Analyse

Woher kommt Ebola?

Die soziale Pathologie des Ebola-Virus und der Epidemie in Westafrika

15.10.2014   Lesezeit: 15 min

Mehr Informationen zu Ebola, globaler Gesundheit und der Arbeit der medico-Partner in Sierra Leone in unserem Ebola-Dossier

Eine Analyse des People`s Health Movement

Es ist kein Zufall, dass die gegenwärtige Ebola Epidemie drei der ärmsten Länder der Welt trifft: Liberia, Guinea und Sierra Leone liegen auf Platz 175, 179 und 183 aller 187 Länder auf dem Index der menschlichen Entwicklung der Vereinten Nationen. Die Gesundheitssysteme dieser Länder sind ineffektiv beziehungsweise in vielen Regionen praktisch nicht vorhanden. Die gegenwärtige Epidemie ist eine Epidemie, die durch Armut und die schonungslose Ausbeutung der Umwelt und der natürlichen Rohstoffe in der Region verursacht wurde.

Die sozialen und ökonomischen Wurzeln der gegenwärtigen Epidemie

Noch nie zuvor ist die „Zaire“-Spezies des Ebolavirus, welche die aktuelle Epidemie ausgelöst hat, bei EinwohnerInnen der derzeit betroffenen Länder festgestellt worden. Ursprünglich tritt „Zaire“ in Zentralafrika auf, das tausende Kilometer entfernt ist. Wie konnte es diese große Distanz überbrücken? Es mag sein, dass sich diese Frage nie erschöpfend beantworten lassen wird, aber es gibt Erklärungsansätze: Wenn der Erregertyp „Zaire“ erst kürzlich nach Westafrika gebracht wurde, dann wahrscheinlich durch Flughunde, die natürlichen Wirtstiere des Ebola-Virus. Die Präsenz und Nähe der Flughunde zu Menschen reicht dabei aber noch nicht aus, um eine Epidemie auszulösen. Tatsächlich weisen alle Epidemien, die von mit Ebola vergleichbaren Viren verursacht wurden, strukturelle Gemeinsamkeiten auf: Immer betreffen sie Regionen, deren Wirtschaft und öffentliches Gesundheitssystem geschwächt waren. In solchen Gebieten sind die Menschen gezwungen, immer tiefer in die Wälder vorzudringen, um Nahrung und Brennholz zu sammeln. Und nur dort kommen sie in Kontakt mit Tieren, die als Krankheitsüberträger fungieren, wie in diesem Fall die Flughunde.

Einzelne Ansteckungen treffen dann auf ein Gesundheitssystem, das unfähig ist, angemessen mit den Erkrankungen umzugehen. Das verarmte, schlecht ausgestattete Gesundheitswesen wird nun zum Nährboden für die Ausbreitung der Krankheit: Patienten, genauso wie Angestellte des Gesundheitssektors tragen die Viren weiter und in die Gesamtbevölkerung hinein. Seit dem ersten Auftreten von Ebola 1976 wird die Mehrzahl aller Ersterkrankungen mit dem Verzehr von infizierten Affen und Flughunden in Verbindung gebracht. Ebendiese Erstfälle stammen üblicherweise aus den ärmsten Bevölkerungsschichten.

Auch für die extreme Armut und die chronische Lebensmittelknappheit der Menschen in den derzeitigen Ebola-Gebieten gibt es Erklärungsansätze. Die betroffene Region in Guinea ist Teil der Guineanischen Savanne, die jüngst in den Fokus der Agrarindustrie geriet. Im Jahr 2010 kaufte der durch englische InvestorInnen gestützte Konzern Farm Land of Guinea Limited große Flächen für den Soja- und Maisanbau. Der italienische Stromkonzern Nuove Iniziative erwarb über 700.000 Hektar für die Produktion sogenannter Biotreibstoffe. Im benachbarten Liberia wurden bereits vor ungefähr einem Jahrhundert große landwirtschaftliche Flächen für den industriellen Anbau umgewidmet. Die Umstellung der liberianischen Ökonomie von Selbstversorger-Landwirtschaft auf die, durch ausländische InverstorInnen kontrollierte, handels- und exportorientierte Landwirtschaft begann bereits im Jahr 1925 mit der Firestone Rubber Company. Der Konzern erwarb dabei 400.000 Hektar für eine Nutzungsdauer von 99 Jahren – für den Preis von nur wenigen Cents pro Hektar. Quellen aus dieser Zeit berichten über die Zwangsenteignung von rund 20.000 BewohnerInnen des Gebietes, die daraufhin gezwungen waren, für einen Hungerlohn in den neu entstandenen Firestone-Plantagen zu arbeiten.

Heute ist Liberia das Land mit der weltweit höchsten Quote ausländischer Direktinvestitionen im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt. In weniger als einer Dekade schloss Liberia Sonderabkommen mit zahlreichen transnationalen Konzernen in der Eisen-, Erz- und Palmölindustrie ab, darunter BHP Billiton und Arcelor Mittal. Neu dabei im Landraub-Geschäft sind die Holzindustrie und Palmölkonzerne, wie z.B. Sime Darby aus Malysia und der US-amerikanische Konzern Golden Veroleum. Unterdessen höhlen die globalen Handelsbestimmungen für Landwirtschaft – sowohl vor, als auch nach der Unterzeichnung des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens der Welthandelsorganisation (WTO) 1994 - die Bedingungen für eigene landwirtschaftliche Produktion in Afrika weiter aus.

Dass die Aneignung von großen Anteilen der landwirtschaftlichen Fläche durch die Agrarindustrie signifikante ökologische Veränderungen mit sich brachte, kann nicht überraschen. Vieles spricht dafür, dass nicht zuletzt diese Veränderungen dafür verantwortlich sind, dass bisher noch unbekannte oder auf wilde Tiere beschränkte Krankheitserreger nun auch Menschen infizierten. Die massive Waldrodung hat lange Dürreperioden in der Region verursacht. Das Eindringen von Straßen in vorher unerschlossene Waldgebiete für den Rohstoffabbau, die Dürren und die Verzweiflung von Menschen, die sich auf der Suche nach Nahrung weiter in die Wälder hineinwagten, all dies führte dazu, dass es Kontakt zwischen Tierpopulationen aus den Wäldern und den Menschen gab, der vorher so nicht existiert hatte.

Die tragische Situation der Region verschlimmerte sich zudem durch jahrelange Unruhen und Bürgerkriege, die durch den Streit um wertvolle natürliche Ressourcen angefacht wurden. Geführt wurden die Bürgerkriege in Liberia und Sierra Leone von mächtigen lokalen Interessengruppen, die jedoch auch auf Geheiß transnationaler Unternehmen und kapitalistischer Staaten des Nordens agierten. So war beispielsweise der Diamantenabbau einer der Hauptauslöser des Bürgerkriegs in Sierra Leone. Diese Kriege lösten große Fluchtbewegungen und Umsiedlungen der lokalen Bevölkerung aus, auch in zuvor noch unerschlossene, bewaldete Gebiete.

Schwache Gesundheitssysteme entstehen nicht durch Zufall

Der Blick der ganzen Welt richtet sich im Moment – aufgrund der medialen Epidemie dekontextualisierter und angstmachender Berichte – auf diese drei Länder, dabei ist es nicht nur das Ebola-Virus ist, das hier Menschen tötet. Nehmen wir den Fall Sierra Leone: In den ersten vier Monaten seit dem Ausbruch von Ebola wurden hier 848 Menschen infiziert, von denen 365 gestorben sind. In vier Monaten sterben in Sierra Leone aber im statistischen Durchschnitt auch 650 Menschen an Meningitis, 670 an Tuberkulose, 790 an HIV bzw. AIDS, 845 an Durchfallerkrankungen und mehr als 3.000 Menschen an Malaria. Seit Jahrzehnten sterben die Menschen an diesen Krankheiten, nicht erst seit den letzten vier Monaten. Trotzdem richtete sich die globale Aufmerksamkeit vor dem Ausbruch von Ebola nicht auf diese Länder. Denn dies würde die Reichen und Mächtigen – Regierungen reicher Staaten, die Medien, Kapital, Industrie- und Unternehmerschaft auf nationaler und internationaler Ebene, aber auch die Organe der Vereinten Nationen – zwingen, sich mit der Realität von Armut und Ungleichheit in Westafrika zu konfrontieren.

Liberia, Guinea und Sierra Leone haben sich weder freiwillig dafür entschieden, arm zu sein, noch haben sie sich entschieden, nicht funktionierende Gesundheitssysteme zu etablieren. Die koloniale Besatzung (auch wenn sie in Liberias Fall sehr kurz war) und die damit einhergehende Ausbeutung ließen diese Länder arm sein und bleiben. Akteure wie die Weltbank und der Internationale Währungsfonds hielten die Staaten durch die berüchtigten strukturellen Anpassungsprogramme weiter in der Misere. Wie viele andere afrikanische Länder wurden auch Liberia, Guinea und Sierra Leone angehalten, keinesfalls ihre Ausgaben für Soziale Sicherung und öffentliche Dienstleistungen zu erhöhen. Die Welthandelsorganisation wiederum versprach Wohlstand im Namen des Freihandels und verwüstete ihre Wirtschaft. Die entwickelten kapitalistischen Länder schickten als Wohltätigkeit betitelte finanzielle Hilfen und zogen gleichzeitig sehr viel höhere Gewinne durch ihre Unternehmen aus den Ländern ab.

Zusätzlich subventionieren diese „armen“ Ländern die Gesundheitssysteme der reichen Länder: In den OECD-Ländern arbeiten mehr Ärzte, die in Liberia und Sierra Leone geboren wurden, als in ihren Heimatländern. Die Abwanderung der Fachkräfte im Gesundheitswesen macht es vielen Ländern in Westafrika geradezu unmöglich, funktionierende Gesundheitssysteme aufzubauen. Mit nur wenigen Ausnahmen weisen viele der Länder Westafrikas die weltweit schlechtesten Gesundheitsindikatoren auf, das betrifft besonders die Gesundheitssituation von Frauen und Müttern.

Die niedrige Stellung dieser Länder in der globalen Hackordnung ist aber nicht der einzige Grund für die anhaltende Armut und ansteigende Ungleichheit. Neben anderen postkolonialen Missständen hat auch die Korruption die wirtschaftliche Misere vor Ort verschärft. Der öffentliche Dienstleistungssektor Sierra Leones wurde nicht zuletzt Korruptionsskandale zu Grunde gerichtet. So wurden im Jahr 2013 sieben Ärzte und 22 andere, die in der öffentlichen Verwaltung arbeiteten, verurteilt, weil sie Mittel der Globalen Allianz für Impfstoffe und Immunisierung (GAVI) veruntreut hatten.

Warum gibt es keinen Impfstoff?

Das Ebola-Virus ist seit nunmehr vierzig Jahren bekannt, doch wurden weder Impfstoffe noch Medikamente entwickelt. Kein Pharmakonzern ist an der Entwicklung von Medikamenten gegen eine Krankheit interessiert, die ausschließlich Arme trifft. Bemerkenswerterweise wurde MZapp, der einzige Wirkstoff, der zur Behandlung von Ebola in Diskussion ist und sich noch auf einer experimentellen Entwicklungsstufe befindet, in Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Trägern aus den USA und Kanada sowie zwei kleinen Unternehmen entwickelt. Die Geschichte von Ebola ist also auch die Geschichte einer vernachlässigten Armutskrankheit, wie die der viszeralen Leishmaniose, Malaria, Tuberkulose, Morbus Chagas und vieler anderen. Die Forschung zu all jenen Krankheiten wird von der Pharmaindustrie vernachlässigt, weil sich mit ihnen nicht ausreichend Gewinn machen lässt.

Gesundheitssysteme kollabieren

Wir werden ZeugInnen einer Tragödie, die längst nicht mehr nur auf Menschen beschränkt ist, die sich mit dem Ebola-Virus infiziert haben. Das gesamte Gesundheitssystem in den betroffenen Gebieten wurde überrannt und aus den Angeln gehoben, was die Auswirkungen anderer Krankheiten noch weiter verschlimmert. In Monrovia, der Hauptstadt Liberias, waren zu einem Zeitpunkt während dieser Krise alle fünf Krankenhäuser der Stadt geschlossen. Einige konnten seither wieder geöffnet werden, doch sie sind noch immer nicht wieder voll funktionsfähig.

Gesundheitsfachkräfte sind geflohen, aus Angst um ihre eigene Sicherheit. Ihre Besorgnis ist verständlich, denn Handschuhe, Schutzkleidung und selbst sauberes Wasser sind knapp. Es gibt Fälle, in denen das Pflegepersonal streikte, nachdem KollegInnen erkrankten, sodass nur wenige Personen verblieben, um die Kranken zu versorgen. Neben den anerkannten Kliniken des öffentlichen Gesundheitssystems schießen neue private Kliniken wie Pilze aus dem Boden. Zahlreiche Ebola-Erkrankte werden dort aufgenommen, obwohl sie für die Infektionskontrolle nicht ausgerüstet sind.

Inmitten dieser menschlichen Tragödie, die an Pestausbrüche, den „schwarzen Tod“ im Mittelalter erinnert, gibt es dennoch hoffnungsvolle Beispiele selbstloser und aufopferungsvoller Hilfeleistungen. Die meisten Gesundheitsfachkräfte kämpfen trotz unzureichender Ausrüstung und völliger Überforderung mutig weiter, um Leben zu retten und die Verbreitung der Krankheit einzudämmen. Einige sind dabei ums Leben gekommen. Während weltweit berechtigte Betroffenheit und Erleichterung bezüglich der Evakuierung, Behandlung und des Überlebens ausgewanderter Gesundheitskräfte aus den USA, dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden ausgedrückt wurden, wurden allerdings bis jetzt noch keine einheimischen Fachkräfte evakuiert. Und dies obwohl sich laut der Weltgesundheitsorganisation 337 Gesundheitsfachkräfte in Westafrika mit Ebola infiziert haben und bereits 181 von ihnen daran gestorben sind. Dr. Sheik Humarr Khan, Sierra Leones führender Ebola-Doktor, starb im Juli 2014, als noch diskutiert wurde, ob er in ein europäisches Land evakuiert werden könnte. Vor kurzer Zeit berichtete The Guardian über den tragischen Tod von Dr. Olivet Buck, die als Ärztin in Sierra Leone Ebola-PatientInnen behandelt und den verzweifelten Kampf gegen die Verwüstung ihre Landes durch die Epidemie gekämpft hatte. Als öffentlich wurde, dass auch sie sich mit dem Virus infiziert hatte, riefen Aktivisten in Sierra Leone eine Kampagne aus und forderten, Dr. Buck nach Deutschland auszufliegen, wo sie in Hamburg behandelt werden sollte. Alle drei Ärzte, die sich vor ihr mit Ebola angesteckt hatten, waren gestorben. Selbst die Präsidentin von Sierra Leone unterstützte diesen Aufruf und äußerte, dass ein Krankenhaus in Hamburg bereit sei, Dr. Buck aufzunehmen. Die Weltgesundheitsorganisation erlaubte jedoch Dr. Buck nicht, das Land zu verlassen und verweigerte jegliche finanzielle Unterstützung der Überführung. Es wurden verzweifelte Versuche unternommen, diese Entscheidung zu ändern, doch die Ärztin starb. Der Tod der 59 Jahre alten Mutter von drei Kindern und einer der wenigen ÄrztInnen, die sich dem Kampf gegen Ebola gewidmet hatte, wirft weitere Fragen auf. Darüber, wie die Weltöffentlichkeit auf die Ebola-Krise reagiert, wie sie diejenigen schützt, die direkt daran beteiligt sind, die Krankheit zu aufzuhalten und ob das Leben des ausländischen Fachpersonals mehr wert sein kann als das Leben der örtlichen Fachkräfte. Die Weltgesundheitsorganisation hatte trotz des vorhergehenden Todes der drei ÄrztInnen nur angekündigt, dafür sorgen zu wollen, dass Dr. Olivet Buck die „bestmögliche Pflege“ in Sierra Leone erhalte.

In einigen Gebieten in der Region ist die Wirtschaft zum Erliegen gekommen, denn die Menschen sind zu verängstigt, um das Haus zu verlassen. Symptomatisch für das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber dem zusammenbrechenden Gesundheitssystem ist der Überfall in den West Point Slums in Monrovia. Dabei wurde eine Einrichtung angegriffen, die Ebola-Patienten unter Quarantäne gestellt hatte. Ähnliches wird aus Guinea berichtet. Dort wurden sechs Menschen festgenommen, die unter dem Verdacht stehen, acht Menschen ermordet zu haben – unter den Ermordeten befanden sich drei Journalisten, die eine Aufklärungskampagne zu Ebola durchgeführt hatten.

Nun haben wir also eine Epidemie, wo keine sein dürfte. Routinemaßnahmen öffentlicher Gesundheitseinrichtungen sind hier keine Routine – sie sind ein Luxus, der in Zeiten der Epidemie allenfalls vorhanden ist, wenn er von Hilfsorganisationen bereitgestellt wird. Und so ist die Welt besorgt, dass die Epidemie nicht auch die eigene komfortable Existenz angreift. Dies wäre eine Kehrseite der globalisierten Welt, auf die die globalen kapitalen Interessen nicht gewettet hatten. Wenn erst Bedingungen hergestellt sind, unter denen sich Infektionen ungehemmt verbreiten können, dann können sie wie ein Geschwür auch auf die andere Seite übergreifen.

Die Rolle der WHO

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die erst kürzlich mit großem Brimborium einen globalen Notfall ausgerufen hat, muss sich verteidigen. Seit den 90er Jahren wurden ihr nicht nur die Mittel insgesamt, sondern auf Initiative der Amerikaner insbesondere die freien Haushaltsmittel gekürzt. Seitdem kann sie wenig mehr tun, als Altbekanntes zu verkünden. Die Verwendung von ungefähr 80 Prozent des WHO-Haushalts wird durch die Geber selbst festgelegt, was die Organisation in ihrer Handlungsfreiheit einschränkt.

Der WHO-Verfassung nach sollte sie selbst die „führende und koordinierende Autorität der internationalen Gesundheitsarbeit“ sein. Die WHO erhielt den ersten Bericht über Fälle von Ebola in Guinea bereits am 22. März. Trotzdem brauchte sie mehr als drei ganze Monate, um ein Treffen der regionalen Gesundheitsminister einzuberufen und ein regionales Koordinationszentrum einzurichten.

Im Vergleich zum vorherigen Haushalt hat das gegenwärtige Budget der Weltgesundheitsorganisation mehr als 50 Prozent der Gelder für Krankheits- und Krisenmanagements eingebüßt. Von den noch 469 Millionen US-Dollar (knapp 375 Mio. Euro) für 2012/2013 verbleiben in 2014/2015 nur noch 228 Millionen US-Dollar (ca. 180 Mio. Euro). Dies jedoch ist genau die Summe, die der Organisation eigentlich zur Verfügung stehen müsste, um nur auf Ebola angemessen reagieren zu können. Stattdessen hat die WHO öffentlich veranschlagt, 71 Millionen US-Dollar (rund 57 Mio. Euro) zu benötigen, um das Ebola-Programm umzusetzen – ein solches Defizit würde gar nicht existieren, wenn der Etat zur Krisenintervention nicht um mehr als die Hälfte gekürzt worden wäre!

Gesundheitssystem müssen stabilisiert werden

Was jetzt unmittelbar ansteht, ist, die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und im Besonderen der reichen Länder, zu beschleunigen und aufzustocken. Mehr Fachpersonal, Ausrüstung und Medikamenten müssen zur Verfügung gestellt werden. Die Forschung zu ZMapp und anderen potentiellen Wirkstoffen drängt und muss weiter vorangetrieben werden. Das ist das Minimum.

Die Zusage von Präsident Obama über 3.000 Kräfte der US-Armee und Finanzierungen zum Aufbau von Notfallstationen ist zu begrüßen -auch wenn sie zu spät kommt und noch immer zu gering ausfällt. Auch die finanzielle Unterstützung durch die UN und die Gates-Stiftung, ist zwar positiv, doch sie wird nichts ausrichten gegen die strukturellen Probleme, die die Ausbreitung weiter befördern. Weder die massiven menschlichen, noch die wirtschaftlichen Verluste des Landes können damit kompensiert werden. Die Ebola Epidemie lässt sich auf die rücksichtslose Ausbeutung der Umwelt und der natürlichen Ressourcen der Region, auf die fortschreitende Verarmung der Länder und das geschwächte Gesundheitswesen zurückführen. Mittelfristig besteht die dringende Notwendigkeit, die Gesundheitssysteme in Westafrika zu stabilisieren.

Obwohl sich der Diskurs über die Stärkung der Gesundheitssysteme zu einer Art Gemeinplatz entwickelt hat, fehlen bislang jegliche Hinweise auf die tatsächliche Umsetzung solcher Maßnahmen. Ein Ergebnis der Unterfinanzierung des öffentlichen Sektors und der Migration in den Norden ist der anhaltende Fachkräftemangel im Gesundheitsbereich, der sich besonders in den ländlichen Gebieten zu einer echten Krise entwickelt hat. Um funktionierende Gesundheitssysteme aufzubauen bedarf es umfassender und nachhaltiger Finanzierung und ernstzunehmender Investitionen in das Gesundheitspersonal. Solche Maßnahmen werden anfangs gezwungenermaßen auch ein größeres Engagement der Geberländer erfordern.

Nach der Epidemie: Business as usual

Langfristige Lösungen erfordern allerdings fundamentale Veränderungen der wirtschaftlichen Strukturen und der Machtverhältnisse zwischen den Ländern Westafrikas (und natürlich auch darüber hinaus - anderen Ländern, die ähnliche Geschichten besitzen) und den kapitalistischen Wirtschaftssystemen des Nordens und ihren Unternehmen, die die Region im Zusammenspiel mit lokalen RegierungsvertreterInnen und Eliten weiter ausplündern. Die Epidemie wird nun aller Wahrscheinlichkeit nach ihren Lauf nehmen und, nachdem sie eine Spur von Tod und Zerstörung hinter sich gelassen hat, wird auch sie letztendlich abklingen. Nicht etwa, weil die Weltgemeinschaft viel richtig gemacht haben wird, sondern weil es in der Natur des Virus selbst liegt. Dann bleibt die Frage, ob wir irgendetwas aus der Ebola-Epidemie gelernt haben werden. Oder ob wir einfach wieder zum Alltag übergehen werden: back to business as usual?

Das People's Health Movement: Seit dem Jahr 2000 setzt sich das People's Health Movement für das Menschenrecht auf Gesundheit ein. Das internationale Netzwerk besteht aus Gesundheitsinitiativen in vielen Ländern der Welt und aus Experten für öffentliche Gesundheit. Das Netzwerk publiziert jährlich den „Global Health Watch“, bildet in der International Peoples Health University Gesundheitsfachkräfte weiter, um Basisinitiativen im Einsatz um öffentliche, allen zugänglichen Gesundheitsinfrastruktur zu stärken, und setzt sich im Rahmen der WHO für eine globale Gesundheitspolitik ein, die die Rechte der Marginalisierten stärkt. medico international gehört dem Netzwerk seit seiner Gründung an und fördert die aufgezählten Maßnahmen.


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