Philippinen

Projekte 2013/2014

11.03.2014   Lesezeit: 7 min

Selbsthilfe stärken: Taifun-Nothilfe auf den Philippinen:

medico international hat seine philippinische Partnerorganisation Samahang Operasyong Sagip (SOS) seit dem Taifun Haiyan mit rund 220.000 Euro unterstützt. Die Aktivitäten des Nothilfenetzwerkes nach den Verwüstungen durch Sturm und Überschwemmungen haben bisher mehr als 50.000 Menschen erreicht.

medico international hat die Nothilfearbeit von SOS bereits 2009 und 2012 in Flutsituationen im Großraum Manila unterstützt und gute Erfahrungen mit ihrer Durchführungskapazität, Kommunikation und Berichtswesen gemacht. Es zeigte sich, dass SOS großen Wert legt auf die partizipative Beteiligung der Betroffenen in der Durchführung der Maßnahme, sowohl in der Sammlung von Daten, Erstellung lokaler Assessments, Auswahl der Begünstigten, Planung und Durchführung der Verteilungen und Evaluation der Einsätze. Zusätzlich sind es vorwiegend Freiwillige der im Netzwerk CHD (Council for Health and Development) zusammengeschlossenen Organisationen, die an der Umsetzung der Maßnahmen beteiligt sind.

SOS besteht aus zwanzig Gesundheitsorganisationen, die sich für die Katastrophenvorsorge und die Hilfe im Katastrophenfall zusammengeschlossen haben. Seit vierzig Jahren sichern die Mitgliedsorganisationen die medizinische Grundversorgung der Ärmsten unter anderem auf den Inseln Leyte und Samar. Nach dem Taifun setzten die medico-Partner einen umfassenden Katastropheneinsatz in Gang und versorgen seitdem die Betroffenen. Sie sind erfahrene Nothelfer, denn immer wieder erschüttern Erdbeben und Stürme die Region.

Der Taifun Haiyan (in Philippinen genannt „Yolanda“) zog mit einer bisher selten gemessenen Stärke durch die Inselgruppe Visayas der Philippinen am Freitag, 8.11.2013. Mit einer Geschwindigkeit von 235km/h bis zu 275km/h durchzog er die Inseln Samar und Leyte und weitere Inseln im Westen der Philippinen. Parallel dazu entwickelte sich ein Sturm mit Flutwellen von bis zu 6 bis 7 Meter Höhe, die auf die Gemeinden an den Küsten der einzelnen Inseln der Visayas niederschmetterten. Nach Angaben der Vereinten Nationen (7.3.2014; UNOCHA) sind rund 14 Mio. Menschen von der Zerstörung betroffen, ca. 4 Mio. Menschen wurden vertrieben und 1 Mio. Häuser zerstört. Die philippinischen Behörden sprechen derzeit von 6.201 Toten.

Im Rahmen von bisher fünf Hilfsmissionen wurden in 69 betroffenen Gemeinden 6275 Patienten behandelt und 9305 Familien (51177 Menschen) mit Hilfsgütern versorgt. Von SOS erhalten an erster Stelle Alleinerziehende, Familien mit kranken und behinderten Familienmitglieder und besonders arme Familien Unterstützung.

Jede Mission besteht aus mehreren SOS-Teams mit jeweils 15 Ärzten, Krankenpfleger und Freiwilligen. Diese versorgten Verwundete und behandeln vor allem Durchfall- und Atemwegserkrankungen. Zusätzlich zu materieller und medizinischer Nothilfe unterstützt SOS die Gemeinden auf Samar und Leyte auch mit psychosozialer Betreuung.

Auch Monate nach dem verheerenden Taifun Haiyan traff SOS noch immer auf betroffene Gemeinden die keine Unterstützung bekommen hatten. Insbesondere die Dörfer in den abgelegenen Bergregionen im Osten der Insel Samar werden von den lokalen Behörden vernachlässigt, beklagen die örtlichen Mitarbeiter von SOS. Diese brachten Hilfsgüter teilweise mit Motorradkonvois in die Hochlandgemeinden.

Neben der konkreten Hilfe beteiligt sich SOS auch an der öffentlichen Debatte und kritisiert den von der philippinischen Regierung vorgestellten Wiederaufbauplan. Zwar sei die Hälfte des Budgets für den Bau von Unterkünften und Umsiedlungen eingeplant, bisher habe die Regierung davon aber hauptsächlich Sammelunterkünfte errichtet, die nur als Übergangslösung taugten. Viele betroffene Familien sind zunehmend verunsichert, da nicht klar ist, ob sie ihre Häuser endlich wieder aufbauen dürfen oder umgesiedelt werden sollen. SOS kritisiert außerdem die Prioritätensetzung der Regierung. Für die Unterstützung der Privatwirtschaft sei fast viermal so viel Geld vorgesehen als für die Bauern und Fischer. Um einen nachhaltigen Wiederaufbau zu gewährleisten, legt SOS sehr viel Wert auf die unmittelbare Beteiligung und Mobilisierung der Taifun-Geschädigten. Das Nothilfenetzwerk beteiligte sich deshalb auch an einer Versammlung von mehr als 12.000 Betroffenen im Rahmen der #peoplesurge-Kampagne im Astrodome von Tacloban um einen gerechten Wiederaufbau von unten zu diskutieren. medico unterstützt diese Räume der Artikulation und Partizipation - politisch und finanziell mit Fahrtkostenunterstützung für Überlebende des Taifuns aus den entlegenen Gemeinden der Inseln Samar und Leyte.

Projektziele

medico international hat in enger Kooperation mit seiner philippinischen Partnerorganisation SOS ein umfassendes Wiederaufbauprogramm mit ganzheitlichem Ansatz für acht besonders schwer betroffene Dörfer auf der Insel Samar erarbeitet. Mit diesem Rehabilitationsprojekt sollen folgende Ziele erreicht werden:

  1. Wiederherstellung von Lebensgrundlagen und Ernährungssicherheit; Verbesserung der Subsistenzwirtschaft
  2. Unterstützung bei Wiederaufbau von Häusern
  3. Verbesserung der Gesundheit und Aufbau von Strukturen zur nachhaltigen Verbesserung der Gemeindegesundheitsversorgung
  4. Stärkung der Gemeinden bei der Katastrophenvorsorge und beim Katastrophenschutz
  5. Soziale Anwaltschaft und Kampagnenarbeit

 

Die von SOS ausgewählten Dörfer auf der Insel Samar wurden bisher kaum von Hilfslieferungen der philippinischen Regierung erreicht und werden im Rahmen des philippinischen Rehabilitationsprogramms nicht prioritär bedacht. Die Menschen in den ausgewählten Dörfern leben vom Ertrag, den sie durch den Verkauf von Bananen, Kokosnuss und Gemüse erwirtschaften und bauen Reis zum Eigenverzehr an. In drei der acht Dörfer („barangays“) leben die Familien außerdem vom Fischfang. Durch den Taifun wurden 100% der Nutzbäume, - pflanzen und -flächen zerstört, sowie in den küsten- oder flussnahen Dörfern die gesamte Ausrüstung zum Fischfang inklusive der Motorboote.
 

Zielgruppe

9.931 arme Menschen aus 1.798 Familien, die in vom Taifun zerstörten 8 Dörfern (Huknan, Poblacion 7 in Ostsamar; Pelaon, Magdawat, Beri, Caligan, Tag-alag, Mabini in Westsamar) auf der Insel Samar leben. Die Dorfbewohner leben fast ausschließlich von kleinbäuerlicher Subsistenzwirtschaft und Fischfang, organisieren sich u.a. in Bauern- und Frauenorganisationen und haben aufgrund ihrer regionalen Abgelegenheit einen starken Gemeinschaftssinn. Von den 1.798 Familien sind 79% besonders arm und daher in höchstem Maße vom Taifun betroffen.

Aktivitäten

1. Wiederherstellung von Lebensgrundlagen und Ernährungssicherheit, Verbesserung der Subsistenzwirtschaft

  • Verteilung von traditionellem Saatgut für Gemüse und Reis
  • Pflege einer gemeinschaftlichen Saatgutbank u.a. für Krisenzeiten
  • Überbrückungsgeld an besonders arme Familien der ausgewählten Gemeinden für die Zeit der arbeitsintensiven Feldarbeit in den ersten zwei Monaten bis zur ersten Ernte
  • Aufbau einer Modellfarm geleitet von einem repräsentativen Ausschuss für nachhaltige Landwirtschaft auf Gemeindeebene
  • Organisation von Schulungen in nachhaltiger Landwirtschaft und tiermedizinischer Versorgung auf kooperativer Gemeindeebene durch örtliche Bauernorganisation
  • Verteilung von Geräten, Werkzeug und Ausrüstung für den Ackerbau, Fischzucht und den Fischfang
  • Verteilung von Vieh u.a. Wasserbüffel, Pferde, Hühnern und Schweine
  • Verteilung von Reis-, Maismühlen, Reisdrescher und Handtraktoren
  • gemeinsame Fischzucht auf Gemeindeebene mit den ersten erhaltenen Zuchtfischen;
  • Ausgabe von Fischerbooten an drei Dörfer
  • Ausgabe von zwei Fährbooten, für die Gemeinden, deren Transport untereinander nur per Boot praktikabel ist (Mabini, Tag-alag)

2. Unterstützung bei Wiederaufbau von Häusern (Priorität für vulnerable Haushalte)

  • Verteilung von Baumaterial und Werkzeug. Die Reparatur erfolgt in Eigenleistung durch einen Verbund von jewelis 10 Familien, die sich gegenseitig unterstützen

3. Verbesserung der Gesundheit und Aufbau von Strukturen zur nachhaltigen Verbesserung der Gemeindegesundheitsversorgung

  • Einrichtung von Gemeindegesundheitskomitees
  • Analyse der besonderen gesundheitlichen Probleme der Gemeinde
  • Schulung und Ausbildung von Gemeindegesundheitsarbeitern (CHW)
  • Ausgabe von 5 Basisausrüstungen für Gemeindegesundheitsarbeiter an jede Gemeinde
  • für die unter fünf Jahre alten Kinder wird zusätzliche Ernährung für die stillenden Mütter und Kinder bereitgestellt, um der Mangelernährung von Kindern entgegen zu wirken (in den ersten sechs Monaten), parallel Trainings zur vitaminreichen, mineralstoffreichen Ernährung für die Eltern
  • Hausbesuche der CHWs, Gesundheitsaufklärung

4. Stärkung der Gemeinden bei der Katastrophenvorsorge und beim Katastrophenschutz

  • 5-Tage Training über Katastrophenvorsorge auf Gemeindeebene in allen acht Dörfern
  • Gründung eines Bürgerausschusses zur Entwicklung eines gemeindebasierten Katastrophenvorsorgeplans und Umsetzung eines lokalen Frühwarnsystems
  • Katastrophenschutzübungen
  • Registrierung und Alarmliste
  • Ausgabe von u.a. Funkradios, Megaphonen, Alarmglocken zur Frühwarnung
  • ein Motorrad pro Gemeinde

5. Soziale Anwaltschaft und Kampagnenarbeit

  • Bildung des Bewusstseins und vermehrtes soziales Engagement der Gemeindemitglieder wie die Aufklärung über die Katastrophenanfälligkeit und den Mangel an sozialen und gesundheitlichen Einrichtungen
  • Netzwerkarbeit mit Regierung, Kirche, NGOs und anderen Gruppen, um die Gesundheitsversorgung zu verbessern
  • Veröffentlichung von Publikationen zu Gesundheitsaufklärung, Umweltschutz, Katastrophenfolgen und „Best Practice“-Beispielen zum gemeindebasierten Wiederaufbau und Katastrophenvorsorge

 


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