Kein Mandat mehr für die NATO

Die Folgen der Eskalation im Afghanistan-Krieg/Interview mit Thomas Gebauer

16.04.2010   Lesezeit: 1 min

medico unterstützt seit vielen Jahren lokale Partner in Afghanistan. Nun kommen fast täglich neue Meldungen über gefallene deutsche Soldaten. Was bedeutet die aktuelle Zuspitzung?

Thomas Gebauer: Sie ist Ergebnis eines Strategiewechsels, den die NATO in Afghanistan vollzogen hat: Militärische Präsenz in der Fläche zu zeigen. Und zwar Tag und Nacht. Die Bundeswehr hat diesen Wechsel auch vollzogen. Wir werden in immer schnellere Abfolge Meldungen aus Afghanistan über gefallene deutsche Soldaten erhalten.

medico hat immer wieder einen Strategiewechsel in Afghanistan gefordert. Haben wir den nun?

Tatsächlich haben wir und andere Hilfsorganisationen, die in Afghanistan Projekte unterstützen, eine neue Strategie gefordert. Allerdings haben wir das Gegenteil von dem gemeint, was wir gerade erleben: Nämlich eine unverzügliche Entmilitarisierung. Die NATO setzt auf die Militarisierung des Konfliktes, das kann ihn nicht lösen. Früher oder später wird ein Abzug Hals über Kopf erfolgen. Die Afghanen, so fürchte ich, wird man mit den Hinterlassenschaften einer gescheiterten Militärintervention allein lassen.

Was kann man tun?

Man muss erkennen, dass das Mandat, das die UNO einst der NATO erteilte, nicht mehr gültig ist. Damals war von Stabilisierung die Rede, jetzt haben wir einen Krieg. Die UNO muss meiner Ansicht nach der NATO das Mandat für den Afghanistan-Einsatz entziehen. Eine internationale Konferenz wäre der unmittelbar nächste Schritt, in die China, der Iran, möglicherweise auch die arabischen Länder einbezogen sind. Hier könnte gemeinsam eine Sicherheits- und Entwicklungsstrategie für Afghanistan ausgearbeitet werden. Die hätte wesentlich höhere Erfolgsaussichten und würde auch unseren Partnern die Angst nehmen, dass nach Abzug der NATO Afghanistan wieder in einen brutalen Bürgerkrieg zurückgeworfen wird.


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