Guatemala: Die Chronik einer ausdauernden Beziehung

01.06.1999   Lesezeit: 7 min

Detective Story:

Der Dr. Willibold Frehner äußert Erkenntnisse. Der promovierte Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung übt sich nicht nur in Prognosen über die Zukunft der Guerilla in Guatemala, er identifiziert auch schlau die Subversiven Europas, die ihr helfen: »Nur wenn die Guerilla weiterkämpft, ist sie in den Augen ihrer Finanziers in linksextremen Sympathisantenkreisen förderungswürdig, es ist erst wenige Monate her, daß die Armee Guatemalas ein neues Feldlazarett, ein Geschenk von medico international, in einem Guerillalager gefunden hat.« Das war im Jahre 1988, und das sagte sich alles noch leicht und selbstbewußt, weil man überhaupt nicht ahnte, was kommen würde, und schließlich war man vor kurzer Zeit ganz groß in Guatemala eingestiegen. Die Bundesrepublik Deutschland (noch nicht wiedervereinigt) hatte bereits in diesen Jahren entwicklungspolitisches Neuland betreten: aus Mitteln der Entwicklungshilfe sollte das Innenministerium (!) die Ausrüstung und Ausbildung der Polizei Guatemalas organisieren. Am 11. Februar 1987, gegen 11 Uhr Ortszeit, war Guatemala Stadt zum Tatort der Deutschen geworden: Auf dem Platz vor dem Nationalpalast werden 55 Funkstreifenwagen, 60 BMW-Motorräder, 5 Autobusse und jede Menge Funkgeräte an die Nationalpolizei übergeben. Am 18. Mai 1987 ereignete sich dann der Tatort Bundesrepublik: Neun leitende Polizeibeamte Guatemalas, unter ihnen der Chef der Nationalpolizei, Armeeoberst Enrique Caballeros, treffen sich mit dem Bundeskriminalamt zwecks hiesiger Ausbildung. Inzwischen waren schon 10 Mio. DM an Entwicklungshilfegeldern für eine Truppe professioneller Mörder verfügbar gemacht worden, die bis zu diesem Zeitpunkt bereits 40 000 Menschen ermordet hatte. Der Innenminister Guatemalas, Juan José Rodil Peralta, wohnte jedenfalls gern im Hause der Konrad Adenauer Stiftung und traf sich hier mit seinen deutschen Kompagnons: Innenminister Zimmermann & Entwicklungshilfeminister Warnke. Es war beruhigend, daß niemand auf dem Erzbischof von Guatemala hörte, der wegen solcher Unterstützung warnte, noch besser war, daß Botschafter Bensch mit der Überprüfung dieser Art von Hilfe beauftragt war, weil in dessen Routineberichten an das Bonner Auswärtige Amt partout nicht eine einzige Menschenrechtsverletzung vorkommen wollte. Bensch setzte auf den »Ordnungsfaktor« Militär und Polizei. Das Resultat seiner »Evaluierung«: Keine Bedenken! – Im September 1986 veröffentlichte medico einen Aufruf zum STOPP DER POLIZEIHILFE. 10 000 Menschen unterzeichneten: Darunter Günther Anders, Oskar Lafontaine, Erich Fried & sogar der Betriebsratsvorsitzende der gtz. Kein Wunder, daß der eingangs zitierte Willibold Frehner von medico im subversiven Sinne sprach. Die medico-Sache kam nämlich auf eine für die Ministerialen beängstigende Weise in Bewegung: BMZ-Chef Spranger übergab persönlich jenem Armeeoberst Caballero die quasimilitärische Ausrüstungshilfe, über den gerade in einem Interview mit der Zeitung Prensa Latina zu lesen war, was er alles so getan hatte und machte. Caballeros war Mitglied des militärischen Geheimdienstes gewesen und wurde trainiert zum Spezialisten in sogenannter »Aufstandsbekämpfung«, der Tausende von guatemaltekischen Kleinbauern zum Opfer gefallen waren. Am 10. 3. 1987 meldete das Fernsehmagazin Monitor in einer Sendung, daß Caballeros persönlich an Massakern beteiligt gewesen sei. Das forderte natürlich den Leiter des Lateinamerika-Referates im BMZ, Herrn Schweiger, zu Erklärungen heraus, die er später noch bereuen sollte: »Caballeros habe sich zur Zeit des Massakers im Ausland befunden, man könne sich darauf verlassen, dies sei eine gesicherte Information«. In der folgenden Innenausschußsitzung des Bundestages vom 15.6.1987 stellte sich dann heraus, daß die Bundesregierung nicht wußte, wer Empfänger dieser Hilfe gewesen war, und Schweiger – dem man inzwischen bewiesen hatte, daß Caballeros keineswegs im Ausland, sondern persönlich am Tatort des Massakers sich befunden hatte,- klagte vernehmlich darüber, nicht »korrekt informiert« worden zu sein. »Quelle sei die Botschaft« gewesen. Eben jener Botschafter Bensch, der keine Menschenrechtsverletzung kannte. – Vor einer solchen Polizei fliehen die Menschen. Sie lebten nun versteckt in den schwer zugänglichen Gebieten der tropischen Wälder und Bergregionen Guatemalas. Und es ging um »Hilfe für die Población en Resistenca«. Medizinische Hilfe für die Geheimen Dörfer. Dies Geständnis ist allerdings zu machen: die kam von medico.

Worte im Wandel der Zeit

»Guatemala. Das Land will inneren Frieden finden. Mehr als fünf der zehn Millionen Einwohner müssen mit weniger als einem US-Dollar pro Tag auskommen. Die Hälfte der ländlichen Bevölkerung hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Ein Drittel aller Kinder erhält keine Schulausbildung. Das Vermögensgefälle im Land ist eklatant. Eine kleine Minderheit schwelgt im Reichtum, während die breite Bevölkerung benachteiligt wird und in Not lebt.« – Man könnte ein PREISAUSSCHREIBEN darüber veranstalten, wer so redet? Kommunisten? medico? Nein! Es ist dies die Sprache des letzten Berichtes »Entwicklungszusammenarbeit für die Menschenrechte« aus dem noch CSU-geführten Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ). Eine Einrichtung, die überdies meint, auf folgendes hinweisen zu müssen: »Schon vor Ende des Bürgerkriegs hat sich die Bundesregierung für die Menschenrechte in Guatemala eingesetzt«. Es gibt wahrhaftig aber Leute, die sich da ganz anders erinnern.

Guatemala

MEMORY OF SILENCE

TZ´INIL NA´TAD´AL

Am 12. März 1999 traf in Guatemala ein anderer Vertreter der aktuellen »Verzeih-Kultur« ein, jener William Jefferson Clinton, der seine Kriege als Pressetermine begreift, und dem es auch hier gelang, vor laufenden Kameras Tränen rollen zu lassen: auch er bedauere, was geschehen sei. Da auch andere dies bedauerten, mußte Clinton den alten Regierungspalast durch den Hintereingang betreten, weil vorne Demonstranten waren, die ihre Erinnerungen stark auf die CIA bezogen. Das Treffen war in Zusammenarbeit mit der George-Soros-Stiftung, – von der man nie Geld nehmen sollte, – eingerichtet worden. Integre Leute, wie die von der katholischen Kirche, blieben dem auch fern. – Zuvor jedoch war Wichtigeres geschehen: Wie bei einem Schauspiel saßen 6 Leute auf der Bühne & blickten in den übervollen Saal des Nationaltheaters. 2000 Menschen im Vestibül, weitere 5000 standen im Freien – und verfolgten das Geschehen über eine riesige Leinwand. Ein historischer Augenblick stand bevor: denn wenig später sollten 17 Bände hereingetragen und vorgestellt werden. Etwa 3400 Seiten Leidensgeschichte – verbunden mit der Hoffnung, aus der Ergründung der Vergangenheit möge eine glücklichere Zukunft erwachsen – waren es, die die Menschen an diesem Tag zum Theater Miguel Ángel Asturias in Guatemala-Stadt gelockt hatten. Ein feierlicher Augenblick, den der Leiter der Wahrheitskommission, der Deutsche Christian Tomuschat, nach seinen eigenen Worten niemals vergessen wird. Während er 20 Minuten lang die Ergebnisse seiner Arbeit zusammenfaßte, wurde der Völkerrechtler immer wieder von Beifallssalven unterbrochen. Die Zustimmung steigerte sich noch, als Tomuschat den Begriff »Völkermord« gegen die Maya-Bevölkerung verwendete, als er die Armee zur internen Veränderung aufrief und besonders als er die Verwicklungen der Vereinigten Staaten von Amerika, genauer gesagt der CIA, in dem Bürgerkrieg von Guatemala darlegte. Es war eine bewegende Feier, wie sie das mittelamerikanische Land seit Ende 1996 nicht mehr erlebt hatte. Damals waren mit der Unterzeichnung eines Friedensvertrages 36 Jahre blutigster Auseinandersetzung zu Ende gegangen. 200 000 Todesopfer soll der Krieg gekostet haben. Mit dem Abschlußbericht der Wahrheitskommission ist nun aktenkundig, daß die Armee 93% aller Massaker aus jenen Jahren zu verantworten hat. Der mutige Christian Tomuschat und die Vereinten Nationen, von denen er eingesetzt worden war, betrachten die Arbeit der Wahrheitskommission trotz gelegentlicher Klagen über ihre »institutionalisierte Folgenlosigkeit« als einen großen Erfolg. Guatemala, sagt der Professor etwas pathetisch, ist seither ein anderes Land geworden, weil die Verbrecher die Vergangenheit nun nicht mehr unter dem Schleier des Vergessens verstecken können. Das ist wohl war. Aber die Verbrecher leben weiter und sind aktiv. 14. Mai 1999 (AFP): »In Guatemala ist der Menschenrechtler stellvertretende Generalsekretär der Demokratischen Front für ein neues Guatemala, González, ermordet worden. Die Bluttat wurde wenige Tage vor der für Sonntag geplanten Volksabstimmung über eine Verfassungsänderung in Guatemala verübt. Darin sollen unter anderem den Ureinwohnern mehr Rechte zugebilligt werden und die Auflösung der präsidialen Garde verfügt werden. Menschenrechtler befürchten nun ein abermaliges Aufflammen der Gewalt in Guatemala.« ENDE DER MELDUNG.

Das Referendum ist übrigens gescheitert. medico sollte wohl weiter seinen langen & kritischen Blick auf Guatemala gerichtet halten. Zusammen mit Christian Tomuschat. Weswegen wir das »Projekt zur Wiedererlangung des historischen Gedächtnisses« (REMHI) unterstützen. Damit die Menschen ihre Geschichte rekonstruieren und dann anders gestalten. Wenn die Täter endgültig an die Wand gestellt sind. Um sie zu erschießen? Nein, nur um sie dort ewig stehen zu lassen. Das Spendenstichwort lautet dafür: »Guatemala«


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