Fällt das ILISU Staudammprojekt? - Rote Karte für deutsche HERMES-Bürgschaft
Dr. Ayse Kudat, eine Expertin mit Weltbankrang, präsentierte soeben einen aufsehenerregenden Bericht über die fatalen Konsequenzen der ILISU-Staudamm-Planung, den sie im Auftrag der Exportkreditversicherungen anfertigte:
Als wesentliche externe Voraussetzung, ohne die eine akzeptable Umsiedlung der Menschen nicht möglich ist, besteht sie auf einer tiefgreifenden Reform der türkischen Behörden sowie auf der Aufhebung der Sicherheitszonen in Verbindung mit einer Stimulation der ökonomischen Entwicklung der Region in den kommenden zwei Jahren. Auf keine dieser zwingenden Konditionen haben die Projektunternehmer einen eigenständigen und direkten Einfluß. Dr. Kudat kritisiert, daß eine ganze Summe von »internationalen Standards für die Umsiedlungsplanung« nicht erfüllt sei. Es mangele an einer »sozioökonomischen Erhebung«, an Daten also über die »Einkommensstruktur der Menschen, an Wissen über Eigentumsverhältnisse und Landtitel sowie an einem Aufschluß über mögliche Ersatzarbeitsplätze in den zukünftigen Aufnahmestädten« der Umgesiedelten. Dr. Kudat konstatiert, daß die Bereitschaft Ankaras, ein genügendes Budget für den Transfer zu gewährleisten als äußerst »ungewiß« eingeschätzt werden kann. Dazu kommt auch, daß für den Verlust von Weiderechten im türkischen Gesetz keine Entschädigungsregelung gegeben ist. »Frauenrechte« wurden konträr zu den »Richtlinien der Weltbank und der OECD nicht ausdrücklich berücksichtigt«.
Vor allem auch sei die demokratische »Beteiligung und Partizipation der Betroffenen« bis heute nur »begrenzt« zu verzeichnen, sofern davon überhaupt eine Rede sein kann. Nach wie vor werden die Kommunalverantwortlichen und gewählten Bürgermeister der umliegenden Städte noch nicht einmal konsultiert. Nach wie vor ist die Rede von nachweislichen Bedrohungen gegenüber intervenierenden Vertretern von NGO‘s und lokalen Politikern. Dr. Kudat bezweifelt schließlich die Möglichkeiten einer soliden Datenerhebung, weil die Sicherheitszonen nach wie vor für »Außenstehende« gesperrt sind. Die Expertise gipfelt in der Feststellung von elementaren »Fehlschlägen« in der bisherigen Umsiedlungspraxis der Türkei bei den vorangegangenen Staudammbauten, weil deren Betroffene heute noch auf eine Umsiedlung warten. Die Exportversicherungen haben sich festgelegt auf die Bedingung einer unabhängigen Begleitung (»monitoring«) des Umsiedlungsverfahrens, das bis jetzt heftig von der Seite der Türkei zurückgewiesen wird, weil diese glaubt, darin eine »Einmischung von außen« erkennen zu müssen. Wobei die Frage zu stellen ist, wie denn überhaupt ein monitoring-Team unter den herrschenden Voraussetzungen von Notstandsverordnungen adäquat arbeiten können soll.
Das Fazit aus dem Bericht der ehemaligen Weltbank-Expterin lautet: »Die wesentlichen bisherigen Umsiedlungsvorbereitungen für den ILISU-Staudamm widersprechen den gängigen internationalen Standards«. Wenn es sich aber so verhält, dann soll die betroffene & vertriebene Bevölkerung allein das größte Risiko des Projektes ertragen. Gegen deren Risiko es allerdings keine Risikoversicherung oder Bürgschaft gibt.
Nach dem Rückzug des schwedischen Partners des internationalen Planungskonsortiums und dem erfreulichen, weil negativen Beschluß des »Komitees für internationale Entwicklung« im britischen Unterhaus und der Tatsache einer weltweit wachsenden Kritik am ILISU-Projekt ist es nun hoch an der Zeit, auf den sofortigen negativen Entscheid der rot-grünen Berliner Koalition zu dringen. Keine HERMES-Bürgschaft für den ILISU-Damm. Hasankeyf soll leben und der Menschheit erhalten bleiben. Die Chancen dafür sind heute gar nicht schlecht. Es wird gelingen, wenn wir alle noch einmal energisch gegen den Staudamm protestieren.
Auf unsere verschiedenen Aufrufe im letzten Heft des Rundschreibens hin & verstärkt durch weitere Aktivitäten des deutschen Trägerkreises haben inzwischen mehr als 10 000 Menschen ihr Veto gegen die HERMES-Bürgschaft ausgesprochen bestätigt uns das Auswärtige Amt Berlins. GROSSEN DANK dafür an unsere Leserinnen & Leser! Für Sie, zu Ihrer Verwendung, haben wir in einer Auflage von vorerst 35 000 Exemplaren eine Massenzeitung »Save Hasankeyf« in Text und Bild hergestellt. Sie steht ab sofort auch kostenlos in größeren Mengen für das Verbreiten zur Verfügung. Wir freuen uns auf Ihre Bestellungen. Wollen wir alle noch einmal einen letzten großen und entscheidenden Schlag gegen den Damm führen. Helfen Sie mit! Rufen Sie uns an. Senden Sie eine eMail und informieren Sie sich aktuell hier auf unserer Website.
Und spenden Sie bitte für das Projekt unter dem Stichwort »Hasankeyf«.
Ganz vielen Dank!
Hans Branscheidt