Abschottung

Elegant oder Trump

31.01.2017   Lesezeit: 4 min

Die Abschottung der EU ist keinen Deut besser als die Mauer, die US-Präsident Trump an der Grenze zu Mexiko errichten will. Von Ramona Lenz.

Trumps Beschluss, eine 1.600 Kilometer lange und 15 Meter hohe Mauer an der Grenze der USA zu Mexiko zu bauen und die Einreise von Staatsangehörigen aus Jemen, Iran, Libyen, Somalia, Sudan, Syrien und Irak für 90 Tage zu verbieten, hat zurecht weltweit für Empörung gesorgt.

Dass nun aber ausgerechnet Angela Merkel US-Präsident Trump in einem Telefonat über die Genfer Flüchtlingskonvention aufklärt, verwundert doch. Hat die deutsche Bundeskanzlerin doch maßgeblich zum Flüchtlingsdeal mit der Türkei beigetragen und damit ein Land zum „sicheren Drittstaat“ erklärt, das die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) nur mit „geographischem Vorbehalt“ unterzeichnet hat. Das bedeutet, dass in der Türkei der Schutz nach der GFK nur für Flüchtlinge aus Europa gilt und nicht für Flüchtlinge aus den Kriegs- und Krisengebieten dieser Tage. Außerdem beachtet die Türkei das in der GFK festgeschriebene sogenannte Refoulementverbot nicht, das Abschiebungen und Zurückschiebungen von Schutzsuchenden an der Grenze verbietet.

Ungeachtet der fortgesetzten Missachtung internationaler Schutzstandards für Flüchtlinge und der Erpressbarkeit der EU durch das Regime von Erdogan, wird der im März 2016 in Kraft getretene Deal mit der Türkei hierzulande als Erfolg gefeiert, da die Zahl der Ägäis-Überquerungen von Flüchtlingen stark gesunken ist, auch wenn sich an ihrer verzweifelten Situation kaum etwas geändert hat. Gleichzeitig ist die Zahl derer gestiegen, die versuchen, über das zentrale Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Darunter auch Flüchtlinge, die es aufgrund der mehr oder weniger geschlossenen Route über die Türkei nun über Nordafrika versuchen.

Schwerste Menschenrechtsverletzungen in Libyen

­­­­­Angesichts der Rekordzahl von Migranten und Migrantinnen, die 2016 über das zentrale Mittelmeer nach Europa kamen, wird die Transitregion Nordafrika am 3. Februar 2017 Thema des Treffens der europäischen Regierungschefs und -chefinnen in Malta sein. Der Fokus wird dabei auf Libyen liegen, denn viele Migranten und Migrantinnen aus Subsahara Afrika steuern das politisch instabile Land an, um von hier aus nach Europa zu gelangen. Von den mehr als 180.000 Flüchtlingen, die im vergangenen Jahr über das zentrale Mittelmeer nach Europa kamen, sollen 90 Prozent von Libyen aus gestartet sein. Das gilt auch für die 4.500 Menschen, die die Überfahrt nicht überlebten.

Die maltesische Regierung hatte zu Beginn ihrer Ratspräsidentschaft Anfang 2017 vorgeschlagen, mit Tripolis einen ähnlichen Deal zu schließen wie mit der Türkei, um zu verhindern, dass mit dem Frühjahr die Zahl Überfahrten erneut steigt. Nun verfügt die von den Vereinten Nationen unterstützte Einheitsregierung in Tripolis über wenig Durchsetzungsfähigkeit in Libyen. Zudem hat die deutsche Botschaft im Niger, dem südlichen Nachbarland Libyens, vor wenigen Tagen einen drastischen Bericht über die Situation in den „privaten“ libyschen Flüchtlingslagern in Libyen vorgelegt, der nun auch von einer offiziellen Seite deutlich macht, dass in Libyen allerschwerste, systematische Verletzungen der Menschenrechte von Flüchtlingen auf der Tagesordnung stehen. Angela Merkel blieb vor diesem Hintergrund nichts anderes als einem Flüchtlingspakt mit Libyen eine Absage zu erteilen.

Schwerverbrecher in Uniform übernehmen die Drecksarbeit für die EU

Davon unberührt bleiben aber die Vorhaben der EU, in die Ausbildung und Ausrüstung der libyschen Küstenwache zu investieren, obwohl angesichts verschiedener um die Vorherrschaft konkurrierender Milizen unklar ist, mit wem man es eigentlich zu tun hat. Es ist anzunehmen, dass die libysche Küstenwache bestechlich ist und selbst profitiert vom Menschenhandel und -schmuggel, den sie mithilfe des EU-Geldes angeblich verhindern soll. Das im Oktober 2016 begonnene Ausbildungsprogramm der EU für die libyschen Küstenwache und Marine ist dem ARD-Magazin Monitor zufolge nichts anderes als ein „Deal mit Menschenhändlern und Folterknechten“.

Sehenden Auges macht die EU in Libyen wie in zahlreichen anderen afrikanischen Ländern (z.B. Eritrea oder Sudan) die Böcke zu Gärtnern. Um die Zahl der Ankünfte in Europa zu reduzieren, nimmt sie billigend in Kauf, dass Schwerverbrecher in Uniform ihr die Drecksarbeit abnehmen und Schutzsuchende noch auf dem afrikanischen Kontinent oder spätestens in libyschen Hoheitsgewässern aufhalten. Dass diese Menschen dann in ein Land zurückgeschickt werden, in dem sie Folter, sexuellen Misshandlungen und Hinrichtungen schutzlos ausgeliefert sind, kümmert nicht weiter. Pläne der EU, die Situation von Flüchtlingen im Land mithilfe von UNHCR und IOM zu verbessern, sind fadenscheinig und werden wirkungslos bleiben, solange die politische Situation in Libyen so instabil ist. 

Die vorverlagerten Grenzschutzmaßnahmen der EU sind keinen Deut besser als die Mauer, die US-Präsident Trump an der Grenze zu Mexiko errichten will. Sie werden einfach nur diplomatischer eingefädelt.

Ramona Lenz (Foto: medico)

Ramona Lenz ist Sprecherin der Stiftung medico. Über viele Jahre war die Kulturanthropologin in der Öffentlichkeitsarbeit von medico international zuständig für das Thema Flucht und Migration.

Twitter: @LenzRamona


Jetzt spenden!