Solidarität und Menschlichkeit
Unsere Kooperationen in Griechenland
Seit Abschluss des EU-Türkei-Deals im März 2016 hat sich die Situation für Geflüchtete immer weiter verschärft und brutalisiert. Pushbacks im ägäischen Meer sind inzwischen an der Tagesordnung. Immer häufiger werden Fälle dokumentiert, in denen Geflüchtete auf kleinen Rettungsinseln aus Plastik im offenen Meer ausgesetzt werden. Mittlerweile gibt es sogar Berichte von Leichen Geflüchteter, die an türkischen Küsten angespült worden sind, deren Hände mit Kabelbinder und Handschellen auf den Rücken zusammengebunden waren.
Gleichzeitig werden diejenigen, die es auf die griechischen Inseln geschafft haben, massenhaft kriminalisiert und eingesperrt. Der Vorwurf: Menschenschmuggel und illegale Einreise. Die auf verschiedenen griechischen Inseln neu errichteten Closed Controlled Access Center bilden eine gefängnisartige Infrastruktur zur Abwehr und Abschreckung von Geflüchteten.
Schutzsuchende, die sich aufgrund von Krieg, wirtschaftlicher Ungerechtigkeit und Klimakatastrophe auf den Weg nach Europa machen, werden ausgesperrt. Ihr Recht zu gehen, solange die europäischen Verhältnisse zur Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen beitragen, soll ihnen genommen werden. Und dennoch machen sie sich auf den Weg.
medico unterstützt verschiedene Initiativen gegen die fundamentale Verletzung des Grundrechts auf Migration und Asyl. Die Anwält:innen des Legal Centre Lesvos versuchen beispielsweise durch ihre Arbeit vor Ort Pushbacks zu verhindern und begleiten Asylsuchende, die oft auch als vermeintliche Schleuser:innen kriminalisiert werden, in ihren Verfahren. Sie dokumentieren die Gewalt der griechischen Küstenwache und die Erosion von Rechtsstandards in den Verfahren und klagen diese in exemplarischen Prozessen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an.
Neben juristischer Beratung und medizinischer Unterstützung erhalten Geflüchtete in Mytilene, in der Nähe des Übergangslagers Mavrovouni im Borderline Lesvos Welcome Office einen geschützten Raum, um sich zu treffen und über Gewalterfahrungen auszutauschen.
Zum Kampf gegen die erzwungene Ohnmacht gehört für uns aber auch zentral das Recht und die Möglichkeit politischer Selbstorganisierung.
Das Kollektiv Women in Solidarity House WISH bietet einen Raum für Frauen, die Gewalterfahrungen im Herkunftsland, auf der Flucht und im Lager-Kontext gemacht haben. Die Gruppe strebt einen hierarchiefreien, antirassistischen und antisexistischen Umgang miteinander an, organisiert Gesundheits-Workshops und trifft sich regelmäßig zu politischen Diskussionen. Auch die Lesvos LGBTIQ+ Refugee Solidarity Gruppe schafft einen kollektiven und ermächtigenden Ort der Selbstorganisierung und gegenseitigen Unterstützung gegen spezifische queerfeindliche Strukturen.
Wir unterstützen zudem die Moria Academy eine kleine von Geflüchteten organisierte Gemeinschaft, die innerhalb des Übergangslagers Mavrovouni Kindern Schulunterricht ermöglicht und Sprachkurse in Deutsch, Farsi und Englisch organisiert. Ein Ort mit Nähmaschinen ermöglicht es Kleidung zu reparieren oder selbst zu nähen.
Während die Moria White Helmets im Übergangslager Mavrovouni sowohl die Elektrizitätsversorgung als auch Abfall-Recycling, vor allem von Wasserflaschen, organisieren, bringt das Theaterkollektiv The Boat Geflüchtete, Migrant:innen und lokale griechische Bevölkerung im Raum des Theaters zusammen. Sie vermitteln auf künstlerische Weise Fluchterfahrungen, entwickeln gegenseitige Bezugnahme und tragen zur Bildung von Solidaritätsstrukturen bei.