Das 1990 gegründete Projekt begreift die eigene Arbeit als "kulturellen Widerstand". Eine breit angelegte Forschungsarbeit befasst sich mit den verschiedenen Ausdrücken der palästinensischen Kultur unter den Bedingungen des Exils und der Lager. Tänze, Lieder, Musik und alte Techniken des Kunsthandwerkes werden erfasst, ihre momentane Verbreitung untersucht. So soll ein kollektives Gedächtnis der eigenen Kultur gesichert und wieder hergestellt werden. Mit dieser Art der Wissenssicherung ist vor allem auch die "Oral History" im Blick, die erzählte Geschichte derjenigen, die normalerweise nicht in Geschichtsbüchern und Kunstatlanten auftauchen – die "einfachen Leute", besonders auch die Frauen, deren Wissen und Erfahrungen nicht nur kulturelles Erbe bewahren, sondern auch Geschichten vom alltäglichen Widerstand gegen Unterdrückung und Vertreibung, nicht nur die "Heldengeschichten" der Männer, sondern auch das Scheitern und die inneren Widersprüche einer palästinensischen Gesellschaft, die in den letzten 60 Jahren vor allem in ihrer Exil- und Diasporageschichte entstand. Die Erkenntnisse fließen durch Lehrer und Sozialarbeiter in die Jugendarbeit ein und dienen nicht zuletzt der Möglichkeit zukünftige materielle Einkommen zu schaffen. Als »young journalists« porträtieren die Jugendlichen mit Zeichnungen, eigenen Texten, Video- und Fotoreportagen ihren Lebensalltag im Lager. Eng damit verbunden sind die "young filmmakers". In Zusammenarbeit mit der bekannten palästinensischen Filmemacherin May Masri ("Children of Shatila") werden Kurzfilme produziert, die in die lagereigenen Kabelnetze eingespeist werden sollen.
Internationalität als Programm
ARCPA ist auch ein gutes Beispiel für die Internationalität der Palästinenser im Libanon. Im Unterstützerkreis von ARCPAs engagieren sich palästinensische, libanesische und ausländische Künstler und Intellektuelle – ein Abbild der viel beschworenen Multikulturalität Beiruts, die hier im Kleinen tatsächlich realisiert wird. Auch die Methoden und Ideen von ARCPA sind international: Erinnerungsarbeit mittels oral history und der pädagogische Ansatz des child-to-child (mit seinem starken Focus auf das Lernen von Kindern von einander und nicht von den "wissenden Erwachsenen") hat seinen Ursprung in England und für die Mitarbeit ist palästinensische Herkunft nicht entscheidend. Darüber hinaus versucht ARCPA in gemeinsamen Sommercamps wie auch bei Kinderfilmfestivals und Kunst- und Kultur-Karawanen die als Erbe des blutigen Bürgerkriegs überdauernden Ressentiments zwischen palästinensischen und libanesischen Jugendlichen abzubauen und setzt damit wie auch mit ihrer konsequent geschlechtergemischten Jugendarbeit ein säkulares Gegengewicht zu den konservativ-islamistischen Strömungen in den Flüchtlingscamps.
Transit Beirut – Berlin. Das medico Projekt
ARCPA greift in seiner Arbeit auch immer wieder gezielt aktuelle und oft kontroverse Themen auf – die stillschweigende und oft inoffizielle Migration junger Palästinenser aus dem Libanon zum Beispiel, für die die Hoffnung auf Rückkehr, so zentral sie in der offiziellen Rhetorik und Identität der palästinensischen Flüchtlinge im Libanon auch ist, keine reale Perspektive für ihr jetziges Leben bietet und die Pläne und Wünsche sich eher auf die Nordamerikanischen oder europäischen Länder richten als auf die verschwundenen Dörfer ihrer Großeltern im Norden Israels.
Aktuell entsteht mit Unterstützung medicos ein Film mit und von jungen Erwachsenen aus den Flüchtlingslagern von Beirut, die offen über ihre Träume und Erfahrungen mit der Migration sprechen und filmisch umsetzen – und mit Szenen aus dem harten Leben von palästinensischen Migranten in Berlin konfrontiert, einer der erträumten Zielorte der Migration. Solche Grenzüberschreitenden Perspektiven und Reflektionen sind überlebensnotwendig in einer Realität, die immer noch den palästinensischen Flüchtlingen die wesentlichen sozialen und politischen Rechte im Libanon verweigert. Der Film entsteht als Film von Jugendlichen selbst an beiden Orten.
Projektstichwort
medico fördert die Arbeit unserer Partner im Libanon mit jährlich ca. 40-50.000 Euro. Dies wollen wir auch zukünftig fortsetzen. Bitte spenden Sie unter dem Stichwort: Libanon