Die Beschäftigten der südasiatischen Textilfabriken bleiben die Betrogenen. Denn auf Einladung von Bundesentwicklungsminister Müller (CSU) haben sich mehrere deutsche Textilunternehmen und ihre Verbände auf nicht mehr als „einen gemeinsamen Prozess der Zielverfolgung mit dem Zweck der Erreichung der Bündnis-Standards und -ziele“ geeinigt. Dabei wird den Neumitgliedern des „Bündnisses für nachhaltige Textilien“ bereits vorab zugestanden, „dass die Ziele nicht von allen Partnern auf gleichem Niveau und zum selben Zeitpunkt erfüllt werden können“(neuer Aktionsplan).
Unter solchen Bedingungen versteht sich von selbst, dass sogar Unternehmen wie Adler, NKD und KiK dem Bündnis beigetreten sind: Adler und NKD weigern sich noch heute, in den Entschädigungsfonds für die 1134 Toten des Fabrikzusammensturzes in Bangladesch einzuzahlen, KiK wird von Überlebenden des Fabrikbrandes in Pakistan wegen unzureichender Entschädigung vor deutschen Gerichten verklagt. Seit fast drei Jahren spielt die internationale Textilbranche auf Zeit, weder in Pakistan noch in Bangladesch konnten die Entschädigungsverhandlungen abgeschlossen werden, in den Fabriken selbst hat sich so gut nichts geändert.
Der neue Aktionsplan ist ein Freifahrtschein
„Schon der alte Aktionsplan vom Oktober 2014 blieb weit hinter den Anforderungen zurück“, sagt Thomas Seibert, Südasienreferent der Hilfsorganisation medico international, „der neue Aktionsplan ist ein Freifahrtschein, mit dem die Unternehmen weitermachen können wie bisher.“
Unmittelbar nach dem Zusammensturz des Fabrikkomplexes Rana Plaza im April 2013 hatte auch Minister Müller gesetzliche Regelungen in Erwägung gezogen, um die deutschen Auftraggeber zur Einhaltung der menschenrechtlichen Sozialstandards zu nötigen. Als er statt der dringend erforderlichen gesetzlichen Maßnahmen das auf eine Selbstverpflichtung der Unternehmen ausgerichtete „Bündnis für nachhaltige Textilien“ auf den Weg brachte, wurde er von den Beteiligten offen brüskiert: kurz vor Unterzeichnung der Gründungsurkunde stiegen die meisten Unternehmen aus den Gesprächen aus und ließen den Minister im Regen stehen.
Public Relation im Vorfeld des G7-Gipfels
„Der neue Aktionsplan ist Public Relation im Vorfeld des G7-Gipfels“, so Seibert weiter, „die Einstiegsbedingungen wurden so tief abgesenkt, dass auch Adler, NKD und KiK problemlos mitmachen können. Tatsächlich werden die Unternehmen die Menschenrechte der Textilarbeiterinnen und Textilarbeiter nur unter gesetzlichem Druck achten. Ihnen mit dem Textilbündnis eine Bühne zur Selbstdarstellung einzuräumen, kommt einer Verhöhnung der Opfer gleich.“
Die Frankfurter Hilfsorganisation unterstützt Gewerkschaften in Pakistan und Bangladesch in ihrem Kampf um die Rechte der Beschäftigten. Sie finanziert in Bangladesch einen Fonds zur ärztlichen Versorgung von Rana Plaza-Überlebenden und unterstützt die vier Überlebenden des Fabrikbrandes in Pakistan in ihrer Zivilklage gegen den mutmaßlich alleinigen Auftraggeber KiK.
- Für Nachfragen und Interviewwünsche wenden Sie sich bitte an Thomas Seibert, seibert@, Tel.: 0160 97557350 medico.de