Mit der Öffnung der syrischen Gefängnisse wurde das ganze Ausmaß des brutalen Assad-Regimes sichtbar. In die Freude über den Umsturz mischte sich der Schmerz über das unermessliche Leid der Inhaftierten, Verschwundenen und Getöteten.
Die Aufarbeitung der unzähligen Verbrechen des Regimes ist nun unerlässlich – nur so kann ein demokratisches und freies Syrien eine Zukunft haben. Der langjährige medico-Partner, die Berliner NGO im Exil Syrian Center for Legal Studies and Research, gegründet von dem syrischen Anwalt und Menschenrechtsaktivisten Anwar al Buni, widmet sich nun dieser Aufgabe.
Die Spuren des Leids
Bilder von befreiten Gefangenen – Männer, Frauen und auch Kinder – gingen um die Welt. Alle sind schwer gezeichnet von den Jahren der Haft: Spuren von Folter, Isolationshaft, Zellen ohne Tageslicht und unzureichender Versorgung prägen ihre Körper und Seelen. Unmittelbar nach den Befreiungsaktionen machten sich Angehörige und Freunde auf die Suche nach Vermissten. Doch bis heute herrscht große Ungewissheit über das Schicksal der Tausenden Verschwundenen und Inhaftierten. Seit 2011 sollen über 1,2 Millionen Syrer:innen die Haftanstalten des Regimes durchlaufen haben.
Das 1986 errichtete Militärgefängnis Saidnaya steht exemplarisch für das Leid in den Haftanstalten des syrischen Regimes. Schätzungen zufolge sind dort seit 1987 mehr als 30.000 Menschen durch Mord, Folter oder die unmenschlichen Haftbedingungen gestorben. Zum Zeitpunkt der Befreiung waren 4.300 Menschen in Saidnaya inhaftiert, viele von ihnen schwer traumatisiert. Einige ehemalige Inhaftierte können sich weder an ihren Namen noch an ihren Herkunftsort erinnern. Andere haben keinen Kontakt zu ihren Angehörigen oder können diese nicht finden.
Hilfe für die Überlebenden
Viele Überlebende übernachten derzeit auf der Straße, da sie aufgrund der Folter und der erlittenen Traumata nicht mehr in der Lage sind, zu ihren Herkunftsorten zurückzukehren. Sie benötigen medizinische Behandlungen, Unterkünfte und Unterstützung, um wieder zu Kräften zu kommen. Das Büro des Syrian Center for Legal Studies and Research in Damaskus unterstützt Betroffene mit medizinischer Versorgung, Unterkunft und Reisekosten.
Sicherung von Beweisen
Ein zentraler Schritt für die Zukunft ist die Aufklärung der Verbrechen und die Sicherung von Beweisen, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Mit Unterstützung von medico kann das Syrian Center for Legal Studies and Research Anwälte in Damaskus beauftragen und ein eigenes Büro aufbauen. Obwohl viele Gefängnismitarbeiter kurz vor der Befreiung versucht haben, Beweise zu vernichten – etwa durch Brandstiftung oder Diebstahl von Akten – gibt es weiterhin zahlreiche Dokumente, Computer-Daten und andere Beweismaterialien über die Verbrechen des Regimes.
Jetzt geht es darum, diese Beweise zu finden, zu sichern und für rechtliche Schritte vorzubereiten. Diese Arbeit unserer Partnerorganisationen in Syrien braucht Unterstützung.