Erdachte Wirklichkeiten

Der Hollywood-Film BLOOD DIAMOND und die Aufklärungsallianz aus NGOs und Filmwirtschaft

18.03.2009   Lesezeit: 3 min

BLOOD DIAMOND hat den Anspruch, zugleich als fiktionaler Film und auf der Ebene der realen Äußerungen zu funktionieren, nicht einhalten können. Es ist den Protagonisten innerhalb und außerhalb des Filmsettings nicht gelungen, ihre ohnehin schon begrenzten Ziele zu erreichen.

In Hollywood wurde ab­gesehen von der medialen Debatte nicht einmal eine punktuelle Auswirkung spürbar: Während es bei Oscar-Verleihungen als Folge der Kampagnen von Tierschützern jahrelang tabuisiert war, einen Pelzmantel zu tragen, und es heutzutage durch das Positiv-Beispiel von Stars in Mode kommt, anstelle riesiger Geländewagen Hybridautos zu fahren, hatte der Film keinen Effekt hinsichtlich der symbolischen Thematisierung des Themas.

Wie dargestellt, gab es keine nennenswerten Proteste gegen die Diamantenindustrie und die politisch Verantwortlichen; es kam auch nicht zur Solidarisierung mit sierra-leonischen Minenarbeiter/innen. Die Gründe dafür liegen weniger an der Machart des Films als vielmehr an dem Zeitpunkt seiner filmischen Umsetzung, beim dem die Brisanz des Themas aufgrund der Beendigung des Krieges in Sierra Leone verloren gegangen war.

Um die vorübergehende Aufmerksamkeit für ein Thema intensiver öffent­lichkeitswirksam zu nutzen, hätte es des politischen Willens im Rahmen des Kooperationsmodells bedurft, die Nachwirkungen des diamantenfinanzierten Krieges und die heutigen Arbeitsverhältnisse in den Minen zu thematisieren. Das bittere Gelächter der Minenarbeiter aus Kono beim Interview zeugt von ihrem Wissen, dass ein Film alleine keine Verbesserung ihrer Lebens­situation bewirken wird. Die den Film begleitenden Aktivitäten – die Clips der Prominenten, die Gründung des Diamond Empowerment Fund wie des Blood Diamond Charity Fund – sind, bewusst oder unbewusst, Ausdruck eines „neoliberalen Philantropismus“ (Michael Ramminger), in dem für Solidarität mit den Betroffenen und die Problematisierung kapitalistischer Handelsstrukturen wenig Raum bleibt.

Sozialkritisches Millionenkino könnte durchaus das Potential besitzen, innere Bilder zu kreieren, ja, sogar diskursive Räume öffnen, die eine wichtige Voraussetzung für sozialpolitisches Engagement darstellen. Dazu muss natürlich eine grundsätzliche Offenheit und Bereitschaft auf Seiten der NGOs und der wieder stärker werdenden sozialen Bewegungen bestehen, diese Räume inhaltlich zu füllen. Um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, ist die (Re-) Politisierung von Kampagnenarbeit und die stärkere Betonung der öffentlichen Mobilisierung eine Voraussetzung.

Wie aufgezeigt, opponieren NGOs nicht nur gegen Missstände, sondern helfen zugleich auch bei deren Abfederung und drohen auf diese Weise, in Herrschaftsstrategien integriert zu werden. Man muss nicht so weit gehen, NGOs eine „parasitäre Kampagnenführung“ (Lahusen 2002) vorzuwerfen, die nur noch um mediale Aufmerksamkeit buhle. Aber eine Entwicklung, in der nicht mehr die allgemeine Öffentlichkeit der Adressat von Kampagnen ist, sondern die Medien, ist unübersehbar und droht zu einem instrumentellen Verhältnis zur Öffentlichkeit beizutragen.

Diese Tendenzen gilt es umzukehren. Mit einer komplexen Thematisie­rung von Missständen ist es nicht unwahrscheinlich, dass Hollywood und andere Medien das Interesse an einer direkten Kooperation verlieren.

Wenn es aber gelingt, über partizipative politische Kommunikation öffentlichen Druck aufzubauen und die verantwortlichen Akteure direkt zu adressieren, kann sozialkritisches Kino auch ohne direkte Kooperation als Instrument eine aufklärende Wirkung erzielen, die mehr ist als ein punktueller Erkenntnis-Gewinn. Dies sollte in einer globalen Perspektive gedacht werden, die auch den zivilgesellschaftlichen Vertreter/innen des Südens ermöglicht, eine Sprecherrolle zu übernehmen. Und wenn dies – um den Bogen zum Kino zurückzuschlagen – mit dem Zuwachs von Kinofilmen aus dem Süden verbunden werden könnte, wäre dies umso erfreulicher.

Den gesamten Artikel von Anne Jung aus der Zeitschrift PERIPHERIE (Nr. 113, 29. Jg. 2009, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster, S. 78-98) finden Sie in der rechten Spalte als PDF zum Download.


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