Der Rückgang der Ankünfte von Flüchtlingen und MigrantInnen in Europa und die Erhöhung von Abschiebe- und Rückkehrzahlen gelten als Erfolgsparameter einer wirksamen Asyl- und Migrationspolitik. Auf allen Ebenen wird dabei die „freiwillige“ Rückkehr derzeit als bessere Alternative zur Abschiebung gehandelt. Sowohl die EU-Kommission in ihrer Migrationsagenda als auch die Unternehmensberatung McKinsey in ihren Empfehlungen an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) preisen die „freiwillige Rückkehr“ als menschenwürdiger und effizienter an. Und auch die von der Heinrich-Böll-Stiftung eingesetzte Kommission „Perspektiven für eine zukunftsgerechtete und nachhaltige Flüchtlings- und Einwanderungspolitik“ sieht in der „freiwilligen“ Rückkehr das im Vergleich zur Abschiebung „wichtigere und erfolgreichere Modell“. Bestätigt wird diese Auffassung vor allem dadurch, dass „freiwillige“ Ausreisen kostengünstiger sind als Abschiebungen. Tatsächlich handelt es sich bei „freiwilliger“ Rückkehr in den meisten Fällen jedoch um eine Rückführung, der die Betroffenen aus Not und Alternativlosigkeit heraus zustimmen.
„Rückführungen verstärken“ steht ganz oben auf der Prioritätenliste
Wer hier in Deutschland Asyl beantragen möchte oder schon beantragt hat, wird zur Rückkehrberatung eingeladen und auf Angebote wie Rückkehrprämien und Starthilfen aufmerksam gemacht. Bei dem Programm „Starthilfe Plus“ des Bundesinnenministeriums richtet sich die Höhe des Auszahlungsbetrages danach, in welchem Stadium man sich für eine Rückkehr entscheidet. Wer gleich zu Beginn auf ein Asylverfahren verzichtet und sich zu einer Rückkehr entschließt, erhält mehr als jemand, die oder der den Verfahrensausgang abwarten möchte. Das Programm bietet dem Staat so die Möglichkeit, Geld zu sparen, indem das oft langwierige rechtsstaatliche Asylverfahren abgebrochen und Schutzsuchenden ihr Recht auf Asyl gewissermaßen abgekauft wird.
Neben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mit ihrer jahrzehntelangen Erfahrung im internationalen Rückkehrmanagement setzen zunehmend auch Akteure der Entwicklungszusammenarbeit Rückkehr- und Reintegrationsprogramme auf. So steht der Punkt „Rückführungen verstärken“ ganz oben auf der Prioritätenliste von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), wie er zu Beginn seiner neuen Amtszeit verkündete. Anfang April hat er den Etat dafür nochmal erhöht. Gemeinsam mit dem Innenministerium hat das BMZ das RückkehrerInnen-Programm „Perspektive Heimat“ auf den Weg gebracht. Die Auswahl der Länder, in und mit denen das Programm umgesetzt werden soll, orientiert sich dabei in erster Linie an den Interessen Deutschlands. Länder, aus denen keine Flucht oder Migration in Richtung Europa zu erwarten ist, werden nicht berücksichtigt, wenngleich Flucht und Migration in anderen Regionen der Welt ein weit größeres Ausmaß haben. Die eigentlichen Ziele von Entwicklungspolitik wie Armutsbekämpfung, Ernährungssicherung und Zugang zu Gesundheit werden so ganz offensichtlich innenpolitischen Zwecken untergeordnet.
Beratung für eine Rückkehr ohne Perspektive
Maßgeblich an der Umsetzung dieses Progamms beteiligt ist die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), die als staatliche Organisation der Entwicklungszusammenarbeit nicht nur mit Migrationsberatungszentren in Herkunftsländern für die Reintegration sorgen soll, sondern bereits hierzulande mit so genannten Reintegration-Scouts bei der Rückkehrberatung präsent ist, also Entwicklungshilfe im eigenen Land leistet. Mit ihrem Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM) hat die GIZ eine jahrzehntelange Expertise, was die „Vermittlung von Fach- und Führungskräfte an Arbeitgeber weltweit“ betrifft. Mit der aktuellen Rückkehr- und Reintegrationsoffensive soll sie nun aber auch bei nicht oder gering qualifizierten Arbeitskräften aktiv werden, wenngleich es für die meisten von ihnen in ihren Herkunftsländern keinen Arbeitsmarkt gibt, der ihnen eine nachhaltige Existenzsicherung ermöglicht.
Um einen solchen Arbeitsmarkt zu schaffen, sollen internationale Konzerne Anreize erhalten, damit sie in den Herkunftsländern von Flüchtlingen und MigrantInnen investieren und Arbeitsplätze zur Reintegration von RückkehrerInnen entstehen. Diese Anreize bestehen vor allem darin, dass unternehmerische Risiken mit öffentlichen Geldern abgefedert und damit vergesellschaftet werden, während die Gewinne privat verbucht werden können. Ausgerechnet internationale Konzerne, die mit Landgrabbing, Rohstoffabbau und Privatisierung dazu beitragen, Menschen in die Prekarität und in die Flucht zu treiben, sollen also die Reintegration von RückkehrerInnen und die Entwicklung von Herkunftsländern voranbringen, anstatt dass man die lokale und regionale Wirtschaft stärkt und auf eine gerechtere Gestaltung von Wertschöpfungsketten und Handelsbeziehungen hinwirkt. Die durch diese Art der Investitionsförderung entstehenden Beschäftigungsverhältnisse werden weder quantitativ noch qualitativ dem Bedarf gerecht werden. Was sich dahinter verbirgt ist eher ein Konjunkturprogramm für die hiesige Wirtschaft als Reintegrations- und Entwicklungsförderung in Herkunfts- und Transitländern.
Was mit den Menschen passiert, interessiert nicht
Nun kommen RückkehrerInnen nicht nur aus Europa. Zunehmend werden auch in Libyen, Marokko, Niger, Mauretanien oder Algerien gestrandete MigrantInnen zurückgeführt: „freiwillig“, wie es heißt, „sicher und geordnet“ mit Unterstützung der IOM – und auf Druck Europas. Damit sie es gar nicht erst bis hierher schaffen. Was mit diesen RückkehrerInnen nach der Ankunft im Herkunfts- oder einem anderen Transitland passiert, interessiert dabei aber nicht weiter.
„Die Menschen werden teilweise belogen und erpresst, damit sie zurückgehen. Darin liegt eine große Gefahr. Von ,freiwilliger Rückkehr‘ kann man nur dann sprechen, wenn keine ,Sensibilisierung‘ und keine ,Aufklärungskampagne‘ gemacht wird, was manchmal einer Gehirnwäsche gleichkommt“, sagt Ousmane Diarra, der Präsident der malischen medico-Partnerorganisation Association Malienne des Expulsés (AME). Seit zwanzig Jahren kümmert sich die AME um Abgeschobene und ihre Rechte. Inzwischen ist sie zunehmend mit „freiwilligen“ RückkehrerInnen konfrontiert, die von falschen Versprechungen geleitet wurden und ihre Rückkehr bereuen. „Die meisten würden sofort wieder aufbrechen, wenn sie könnten“, erklärt Diarra, dessen Organisation sich zunehmend auf die psychosoziale Begleitung derjenigen einstellt, die an ihrer Entscheidung zur „freiwilligen“ Rückkehr zerbrechen.
Ein unmoralisches Angebot
Flüchtlinge und MigrantInnen, die in Europa ankommen, sind in den meisten Fällen widrigen Lebensumständen in ihrem Herkunftsland entkommen und haben auf dem Weg hierher traumatische Erfahrungen gemacht. Hier müssen sie häufig lange warten, bis ihr Asylantrag bearbeitet wird, und erleben gezielte Nicht-Integration in Form der Verweigerung von Familienzusammenführung, der langfristigen Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften (demnächst in den geplanten ANkER-Zentren) sowie des mangelnden Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Bildung und Arbeit. Das macht mürbe. In einer solchen verzweifelten und hoffnungslosen Situation eine „freiwillige“ Rückkehr als Ausweg vorzuschlagen, ist ein unmoralisches Angebot und hat nichts mit Entwicklungszusammenarbeit zu tun.