Von Lian Gogali
Was in Lützerath passiert, zeigt: Die Verbindung von Politik, Investoren und privaten Unternehmen, die das Leben auf der Erde zerstören, ist unabhängig von der geografischen Lage. Diese Zerstörung findet statt an allen Orten – von den kleinsten Dörfern in Zentral-Sulawesi bis hin zu einem Dorf in Deutschland. Die Akteure der Zerstörung nutzen geschickt angespannte politische Situationen, Konflikte und Kriege. In den Distrikten Poso und Morowali in Zentral-Sulawesi wurden so gewaltsame Konflikte benutzt, um Militäreinsätze zu legitimieren, die letztlich zum Schutz der Interessen von Investoren eingesetzt wurden. In Lützerath war es der russische Angriffskrieg, der zur Legitimierung der Zerstörung und Abbaggerung genutzt wird.
Was in Lützerath geschieht, zeigt auch, wie Widerstandsbewegungen geboren werden aus dem Bewusstsein der Auswirkungen und der zerstörerischen Kraft gegen das Leben. Aus dem Bewusstsein, dass ein Dorf und seine Ressourcen keine leere, leblose Infrastruktur sind oder für sich allein stehen, sondern dass ein Ort, ein Dorf, eine Gemeinschaft mit anderen Ökosystemen in der Welt verknüpft ist.
Was in dem Dorf Lützerath passiert steht in direktem Zusammenhang mit dem Leben der ganzen Welt, mit dem Leben in der Welt, nicht nur in einem Radius von ein paar Kilometern rund um das Dorf, nicht nur in Deutschland. Es steht in direktem Zusammenhang mit dem Leben von unzähligen Familien in allen Ecken der Welt. Diese Verbindung zur Welt war auch uns bewusst, als wir den Kampf gegen das Wasserkraftwerk in der Region Poso begonnen haben. Wir glauben, dass der Kampf für das Leben der Bauerngemeinschaften, der Ökosysteme der Flüsse und des Sees in den Dörfern von Poso mit dem Schutz des Lebens der Menschen in allen Ecken dieses Landes verbunden ist, mit dem Schutz des Lebens in jedem Land und auch in Lützerath.
Im Kampf gegen die zerstörerische Verbindung von Politik und Investoren in den Regionen Poso und Morowali (Zentral-Sulawesi) sahen wir uns mit einer Reihe komplexer Probleme konfrontiert. Nicht nur, weil unsere Region eine Geschichte von gewaltsamen Konflikten zwischen den Gemeinden hat und der Zugang zu verlässlichen Informationen begrenzt ist. Wir haben es nicht nur mit den Unternehmen und der Politik zu tun, sondern vor allem mit unseren eigenen Verwandten, die als Mitarbeiter des Unternehmens oder der örtlichen Behörden angeworben werden, sowie mit der Kirche und den religiösen Führern, mit unseren Ältesten usw.
Während ein kritisches Bewusstsein für die Auswirkungen der wirtschaftlichen Ausbeutung auf die Umwelt immer noch sehr gering ist, sind das Patriarchat, Feudalismus und Nationalismus immer noch sehr stark. Im Bewusstsein dieser sehr komplexen und vielschichtigen Zusammenhänge kämpfen wir gegen die weitere Zerstörung des Lebens. In kleinen Gruppen, in vielen Dörfern leisten wir weiterhin auf verschiedene Weise Widerstand. Durch Musik, Ausstellungen, Filmvorführungen, durch Theater, Demonstrationen, Straßenblockaden, Hungerstreiks, Anhörungen bei Abgeordneten, Lobbyarbeit auf regionaler, provinzieller und nationaler Ebene, auf juristischem Wege, mit Jugendlichen, Kindern, Eltern, Frauen bis hin zu Ältesten und religiösen Führern sowie mit Forschern und Akademikern.
Wir sind Guerillas.
Wir sind uns bewusst, dass unser Kampf einen langen Atem braucht. Aus diesem Grund ist Pakaroso oder die gegenseitige Stärkung für uns der Geist des langen Atems dieses Kampfes, den wir führen. Irgendwann haben wir erkannt, dass es im Kampf gegen die Zerstörung nicht mehr um Sieg oder Niederlage geht, sondern um die Würde aller Lebewesen.
Deshalb senden wir von den Ufern des Poso-Sees Begeisterung und Solidarität für alle Kämpfe um Lützerath. Pakaroso!
Lian Gogali
Lian Gogali leitet das Institut Mosintuwu auf Poso in Indonesien. Das Institut ist ein Zusammenschluss von Menschen, die sich während und nach Konflikten in der Regentschaft Poso und ihrer Umgebung für Frieden einsetzen. Dort ereigneten sich mehrere gewaltsame Vorfälle im Namen der Religion, hinter denen sich tatsächlich politische und wirtschaftliche Motive zur Aneignung dortiger natürlicher Ressourcen versteckten. Die Opfer dieser Konflikte waren wie so oft die Armen und Marginalisierten von Poso. Im Widerstand gegen zerstörerische Großprojekte, wie das gigantische Stauwerk am Poso-See, setzt sich das Institut für eine demokratische und gleichberechtigte Nutzung der natürlichen Ressourcen ein.