Die Berliner Morgenpost (MOPO)vom Dienstag, 27. Juli 1999 meldet per Vorausmitteilung:
»ERSTES U-BOOT FÜR ISRAEL. VON KIEL NACH HAIFA. EIN WEG DES GEDENKENS.«
Von Ulrich Sahm
»BM Jerusalem – Drei U-Boote läßt Israel in Deutschland bauen. Ein erstes lief unlängst in Kiel aus und soll heute in Haifa eintreffen. Deutschland übernahm 80 Prozent der Kosten für die U-Boote. Die Israelis nennen das »Wiedergutmachung«. Denn die Bundesregierung empfand sich nach dem Golfkrieg 1991 in der Pflicht, nachdem bekannt geworden war, daß deutsche Firmen dem irakischen Regime und erbitterten Israel-Gegner geholfen hatten, eine Giftgasindustrie aufzubauen. Israels Präsident Eser Weizmann und Ministerpräsident Ehud Barak wollen beim Empfang der »Dolphin« heute im Hafen von Haifa eine Rede halten. Obgleich Deutschland über eine Milliarde Mark für den Bau der drei U-Boote ausgegeben hat und trotz einer ausdrücklichen Bitte der deutschen Botschaft hat der israelische Militärsprecher deutsche Korrespondenten nicht eingeladen. Israelische Journalisten waren dagegen sogar eingeladen, im U-Boot auf einem Teil der Strecke von Kiel nach Haifa mitzufahren.«
Auf dieser ihnen nicht unbekannten Route wollten die Israelis auf deutsche Kriegskorrespondenten verzichten, welche die Schicksalsstrecke von Kiel nach Haifa gerne in our Hitlers Salon-U-Boot begleitet hätten. Erfüllt von dem begeisternden Gedanken, daß militärische »Wiedergutmachung« auch unter Wasser möglich ist. Wobei der dabei entstandenen guten Laune weitgehend entgangen wäre, daß ganze Bataillone von mittelständischen High-Tech-Fabrikanten als Todeskrämer aus Deutschland dem Diktator Saddam Hussein die Produktionsstätten für chemische Massenvernichtungsmittel aufgebaut hatten. Die nach dem Krieg die sensible Überlegung eines Philosophen, daß »nach Auschwitz Gedichte nicht mehr möglich« seien, durchaus ernst genommen und voll erfüllt hatten, indem sie sich ausschließlich auf die Geschäfte konzentrierten, bei denen es sich einfach nicht vermeiden ließ, den Völkermord erneut zum Produktionsziel zu erklären. Das menschliche Ziel waren Kurdinnen und Kurden. Die zehntausendfach im deutschstämmigen Giftgas krepierten. In Halabja. Nie zu vergessen! In Koysanjak. Im Gulan-Tal. In den Zagros Bergen. Von einer Wiedergutmachung war hier nie die Rede. Kein einziges Wort in einem Bundestag. Keine Parlamentarierdelegation von Rang, die je den Weg nach Halabja aufgenommen hätte. Der spätere Hinweis auf das kurdische Schicksal diente nur kurzzeitig der Legitimierung des Golfkriegs der Alliierten. Für den auch die »Menschenrechte« noch nicht strapaziert werden mußten, weil das hier »Völkerrecht« genügte. Dann waren die Kurden auch wieder vergessen. Sie gelten nichts auf der Rangskala der Erinnerungswürdigkeit.
Bei den Israelis eine ganz andere Sache. Nicht etwa nur, weil sie ein strategischer Partner wären im Nahen Osten. Sondern weil sie sich partout nichts mehr gefallen lassen wollen, selbstbewußt auftreten und den Herrenmenschen keine devoten Ostjuden mehr abgeben. »Wiedergutmachung« war auch wirklich angesagt. Weiß Gott, auch wenn am Ende keine einzige Giftrakete auf Tel Aviv herniederging: welch eine Ungeheuerlichkeit, nach Auschwitz dem judenfeindlichen Diktator solche Waffen zu liefern! Eine großzügige materielle Entschädigung war wirklich fällig – und sehr, sehr viel an tiefer Entschuldigung. Aber warum müssen solche Kompensationen für eine unglaubliche Fehlhandlung Deutschlands unbedingt mit strategischen Waffen beglichen werden? Die nicht der Verteidigung, sondern der Beherrschung und regionalen Kontrolle dienen? Warum bietet Außenminister Fischer der Rechtsregierung der Türkei neuerdings den Handel »Panzer gegen Menschenrechte« an & Jürgen Gottschlich lobt diesen »anderen Umgang« mit den Verhältnissen, indem er Kinkel »arrogant« nennt, weil der immer nur Menschenrechte verlangt habe, solo & pur, während Fischer besser sei, der etwas gibt – und dafür nimmt? Begreifen solche Kommentatoren eigentlich noch, was sie sagen? Sie dienen als Stichwortgeber der Waffenindustrie, die unter solchen Vorzeichen gerne behaupten möchte, daß sie gewinnt, wo Menschenrechtler scheitern.
medico international liest sich gerade durch einen Entwurf über das Projekt eines Internationalen Halabja Institutes. Das den Opfern helfen soll. Das die Langzeitfolgen im Dienste aller Menschen untersucht. Das sich grundsätzlich langfristig mit der Wirkung chemischer und Biologischer Waffen beschäftigt. Eine Gefahr für Menschen aller Art: in Halabja, Haifa, überall. Das Spendenstichwort für unsere Arbeit lautet: »Kurdistan«.