Die Ausbeutung in der globalen Textilindustrie ist für uns untragbar. Wir setzen uns ein für die Entschädigung der Opfer der Textilunglücke. Und fordern die Politik auf, dafür zu sorgen, dass Unternehmen juristisch verfolgt werden, wenn sie in ihren Geschäftsbeziehungen Menschenrechte verletzen.
Die Werbung verspricht uns Glück und Ansehen, wenn wir mit der Mode gehen. Die Botschaft kommt an: Heute kaufen wir durchschnittlich elfmal mehr Kleidung als noch vor 20 Jahren. Fast sechs Milliarden Kleidungsstücke gehen in Deutschland jährlich über die Ladentheke. Ein Shoppingerlebnis, das unseren Geldbeutel schont, denn obwohl wir immer mehr kaufen, sind unsere Ausgaben für Kleidung seit 30 Jahren fast nicht gestiegen – sie wird einfach immer billiger. Doch wenn Hosen, Blusen und T-Shirts so wenig kosten, wer bezahlt dann dafür? In den Textilfabriken in Südasien und anderen Ländern des Südens, wo der Großteil unserer Kleidung herkommt, schuften die Näherinnen und Näher pro Schicht bis zu 14 Stunden, viele von ihnen ohne Vertrag, sie haben kaum freie Tage, ihre Überstunden werden nur zum Teil bezahlt. Sie erhalten für ihre harte Arbeit so wenig Geld, dass es ihnen kaum zum Überleben reicht.
Nichts als Arbeit
Für die europäischen Modehäuser rechnet sich diese Kostenkalkulation. Oftmals zwingen sie die Hersteller, schneller und billiger zu produzieren. So wird an einfachsten Sicherheitsmaßnahmen für die Näherinnen und Näher gespart, Hungerlöhne gezahlt und die gewerkschaftliche Organisierung verhindert. Das hat tödliche Folgen. Am 24. April 2013 starben bei der weltweit bisher größten Katastrophe in der Bekleidungsindustrie – dem Zusammensturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch – über 1100 Menschen. Schutt, ja ganze Etagen stürzten auf die Arbeitenden und zerquetschte sie. 1500 Menschen überlebten zum Teil schwer verletzt. Aus dem Schutt klingelten noch tagelang die Handys der Toten. Sie sollten ein Weckruf sein. Jederzeit und an jedem Ort, wo arbeitende Männer und Frauen derart ausgebeutet werden, kann ein weiteres tödliches Unglück geschehen. Das ist untragbar.
Geraubte Zukunft
Ein Jahr dauerte es, bis Unternehmen nach anhaltendem öffentlichem Druck damit begannen, in einen freiwilligen Entschädigungsfonds einzuzahlen. Viele Überlebende werden für den Rest ihres Lebens unter den Verletzungen leiden und kaum in der Lage sein, ihre eigene Existenz oder gar die ihrer Familien zu sichern. Textilunternehmen spekulieren darauf, dass die Unglücke schnell in Vergessenheit geraten und die Textilarbeiterinnen und Textilarbeiter nicht die Kraft haben, sich gegen die Textilmultis zu wehren. Das ist untragbar.
Ohne Rechte
Länder wie Pakistan und Bangladesch sind extrem abhängig von den Exportmöglichkeiten in der Bekleidungsindustrie. Die Freihandelsrechte der großen Textilunternehmen sind juristisch besser abgesichert als die Menschenrechte bei der Arbeit oder Sozialstandards. Es fehlen internationale juristische Regeln, die die Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter schützen und die großen Unternehmen haftbar machen. Die deutsche Politik weigert sich bislang, verbindliche Standards und Regeln zu setzen – sie schützt vor allem die Interessen der Wirtschaft. Auch nach den vielen Toten. Das ist untragbar.
So billig kommt niemand davon
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die Hilfsund Menschenrechtsorganisation medico international, das INKOTA-netzwerk und die Kampagne für Saubere Kleidung nehmen die Jahrestage der letzten großen Unglücke in Bangladesch und Pakistan zum Anlass, diese untragbaren Zustände in die deutsche Öffentlichkeit zu bringen. Mit unseren Mitstreitern aus Bangladesch und Pakistan, lokalen Gewerkschaftsgruppen, Gesundheitsorganisationen und mit eurer Unterstützung wollen wir dafür sorgen, dass dies auch für die Unternehmen untragbar wird. Wie das geht? Wir gehen in die Öffentlichkeit! Wir reden darüber im Freundeskreis, wir fragen an der Ladentheke nach, unter welchen Bedingungen das T-Shirt genäht wurde, machen Clips von Aktionen, bloggen oder machen Veranstaltungen. Wir machen Aktionen in den Fußgängerzonen, auf dem Schulhof, in den Läden, im Internet. Wir wollen gegenüber der Textilbranche ein Zeichen setzen: So billig kommt niemand davon. Wir fordern die Textilunternehmen daher auf, sich den tödlichen Konsequenzen ihrer Geschäftspolitik zu stellen und umfassende Entschädigungen für die Opfer und Hinterbliebenen zu zahlen.
Unternehmen in die Schranken weisen
Unsere Forderungen gehen noch weiter. Die Näherinnen und Näher brauchen eine menschwürdige Arbeit und sie brauchen dafür eine internationale Handelspolitik, die sie in ihren Rechten stärkt. Bislang fehlen klare Regeln, die Unternehmen in ihre Schranken weisen. Die durch Nachlässigkeit und Profitgier verursachten Katastrophen in der asiatischen Textilindustrie haben in grausamer Weise gezeigt, dass es lebensgefährlich ist, sich allein auf die Umsicht von Wirtschaftsunternehmen zu verlassen. Wir fordern von der Politik, regulierend einzugreifen und dafür zu sorgen, dass Unternehmen haften müssen, wenn sie in ihren Geschäftsbeziehungen Menschenrechte verletzen. Das klingt trocken, kann aber Leben retten und gute Arbeit erst ermöglichen.
Unterstützen Sie die Initiative #untragbar!
untragbar ist eine gemeinsame Initiative von medico international, Ver.di und Inkota, als Teil der Kampagne für Saubere Kleidung.