Seit Jahren findet in Südafrika ein Ausverkauf des Staates statt. Von Mandelas African National Congress (ANC), der seit dem Ende der Apartheid 1994 synonym für die südafrikanische Regierung wurde, ist außer Klientelismus nicht mehr viel übrig. Anspruch auf Gleichheit und Gerechtigkeit und von Armut und Gewalt geprägte Wirklichkeiten klaffen immer weiter auseinander. Diese Lücke wenigstens zu verkleinern, bleibt das Ziel von Aktivist:innen und Menschenrechtsverteidiger:innen, die allem Unrecht zum Trotz an der Verwirklichung gleicher Rechte für alle Menschen festhalten.
Teil dieser Bewegung sind die Zentren der Sophiatown Community Psychological Services in Johannesburg. Sie bieten Unterstützung – von Einzel- und Gruppensitzungen über Workshops bis zu Community-Projekten – für marginalisierte, oft auch traumatisierte Menschen, zumeist Schwarze Frauen aus den Townships. Die klinische Direktorin, die Sozialarbeiterin Mpumi Zondi, weist die Besonnenheit eines Menschen auf, der schwierige Situationen erlebt, aber auch überstanden hat. Selbst unter dem Apartheidregime aufgewachsen, sagt sie: „Ich war mir des Privilegs sehr bewusst, dass ich als eine von wenigen Schwarzen Frauen studieren konnte.“ Deshalb habe sie sich vorgenommen, durch das Studium etwas zur Befreiung derer beizutragen, die von den alltäglichen Ungerechtigkeiten zermürbt werden. Doch je mehr sie studierte, desto deutlicher wurde ihr, wie sehr „das System“ auch im Curriculum der Sozialen Arbeit steckt: „Alle Konzepte kamen aus einem westlichen Kontext und sie machten nichts besser.“
Bei Sophiatown haben sie deshalb psychosoziale Ansätze „aus der Realität der Communites“ heraus entwickelt. In ihrem Buch „Strengthening the Wounded Carer” beschreibt Mpumi die Arbeit mit Gesundheitsarbeiter:innen aus und in den Townships. Diese leisten dort unerlässliche Basisarbeit, wo das staatliche Gesundheitssystem abwesend ist. Anerkannt wird das allerdings kaum. Mpumis Ansatz basiert auf dem Wissen um Ausbeutungs- und Unterdrückungsstrukturen und beinhaltet sowohl empathische Verbundenheit als auch praktische Unterstützung. Als die Community Health Worker begannen, für ihre Anliegen zu streiten, bot Sophiatown einen Gruppenkontext, in dem sie sich austauschen und stärken konnten. Und als die Frauen während der Pandemie ohne Schutzausstattung in den Kampf gegen Covid geschickt wurden, entwickelte Sophiatown mobile Beratungsangebote und „Swearing Rounds“, in denen sich psychosoziale Berater:innen die Wut von der Seele fluchen konnten. Dennoch: Die Erschöpfung, die Ausbeutung und Unterdrückung seit langer Zeit in Körper und Geist der Frauen einschreiben, ist groß. Mpumi aber versinkt nicht in Passivität, im Gegenteil: „Rest is resistance“, Erholung ist Widerstand, lautet das Motto einer Bewegung Schwarzer Feminist:innen, der sie sich zugehörig fühlt. „Wir müssen uns der permanenten Verfügbarkeit verweigern. Nur so können wir die Erschöpfung hinter uns lassen und dann auch wieder politisch träumen.“
Julia Manek
Traditionell wie aktuell ist Südafrika für medico eines der Länder mit den meisten Kooperationen.