Buchveröffentlichung

Haitianische Renaissance

28.04.2020   Lesezeit: 2 min

Eine andere Weltordnung, die die globalen Herausforderungen bewältigen will, muss von den Enden der Welt aus gedacht werden, als Renaissance der Universalität der Menschenrechte.

Katja Maurer / Andrea Pollmeier
Haitianische Renaissance
Der lange Kampf um postkoloniale Emanzipation
ca. 192 S.

Jede Idee von einer postkolonialen Ordnung nimmt in Haiti ihren Ausgangspunkt. Indem Sklavinnen und Sklaven die Werte der Französischen Revolution auch für sich selbst durchsetzten und eine unabhängige Republik gründeten, hat die haitianische Revolution 1804 ein neues Kapitel in der Universalgeschichte aufgeschlagen. Die Ziele dieser Revolution sind bis heute unhintergehbar, werden in der Praxis jedoch systematisch verletzt.

Die politischen Konflikte in Haiti werfen heute bei aller Unterschiedlichkeit dieselben Fragen auf, die auch seit dem ägyptischen Aufstand auf dem Tahrir-Platz 2011 zur Debatte stehen: Die nach einem Leben in Würde für alle, in dem Anerkennung eines jeden eine Frage von sozialer Sicherheit, aber auch von demokratischer Teilhabe ist.

Ein Buch, das den Menschen Haitis eine Stimme gibt

Systeme der Unterdrückung spalten weltweit soziale Gemeinschaften und verwandeln Nationen in angebliche »failed states«. Wieder kämpft Haiti gegen diese strukturellen Missstände. Wie in einem Brennglas zeigen sie sich hier besonders deutlich. Jetzt ist Haiti jedoch nicht allein. Der Kampf gegen Korruption und Fremdbestimmung spitzt sich nahezu gleichzeitig an vielen Orten der Welt zu. Die globalisierte Welt hat Haiti dennoch vergessen. Die internationale Hilfe nach dem Erdbeben 2010 schien ein letzter Versuch, sich des Landes und seiner historischen Bedeutung zu erinnern.

Haitianische Renaissance hält nichtsdestotrotz an der postkolonialen Exemplarität fest. Das Auslöschen des haitianischen Ereignisses aus dem kollektiven Gedächtnis hat die Menschenrechte zu einer ausschließlich westlichen Erzählung werden lassen. Die haitianische Revolution in das Bewusstsein der Welt zurückzuholen, heißt, die Idee der Menschenrechte zu dekolonisieren und zu einem gemeinsamen Horizont zu machen. Eine andere Weltordnung, die die globalen Herausforderungen bewältigen will, muss von den Enden der Welt aus gedacht werden, als Renaissance der Universalität der Menschenrechte.

In diesem Denken bewegt sich Haitianische Renaissance. Es geht um Fragen wie: Warum ist Haiti noch immer so fragil und die auf der gleichen Insel bestehende Dominikanische Republik vergleichsweise stabil? Wie haben sich von außen implementierte, ökonomische Großprojekte bewährt? Warum ist die internationale Hilfe nach dem Erdbeben 2010 so massiv gescheitert? Welche positiven Kräfte gibt es inmitten des Chaos? Das Buch beschäftigt sich mit den Folgen internationaler Hilfsbemühungen, der Rolle der UNO und der internationalen Gebergemeinschaft sowie der strukturellen Gewalt, der ein Großteil der Bevölkerung kontinuierlich unterliegt.

Die Autorinnen versuchen in einer Erzählweise, die der haitianischen Perspektive in Interviews, Essays und Hintergrundberichten bewusst Raum gibt, nicht nur den Gründen für das vielfältige Scheitern von Selbstbefreiung auf die Spur zu kommen, sondern auch den Zukunftshorizont eines würdigen Lebens aufzuzeigen. An Beispielen konkreten zivilgesellschaftlichen Engagements wird neben den krisenhaften Betrachtungen erkennbar, von welchen Kräften ein positiver Wandel ausgehen könnte.


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