Im Zusammenhang mit dem Erdbeben in Haiti hat medico international sowohl Soforthilfe geleistet als auch langfristig orientierte Entwicklungsprojekte initiiert. Insgesamt umfassen die in den vergangenen zwei Jahren abgeschlossenen und die noch laufenden Projekte ein Finanzvolumen von rund 1,76 Millionen Euro.
medico international konzentrierte sich im ersten Jahr nach dem Erdbeben neben der Soforthilfe auf die gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen im Landesinneren sowie auf den Ausbau des Gesundheitswesens in der Region Artibonite. Dieser Ausbau ist auf drei Jahre angelegt und mit einem Finanzvolumen von 462.000 Euro der größte Einzelposten der medico-Arbeit in Haiti. Das Projekt mit dem haitianischen Partner „Service Oecuménique d’Entraide“ (SOE) umfasst die Bereitstellung von Gesundheitsdiensten auf dem Land, insbesondere Mutter-Kind-Gesundheit, sowie Hygiene- und Gesundheitserziehung und den Bau von Latrinen.
Von diesen Maßnahmen profitieren circa 100.000 Menschen. Zudem leistete SOE in der Region Artibonite Cholera-Nothilfe. SOE-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter klärten die Bevölkerung durch Hygienepromotoren und Radiosendungen über Cholera- Prävention und -Behandlungsmöglichkeiten auf und stellten die Trinkwasseraufbereitung sicher. Den Fokus auf Zahngesundheit legte die Dental-Brigade des guatemaltekischen medico-Partners ACCSS, die zwei Monate lang in Präventionsprogrammen zahnmedizinische Versorgung in der vom Erdbeben hart getroffenen Stadt Léogâne durchführte.
Seit März 2011 unterstützte medico international eine haitianische Organisation bei der partizipativen Erstellung eines kommunalen Entwicklungsplans – sowohl finanziell als auch beratend. In Haiti ist die zentrale Regierung nicht in der Lage, auf lokaler Ebene eine Antwort auf die Probleme des Landes zu geben. Die Dezentralisierung ist in der Verfassung verankert. Bei der Ausarbeitung des kommunalen Entwicklungsplans arbeitete medico international mit der Partnerorganisation CRESFED zusammen. Desweiteren unterstützte medico eine Basisorganisation im Dorf Kolora in der Region Belladère im Grenzgebiet zur Dominikanischen Republik, die über keinerlei Infrastruktur verfügt. Durch Latrinenbau und Sensibilisierung der Bevölkerung versucht diese Organisation, die sanitären Verhältnisse vor Ort zu verbessern. Gerade in Zeiten der Cholera erhielt die Verbesserung sanitärer Verhältnisse eine besondere Bedeutung.
Weitere Maßnahmen von medico international umfassen unter anderem Projekte in den Bereichen Wiederaufforstung, integrierte ländliche Entwicklung und Stärkung der Selbstorganisationskräfte von gesellschaftlichen Basisorganisationen. Auch in den kommenden Jahren wird eine Reihe der oben genannten Projekte weitergefördert. Zu nennen sind hier insbesondere der Bau des Frauen- und Kinderzentrums in Léogâne, die Stärkung der Basisgesundheitsdienste in Zusammenarbeit mit SOE und die Erstellung des kommunalen Entwicklungsplans.
Die medico Projektstrategie in Haiti
Um die anhaltende soziale und politische Krise in Haiti zu überwinden müssen die HaitianerInnen selbst in der Lage sein den Wiederaufbauprozess mitzugestalten.
Haiti kann nicht von außen aufgebaut werden. Es muss sich selbst aufbauen. Wie aber können die Menschen in Haiti diesen Prozess selbst in die Hand nehmen und bestimmen, wenn sie sich im alltäglichen Ringen ums Überleben erschöpfen? In einer auf Emanzipation ausgerichteten Projekt- und Partnerförderung, wie sie medico sich zum Prinzip gemacht hat, entsteht daraus ein Dilemma: Partner zu finden, die trotz der Umstände handlungsfähig sind und über eine stabile Struktur verfügen, oder Partner so behutsam zu fördern, dass sie zum eigenständigen und selbstbestimmten Handeln befähigt werden. Denn Nachhaltigkeit kann nur entstehen, wenn sich haitianische Strukturen entwickeln, die auch dann noch lebensfähig sind, wenn die "Geber" weiter gezogen sind. Dass ausländische NGOs hierbei durchaus eine ambivalente Rolle spielen können, ist aus vielen Krisensituationen bekannt.
medico ist sich dieser schwierigen eigenen Rolle bewusst. Wir verfolgen deshalb drei Schwerpunkte, mit denen wir bereits in der Vergangenheit gute Erfahrungen bei der Bewältigung von Katastrophen gemacht haben:
- Wir fördern Gemeindeentwicklung über lokale Initiativen, die Bedarf und Notwendigkeit von Maßnahmen des Wiederaufbaus feststellen, abstimmen und organisieren;
- wir helfen bei der Entwicklung von Basisgesundheitsfürsorge, das heißt der Förderung lokaler gesundheitlicher Ausbildung und Infrastruktur;
- und wir betreiben einen aktiven Süd-Süd-Austausch, wir vermitteln die Erfahrungen von Menschen und Initiativen aus anderen Ländern, die sich in einer ähnlichen sozialen und wirtschaftlichen Lage befinden.