Projekte - Projektionen

21.11.2012   Lesezeit: 3 min

Chancen statt Drohnen

Somalia: Lebensgrundlagen für die Überflüssigen

In Somalia verdichtet sich der neue Süden. Hier leben die dreifach Überflüssigen der globalisierten Welt – als Arbeitskräfte werden sie nicht benötigt, als Konsumenten sind sie zu arm und die Erzeugnisse, die sie herstellen werden nicht gebraucht. Wahrnehmung erfahren sie im globalen Norden meist nur noch als Katastrophenopfer oder Sicherheitsrisiko, wenn ihre Überlebensstrategien die zugewiesene Ausgrenzung durchbrechen. Als Störfaktor der globalen Just-in-Time-Produktion und der transnationalen Handelswege, tauchen die somalischen Piraten plötzlich auch in deutschen Gerichtssälen auf. Anlässlich der Ausweitung des sogenannten „Atalanta“-Mandats durch den Bundestag, warnte der somalische medico-Partner NAPAD (Nomadic Assistance for Peace and Development) vor einer weiteren Militarisierung am Horn von Afrika: Die geplanten Kampfflieger-und Drohneneinsätze werden vor allem unter der Küstenbevölkerung zu neuen „Kollateralschäden“ führen. Dass die internationale Gemeinschaft die Entsorgung von Giftmüll und illegale internationale Fischfangflotten in somalischen Gewässern nicht stoppte, habe die Sympathiewerte der Piraten zusätzlich steigen lassen. NAPAD fordert die Stärkung der zivilen somalischen Institutionen und „legitime Chancen“ für die Förderung alternativer Lebensgrundlagen. Ein medico-Interview zum ersten „Piratenprozess“ in Hamburg seit 1401, der letzte Verurteilte war Klaus Störtebeker, unter: www.medico.de/piraten

Spendenstichwort: Ostafrika / Projektinfos: Somalia

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Flüchtlinge zweiter Klasse

Libanon: Nothilfe für syrische Palästinenser

In Syrien droht ein blutiger Winter. Unlängst warnte der UN-Sondergesandte Lakhdar Brahimi vor der „Somalisierung“ des syrischen Gemeinwesens, sprich: der Erosion des Staates bei gleichzeitiger Erstarkung lokaler Milizen und konfessionalisierter Gewalt. Längst hat der Konflikt auch die palästinensische Bevölkerung erreicht, deren Flüchtlingslager zumeist in Nachbarschaft zu ärmeren sunnitischen Wohnvierteln liegen, die vielerorts Ausgangspunkte der Rebellion gegen das Regime waren. In Syrien sind die ca. 490.000 palästinensischen Flüchtlinge rechtlich der Bevölkerung gleichgestellt. Wie zuvor in Homs und Deraa brachen jetzt auch im Damaszener Flüchtlingscamp Yarmouk mit ca. 100.000 Einwohnern Kämpfe zwischen Regimegegnern und Assad-loyalen palästinensischen Milizen aus, wie palästinensische Aktivisten aus Yarmouk medico per Skype berichteten. Immer mehr Palästinenser fliehen in den Libanon. Dort gelten sie als Flüchtlinge zweiter Klasse, haben nur beschränktes Aufenthaltsrecht und müssen bei Grenzübertritt je Erwachsenen 300 US-Dollar sowie 50 US-Dollar pro Kind entrichten. Der langjährige palästinensische medico-Partner Nashet Association hat jetzt im Camp Ein el Hilweh (Saida) begonnen, die ankommenden palästinensischen Flüchtlingsfamilien zu versorgen. Im Vordergrund stehen die Nöte der Säuglinge und Kleinkinder: besonders Hygieneartikel und Babynahrung werden an die Familien verteilt.

Spendenstichwort: Syrien / Projektinfos: Syrien

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Umsturz macht Mut

Ägypten: Frauen gegen die Straflosigkeit

Selbst im Jahr II nach dem Sturz des Raïs Mubarak hält die Veränderung an. Niemals zuvor haben die Menschen in dem 80-Millionen-Land die Erfahrung gemacht, eine Regierung verändern, geschweige denn stürzen zu können; erstmals konnten sie in freien Wahlen einen Präsidenten bestimmen. Die Regierung der Muslimbrüder löste die gefürchtete Staatssicherheit zwar auf, ließ aber viele Militärs und Polizisten unbehelligt, die an Folter und Gewaltverbrechen beteiligt waren. Aber die Erfahrung, mit gesellschaftlichen Tabus und der Allmacht der Herrscher selbst brechen zu können, führt dazu, dass die Opfer nicht mehr schweigen. Am 2. November 2012 demonstrierten in Kairo Tausende gegen diese Kultur der Straflosigkeit. Dabei auch Seif Al-Dawla, Leiterin des El Nadeem Center, dem neuen medico-Partner in Kairo. In ihrer Rede warf die Menschenrechtlerin Präsident Mursi vor, dass es allein in den ersten 100 Tagen seit seinem Amtsantritt 150 nachgewiesene Folterfälle gab. Das Al Nadeem Center bietet psychologische Beratung für Folteropfer, hilft Frauen bei geschlechtsspezifischer, oft häuslicher Gewalt und unterstützt afrikanische Flüchtlinge in Ägypten. Unerschrocken kritisiert das von Frauen geleitete Center die von religiösen Parteien dominierte verfassunggebende Versammlung: Die Rechte von Frauen dürfen nicht beschnitten und das absolute Folterverbot muss endlich Verfassungsgebot werden.

Spendenstichwort: Ägypten / Projektinfos: Ägypten


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