren, Terror, Kampfhandlungen sowie innenpolitische Spannungen führen zu Migration –in die Ballungsräume des Landes, aber auch in Geflüchtetencamps außerhalb Somalias. Fast 900.000 Somalier*innen leben erzwungenermaßen im Ausland. Innerhalb Somalias sind momentan 2,6 Millionen Menschen intern vertrieben und leben in ca. 2.000 notdürftigen Siedlungen. Von Somalias geschätzt über 15 Millionen Einwohnern*innen ist fast ein Drittel auf humanitäre Hilfe angewiesen.
In vielen somalischen Geflüchtetencamps, auch in den urbanen, ist kein Zugang zu sauberem Wasser oder Gesundheitsdiensten vorhanden. Die rapide Urbanisierung verschlimmert diese Situation, da kein planvoller Ausbau der Wasserversorgung stattfindet. Das führt auch zu einem verstärkten Auftreten von Durchfallerkrankungen wie Cholera.
Das gilt auch für Geflüchtete in Banadir, dem Großraum um die somalische Hauptstadt Mogadischu. Geschätzte 500.000 Menschen leben als Binnenvertriebene in dieser Gegend an der Südküste Somalias. Wirkungsvolle Hygienepraktiken werden in den Geflüchtetencamps kaum angewandt. Aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte und der schlechten Versorgungslage mangelt es am Zugang zu Seife und sauberem Wasser. Da für die Bewohner*innen oftmals keine Einkommensmöglichkeiten existieren, leiden sie zudem unter dem Mangel an Nahrungsmitteln. Die Situation ähnelt der in anderen Camps für intern Vertriebene, zum Beispiel in der Region Galmudug an der Grenze zu Äthiopien.
In beiden Gegenden arbeitet die medico-Partnerorganisation Nomadic Assistance for Peace and Development (NAPAD) an der Stärkung von Hygiene- und Sanitärkapazitäten an Schulen und Gesundheitsstationen, führt Informationskampagnen durch und verteilt Hygienekits an die Bewohner*innen. Durch persönliche Besuche bauen Community Health Worker Vertrauen auf und beraten in Gesundheitsfragen. Um den marginalisierten Familien eine grundlegende Hygiene in den ungesunden Lebensumständen zu ermöglichen, werden sie mit Seife, Tabletten zur Wasserreinigung und sauberen Wasserbehältern versorgt. Gleichzeitig erhalten die Familien Bargeld per Mobiltelefon, um ihre dringendsten Bedarfe zu decken – sei es der Kauf von Lebensmitteln, Kleidung oder Medizin. Um dem Mangel an sauberem Wasser längerfristig zu begegnen, werden durch NAPAD, gefördert auch durch das Auswärtige Amt, in verschiedenen Geflüchtetensiedlungen Brunnen instandgesetzt und mit Solaranlagen ausgestattet. Diese Anlagen werden von den Bewohner*innen über Wasserkomitees kostengünstig selbst betrieben.
Für die Geflüchteten innerhalb Somalias ist der Aufbau einer verlässlichen Wasserversorgung ein großer Schritt zur Verbesserung ihrer Situation. Konkret bedeutet es etwa, dass regelmäßiges Händewaschen möglich wird, um die Ausbreitung etwa von Covid-19 zu verlangsamen. Doch auch „alltäglichere“ Durchfallerkrankungen können so verhindert werden. Zugang zu Wasser bedeutet zudem, Felder bewirtschaften und Tiere tränken zu können – gerade in Dürrezeiten, die andernfalls zu weiterer Verarmung führen würden.
Angesichts der Klimakrise, von der die Menschen in Somalia stark betroffen sind, ist außerdem eine weitere Nutzung von Dieselgeneratoren keine Option für NAPAD. Zwar fällt die Emission klimaschädlicher Gase über diese kleinen Generatoren verglichen mit den Ausstößen der Industrien, Landwirtschaft oder Transportsektoren anderer Länder nicht ins Gewicht, aber NAPAD zeigt, dass der solare Umbau möglich ist – auch in Situationen anhaltender Krisen.
Die finanzielle Unterstützung hilft Familien, ihre Grundbedürfnisse zu decken, ohne sich dafür weiter zu verschulden oder ihre letzten Jungtiere zu Schleuderpreisen verkaufen zu müssen. So können sie Krisenzeiten durchstehen, ohne weiter zu verarmen. Zusammen genommen sind diese Maßnahmen kein Ersatz für solidarisch verfasste Gesundheits- und Daseinsvorsorge. Aber sie sind das, was unter den momentanen Umständen für die Partnerorganisation machbar ist und was den Geflüchteten vor Ort konkret hilft.