Nicht erst seit dem Vormarsch des „Islamischen Staates“ ist die 40.000-Einwohner-Stadt Kifri im Südosten der autonomen Region Kurdistan von Krieg und Flucht betroffen. 1988 war die Kleinstadt Schauplatz der berüchtigten Anfal-Operationen des Baath-Regimes gegen die kurdische Bevölkerung. Flucht und Vertreibung haben hier fast alle Älteren schon erlebt.
Seit dem Vormarsch des „Islamischen Staats“ 2014 wurde Kifri erneut Schauplatz von Kämpfen – zwischen IS-Kämpfern, irakischer Armee, schiitischen Milizen und kurdischen Peshmerga. Bis auf 30 Kilometer war der IS an die Stadt herangerückt. Kifri wurde Frontstadt, hatte Tote und Verletzte zu beklagen. Etwa 3.500 Menschen flohen aus dem Zentralirak vor Luftangriffen der internationalen Allianz, dem IS, der irakischen Armee oder Racheakten schiitischer Milizen in die kurdische Provinzstadt. Sie erfahren einerseits viel Solidarität und Hilfsbereitschaft. Dennoch ist das Verhältnis zwischen den überwiegend arabisch-sunnitischen Geflüchteten und kurdischer Bevölkerung nicht einfach. Zu den historischen Gewalterfahrungen der Kurden unter Saddam kommt heute das Misstrauen gegenüber den Sunniten als vermeintlichen IS-Sympathisten.
In dieser Konfliktsituation gründete eine Gruppe von Kunststudenten mit ihrem Lehrer ein Jugend- und Kulturprojekt im ehemaligen Postgebäude der Stadt – mit Unterstützung von medico international und dem Verein Haukari. Ziel des Projekts: Geflüchtete und lokale Bevölkerung zusammenbringen und so einen Beitrag zum Abbau von Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppen leisten.
Das Gebäude war zunächst von Binnenflüchtlingen bewohnt gewesen, bevor es von der Gruppe seit 2014 Schritt für Schritt instandgesetzt und renoviert wurde. Seither ist das selbstverwaltete Zentrum beständig gewachsen und entwickelte sich zu einer Anlaufstelle vor allem für junge Frauen und Männer aus Kifri und zu einem Begegnungsort zwischen Geflüchteten und lokaler Bevölkerung. Getragen wird das Projekt vom Engagement der lokalen Jugend. Ihnen bietet das Projekt zugleich eine Perspektive jenseits der schwierigen wirtschaftlichen Lage und aktuellen Konfliktsituation und bringt Geflüchtete und Gastgemeinde zusammen. Neben einer Verteilstelle für Nothilfegüter an Binnenflüchtlinge entstanden hier Ateliers fürs KünstlerInnen, im Innenhof des Komplexes finden Konzerte, Lesungen und Theateraufführungen statt. Es gibt Aufklärungsveranstaltungen zu Gesundheits- und Rechtsfragen ebenso wie Nähkurse für Frauen und Dialogveranstaltungen zwischen lokalen und geflüchteten Jugendlichen. Nur 30 Kilometer vom IS-Gebiet entfernt wird hier zu Frauenrechten gearbeitet.
Geplant sind der Ausbau von Freizeitangeboten speziell für Mädchen und Frauen. Hierfür werden weitere Sport-, Freizeit- und Unterrichtsräume ausgebaut, es entstehen eine Cafeteria und sanitäre Anlagen. Ziel ist außerdem die Schaffung einer gleichberechtigten und demokratischen Mitgestaltungsstruktur über das Programm des Zentrums unter Teilhabe von Männer und Frauen, Arabern und Kurden, Geflüchteten und derGastgemeinde.
medico international unterstützt den Ausbau des Zentrums gemeinsam mit Haukari seit 2014 als konfliktpräventive Komponente seiner Nothilfeprojekte für Geflüchtete in der Region. Für die engagierten Jugendlichen vor Ort bedeutet jede Spende eine neue Initiative, eine zusätzliche Veranstaltung, einen zusätzlichen Fortbildungskurs.Jetzt online spenden!