Krankheit macht arm und Armut macht krank – auf diesen einfachen Satz lässt sich die größte gesundheitliche Herausforderung bringen, mit der medico in vielen Projektregionen konfrontiert ist.
Die dramatischen Gesundheitsprobleme in der Welt lassen sich nicht lösen, ohne der Frage nach den Ursachen von Armut und sozialer Ungleichheit nachzugehen. Das ist eine Erkenntnis, die schon einen der größten deutschen Mediziner umtrieb – Rudolf Virchow. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts postulierte er: „Medizin ist eine soziale Wissenschaft und Politik ist Medizin im Großen“. Die medizinische Forschung und die Einrichtung von Krankenhäusern war für ihn so wichtig wie die Kanalisation in Berlin und die Errichtung von Kinderspielplätzen.
Der Grund liegt auf der Hand: Soziale und biologische Ursachen von Krankheiten, individuelle und gesellschaftliche Faktoren für Gesundheit las- K sen sich nicht trennen. Gute Bildung, ausreichender Wohnraum, gute Arbeitsbedingungen, sicherer Zugang zu Nahrungsmitteln, soziale Absicherung und Mitentscheidung der Betroffenen – das sind Grundpfeiler für gute Gesundheit.
Dieses Verständnis prägt die Arbeit von medico international auch in Haiti. So fördert medico nicht nur die Basisgesundheitsarbeit in der Region Artibonite, sondern auch ein Bauvorhaben eines Bürgerkomitees in einer Randgemeinde in Port-au-Prince. Diese Brücke verbessert nicht nur entscheidend den Zugang der Bewohner zur Stadt, was gerade im Krankheitsfall wichtig ist. Das Bürgerkomittee ist auch eine der Initiativen von unten, mit denen in Haiti ein neuer politischer Anfang nach der Katastrophe beginnt, mit Initiativen, die das Gemeinwohl im Blick haben und die Mitsprache der Menschen beim Wiederaufbau ein fordern. Eine solche Gemeinwohlorientierung ist ganz im Sinne Virchows ein wesentlicher Faktor für gute Gesundheit. Dies bestätigt auch die Erfahrung unserer guatemaltekischen Kollegen, die sich seit dem Erdbeben mit medico-Unterstützung der Zahngesundheit in Haiti widmen.
Diese „Zahnheilkünstler“ haben in ihren Regionen in Guatemala, die nicht weniger arm sind als Haiti, solche schlechten Zähne wie bei den haitianischen Patienten schon lange nicht mehr gesehen. Seit vielen Jahren bieten sie in Kindergärten, Schulen und in Gemeinden Gesundheits- und Zahngesundheitsaufklärung an, behandeln Karies und Parodontose, stellen Prothesen her. Mit nachhaltigem Erfolg trotz der Vernachlässigung ihrer Regionen durch den Staat. Eine solche Hilfe zur Selbsthilfe erhält in Regionen, in denen die öffentliche soziale Infrastruktur gänzlich fehlt, ihre ganz besondere Bedeutung.
Gesundheitsaktivisten können einen öffentlichen Gesundheitsdienst und Krankenhäuser nicht ersetzen und Bürgerkomitees keine funktionierende soziale Infrastruktur. Sie sind aber die Basis für den Aufbau von Institutionen des Gemeinwohls und eine wichtige Quelle der Mitbestimmung und Beteiligung der Betroffenen an der Gestaltung dieser Institutionen. Deshalb stehen solche Unterstützungen im Mittelpunkt der medico-Projektförderung.