Von Friederike Mager
Misstrauen, Ausgrenzung und erschwerte Ausreisemöglichkeiten prägen Ägypten seit der Machtübernahme von Präsidenten Fatah al-Sisi in 2013. Die Situation von Geflüchteten, besonders von syrischen, hat sich seit dem Sturz des vorherigen Präsidenten und der zunehmenden Kooperation zwischen der ägyptischen Regierung und der EU im Zuge der „Flüchtlingsabwehr“ systematisch verschärft.
Ägypten preist sich als verlässlicher Partner der externalisierten Migrationspolitik Europa an, um die daran gebundene finanzielle Unterstützung von der EU zu erhalten. In der Folge wird die Aus- und Weiterreise von Geflüchteten in Ägypten blockiert. Viele geflüchtete Familien, vor allem aus Syrien, verharren in küstennahen Orten Ägyptens in der Hoffnung auf baldige Weiterreise und eine Zusammenführung mit ihren Angehörigen, die bereits in Europa angekommen sind.
Doch das Warten nimmt kein Ende. Vor allem in der zweitgrößten ägyptischen Stadt Alexandria mit dem wichtigsten Hafen des Landes versuchen mehrere tausend Geflüchtete, in der Zwischenzeit in informellen Ökonomien und einfachen Wohnquartieren unterzukommen. Für junge Frauen und Mädchen ist das besonders schwierig, da sie im öffentlichen Raum tagtäglich der Belästigung durch Männer ausgesetzt sind, weshalb sie nur selten ihre Übergangsunterkunft verlassen.
Kulturelles Angebot für Geflüchtete im Transit
Die medico-Partnerorganisation „Torraha for Culture and Art“ hilft, die Wartezeit zu überstehen, und unterstützt Flüchtlingsfamilien bei der Integration in lokale Gemeinden in Alexandria. In Form von kreativen wöchentlichen Workshops, beispielsweise für Jugendliche, die lernen, eigene Kurzfilme zu erstellen, Musik zu produzieren oder Storytelling zu praktizieren, oder in Form von Aufklärungsmaßnahmen über den Status als Flüchtling im Allgemeinen und in der ägyptischen Gesellschaft im Besonderen.
Auch in Nähworkshops inklusive Marketing- und Managementschulung arbeitet Torraha gezielt mit den Geflüchteten zusammen. Mit diesem Angebot sollen vor allem neue Einkommensmöglichkeiten für junge Frauen aus Flüchtlingsfamilien geschaffen werden über die schlechtentlohnte, informelle Arbeit in Restaurants hinaus, die syrische Küche anbieten. Zugleich eröffnet dieses vielfältige Angebot Auswege aus der Isolation der marginalisierten Geflüchteten und neue Bewegungsspielräume für Frauen und Mädchen.
Öffentlichkeitsarbeit zu „Flucht und Migration“
In einem projektbegleitenden Dokumentarfilm nahm der bekannte alexandrinische Filmemacher Islam Kamal Erfahrungen aus dem Alltag und einzelne Fluchtgeschichten aus der Sicht der Geflüchteten in Alexandria auf. Nicht nur auf Arabisch, sondern auch auf Englisch werden so die persönlichen Geschichten und Sichtweisen der Geflüchteten für eine breite Öffentlichkeit über Grenzen hinweg zugänglich gemacht.
Hinzu kommen Ausstellungen aller in den Workshops entstandenen Arbeiten an einem öffentlichen kulturellen Ort in Alexandria – für Torraha eine Gelegenheit, kritisch auf das allgegenwärtige Thema „Flucht und Migration“ aufmerksam zu machen.
medico unterstützt Torraha seit Dezember 2017. Jetzt spenden!