Es sind verstörende und skandalöse Vorgänge. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unterstützt syrische Flüchtlinge bei ihrer freiwilligen Rückkehr nach Syrien. Und das, obwohl die internationale Organisation für Migration (IOM) eine Rückkehr nach Syrien für zu gefährlich hält und ihr Rückkehrprogramm für Syrien ausgesetzt hat.
Verheerende Lage in Syrien
Die Lage in Syrien ist bekanntermaßen schlimm: ca. 500.000 Kriegstote, ca. 13 Millionen Menschen auf der Flucht, darunter mehrere Millionen Flüchtlinge im Ausland. Kriegsschäden in Höhe von ca. 300 Milliarden US-Dollar und kein Wiederaufbau in Sicht. Dazu drohen weitere Eskalationen: ein Einmarsch der türkischen Armee in den kurdischen Nordosten, eine erneute Offensive Russlands und der syrischen Armee auf die Provinz Idlib, eine Eskalation der Auseinandersetzungen zwischen Israel und iranischen Einheiten. Hinzu kommen ca. 150.000 Kämpfer verschiedener Milizen, die sich immer noch bewaffnet im Land aufhalten und ein Regime unter Machthaber Assad, das über 100.000 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert hält und in monströser Zahl Gefangene foltert und tötet. Die Beweislast gegen ranghohe Mitglieder syrischer Geheimdienste ist mittlerweile so erdrückend, dass der deutsche Generalbundesanwalt internationale Haftbefehle ausstellen ließ. Um es kurz zu machen: Es ist die größte menschengemachte Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg. Der Konflikt geht in sein achtes Jahr und weiterhin ist kein Waffenstillstand, geschweige denn eine dauerhafte politische Lösung in Sicht.
In diesem Umfeld ermuntert nun das BAMF syrische Flüchtlinge in Deutschland, zurück in ihr Heimatland zu gehen. Die Reisekosten werden erstattet. „Refinanzierung freiwilliger Ausreise nach Eritrea, Jemen, Libyen und Syrien 2019“ heißt das Informationsblatt des BAMF, zu finden im Internet, und natürlich eine bewusste Botschaft an Flüchtlinge in Deutschland. Neben fest geregelten Erstattungen von Reisekosten haben Rückkehrer_innen auch Anspruch auf eine sogenannte finanzielle „Starthilfe“ des BAMF.
Humanitäre Nothilfe im Libanon – Ausreiseprämie hier
Man fragt sich, warum die Bundesregierung dafür Geld ausgibt. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Auswärtiges Amt und BMZ in großem Maße Gelder für humanitäre Hilfe an syrische Flüchtlinge in der Türkei, Libanon, Jordanien und anderen Nachbarländern bereit stellen, um die größte Not dort zu lindern – wissend, dass eine Rückkehr nach Syrien für diese Menschen momentan keine Option ist.
Das syrische Regime hat mehrmals deutlich gemacht, dass es an einer Rückkehr von Millionen Geflüchteten kein Interesse hat. Es kursieren Namenslisten von mehreren hunderttausend Syrer_innen, die vom Geheimdienst gesucht werden, die meisten von ihnen sind daher ins Ausland geflohen. In den letzten Jahren sind mehrere Gesetze erlassen worden, die Eigentumsverhältnisse in Syrien neu regeln und dazu führen, dass vielen Syrer_innen im Ausland die Enteignung droht – da sie ihren Besitzstand nicht nachweisen können. Von den begangenen Kriegsverbrechen im syrischen Konflikt an der Zivilbevölkerung ganz zu schweigen.
Eine Rückkehr nach Syrien ist für die allermeisten daher keine Option, auch deshalb stehen syrische Flüchtlinge in Deutschland unter besonderem Schutz. Wieso also schafft das BAMF Anreize zur Rückkehr und nimmt bewusst die Gefahr für Leib und Seele dieser Menschen in Kauf?
Verschwundene Rückkehrer
Das Perfide ist, dass jeder syrische Flüchtling vor Inanspruchnahme der Finanzierung einer Rückkehr einen Rechtsmittelverzicht unterschreiben muss. Damit erlischt der rechtliche Anspruch, im Nachhinein gegen das Behördenhandeln vorgehen zu können, auch für den Fall dass ein_e Rückkehrer_in in Syrien in Gefahr gerät. Uns erreichten gestern Meldungen, dass mindestens zwei Syrer, die Mittel des BAMF in Anspruch genommen haben, kurz nach ihrer Rückkehr von Geheimdiensten in Syrien verhört wurden und jetzt verschwunden sind. Eine Familienzusammenführung in Deutschland war ihnen vor ihrer Zustimmung zur "freiwilligen Rückkehr" verweigert worden. Es ist zu befürchten, dass sie als politisch Verfolgte in Haft sind – unter den bekannten menschenverachtenden Bedingungen. Die Familien der zwei Rückkehrer sind in größter Sorge.
Wie dem Formular des BAMF zu entnehmen ist, können Anträge auf Refinanzierung der Rückkehr nicht von Privatpersonen, also den Flüchtlingen selbst, gestellt werden, sondern „der Antrag muss zwingend durch eine antragsübermittelnde staatliche Stelle oder eine Nichtregierungsorganisation gestellt und an das BAMF übersandt werden.“ Dass sich deutsche Nichtregierungsorganisationen an diesem Verfahren der Rückführung nach Syrien beteiligen und dieses mit abwickeln sollen macht sprachlos.
Im Fall der zwei aus Deutschland zurückgekehrten und nun verschwundenen Flüchtlinge kommt noch ein Punkt hinzu: Das BAMF weist darauf hin, dass der „Antrag auf Refinanzierung […] erst nach erfolgter Ausreise gestellt werden kann.“ Erstattet nun das BAMF die Kosten einer Rückkehr nach Syrien, die wohl in den Folter-Gefängnissen der Geheimdienste endete?