Das Unbehagen in der Globalisierung

Von Thomas Gebauer

31.05.2012   Lesezeit: 14 min

Rede zur Einführung in das Symposium der stiftung medico international (Frankfurt, 11.5.2012)

1.

Selbstverständlich freuen wir uns, dass das Thema unseres diesjährigen Symposiums auf ein so großes Interesse stößt. Zugleich gibt der große Andrang aber auch zu denken. Zumal es ist nun schon das zweite Mal in diesem Jahr ist, dass der Platz kaum ausreicht. Das erste Mal war das im Januar der Fall, als wir hier in Frankfurt den Oscar-prämierten Dokumentarfilm „Inside Job“ über die Entstehung der globalen Finanzkrise zeigten.

Warum treffen politische Veranstaltungen auf einmal auf eine solche Resonanz? Die Diskussion mit dem Publikum im Anschluss an den Film ließ keinen Zweifel an den Gründen. Empörung und Zorn in fast allen Redebeiträgen, tief reichende Verunsicherung und immer wieder die Frage, was man gegen die Krise tun könne, wie dem unseligen Treiben der der Finanzjongleure Einhalt geboten werden kann. Empörung über eine Politik, die das Vertrauen der Märkte über das der Menschen stellt, und letztlich für etwas verantwortlich ist, das sich immer deutlicher als ein Putsch der Märte an die Macht erweist.

In der Debatte wurde dann auch die Sorge deutlich, dass Griechenland womöglich nicht nur ein krisengeschütteltes Land im Süden Europas ist, sondern ein Experimentierfeld dafür, wie weit die Zerstörung von politischen Gemeinwesen zur Rettung von Rendite und privaten Vermögen noch getrieben werden kann – mit Auswirkungen auch auf das eigene Land. Letztlich war das zu spüren, was das Thema unseres heutigen Symposiums ist: ein wachsendes Unbehagen in der Globalisierung.

Wir alle werden auf die eine oder andere Weise gewahr, wie in der Gesellschaft Zukunftsängste zunehmen, die Angst vor Arbeitslosigkeit und sozialem Abstieg wächst, wie sich bei vielen eine eher depressive Grundstimmung ausgebreitet hat. Im letzten Jahr ist wohl kaum eine Woche vergangen, in der sich nicht irgendeine Zeitung, ein Magazin, eine Talkshow mit Burnout beschäftigt hätte. Klagen über Stress in Beruf und Alltag allenthalben. Die Auslagen der Buchhandlungen voll mit eilig produzierten Ratgebern, wie mit Überforderungsgefühlen umzugehen sei.

Selbstverständlich kommt in der Massivität, mit der das Thema Burnout in der Medien-Öffentlichkeit abgehandelt wurde, auch das zum Ausdruck, was die kulturindustrielle Vermarktung eines Misstandes genannt wird. Wir werden darüber zu reden haben. Aber es gibt eben auch einen realer Kern, und der lässt sich statistisch erfassen.

Kürzlich teilte das Bundesarbeitsministerium auf eine Anfrage der BT-Fraktion der Linken mit, dass die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen von 33,6 Mio. in 2001 auf 53,5 Mio. in 2010 angestiegen sei. Stress sei die Ursache, häufig gepaart mit „diskontinuierlichen Beschäftigungsverhältnissen“, wie jene prekären Arbeitsbedingungen im Amtsdeutsch heißen, denen immer mehr Menschen inzwischen ausgesetzt sind.

Und dass psychische Erkrankungen keineswegs nur ein Problem des reichen Nordens sind, belegen entsprechende Studien der WHO.

In einem Bericht an die kommende Weltgesundheitsversammlung heißt es, dass psychische Erkrankungen bereits heute 13% der globalen Krankheitslasten ausmachen und die Depression, die derzeit noch die dritthäufigste Krankheit darstellt, im Jahr 2020 die häufigste sein wird.

2.

Der Titel unseres Symposiums: Das Unbehagen in der Globalisierung nimmt, Sie werden das wissen, Bezug auf Sigmund Freuds kulturkritische Schrift: „Das Unbehagen in der Kultur“, die er 1930 verfasste und die noch immer lesenswert ist. Kurz und prägnant stellte Freud darin fest, dass wir uns in unserer Kultur nicht wohlfühlen, (und mit dem Begriff Kultur meinte er die Art und Weise des gesellschaftlichen Zusammenlebens), weil Kultur immer auch mit Einschränkungen eingeht: mit Triebversagen, der Unterdrückung von Sexualität und Aggression, mit Zwang. Der Mensch der Moderne, so Freud, müsse, um ein Stück gesellschaftliche Sicherheit zu gewinnen, ein Stück seiner individuellen Glücksmöglichkeiten aufgeben. Sozialfeindliche Regungen, wie etwa die Gier, der Geiz, die Übervorteilung der anderen, der Betrug müssten gesellschaftlich reguliert bzw. verboten werden, um sie nicht zu einer Bedrohung für die sozialen Gemeinwesen werden zu lassen.

Freud betrachtete den Konflikt zwischen den Triebwünschen des Einzelnen und den Werten, die soziale Gemeinwesen für ihre Fortexistenz brauchen, als grundlegend für den Zivilisationsprozess. Das Unbehagen sei, so Freud, struktureller Bestandteil von Kultur, - etwas, das soziales Zusammenleben unvermeidbar begleite und deshalb unauflösbar sei.

Man muss den kulturpessimistischen Schlussfolgerungen, die Freud aus seinen Erkenntnissen zog, nicht unbedingt folgen. Zumal, wie wir heute wissen, sich nicht nur die Formen des Zusammenlebens einem Wandel unterworfen sind, sondern auch die Ausprägungen von Triebregungen. Es war Herbert Marcuse, der Mitte der 50er mit dem ebenfalls noch immer lesenwerten Buch „Triebstruktur und Gesellschaft“ auf Freud antwortet und darlegte, wie eine Versöhnung der Triebwünsche Einzelner mit den Erfordernissen der Gesellschaft dennoch möglich sein könnte. Besser: wie der Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft auf politische Weise so in eine Balance gebracht werden kann, dass unnötiges Leiden vermieden wird. Dieses unnötige Leiden betrachtete Marcuse als Folge einer „zusätzliche Unterdrückung“: - einer, die eben nicht im Zeichen der Fortexistenz eines zivilisatorischen Gemeinwesen steht, sondern allein der Organisierung von Herrschaft bzw. der Unterwerfung des Menschen unter ökonomische Verwertungszwänge dient. Diese zusätzliche Unterdrückung den Menschen zu ersparen, sei die Aufgabe emanzipatorischer Politik.

Es sind zwei Fragen, die sich daraus ergeben und die wir heute aufgreifen wollen:

Zum einen gilt es den Begriff der Kultur historisch zu präzisieren. Was ist das für eine Gesellschaft, in der wir heute leben? Was sind das für Umstände, die immer mehr Menschen psychisch krank machen?

Zum anderen gilt es über die Grundlagen eines sozialen Zusammenlebens nachzudenken, die den Menschen unnötiges Leiden erspart. Mit anderen Worten: über Chancen von Emanzipation und eines Beistandes für jene, die an den Verhältnissen krank geworden sind.

Wir werden das selbstverständlich nur in Ansätzen tun können, aber – und das ist unsere Erwartung – damit hoffentlich zur längst überfälligen Wiederbelegung einer kritischen Auseinandersetzung mit dem zunehmenden Unbehagen in der Gesellschaft beitragen.

Ohne den Referentinnen und Referenten im Einzelnen vorzugreifen, will ich Ihnen einige Gedanken vortragen, die uns bei medico in der Planung und Vorbereitung dieses Symposiums bewegt haben.

3.

Es steht außer Frage, dass sich die Verhältnisse seit den Zeiten Freuds verändert haben. Das Maß an gesellschaftlich auferlegtem Triebverzicht ist geringer geworden. Nicht wenige Verhaltensweisen, die früher als Ausdruck eigennütziger Triebe, als Luxus und Aufsässigkeit unterdrückt wurden, gelten heute als normal. Wenn wir uns in der heutigen Kultur nicht mehr wohlfühlen, dann nicht aufgrund eines Über¬maßes an einer soziale Sicherheit bietender Ordnung, sondern aufgrund von Umständen, die eher auf einen Verlust an sozialer Sicherheit hinweisen, ohne dass freilich individuelles Glück und Freiheit für alle zugenommen hätten.

Im Gegenteil: das, was sich unterdessen entwickelt hat, ist weniger individuelle Freiheit, als die voran¬schreitende Unterwerfung aller, auch der privaten Bereiche des Lebens unter eine von Marktwirtschaft und Verwaltung vorgegeben Zweckrationalität? Jürgen Habermas hat diese Entwicklung völlig treffend als „Kolonisierung der Lebenswelt“ beschrieben. Nicht Glücksmöglichkeiten hat der Mensch zurück gewonnen, sondern erfahren müssen, wie auch noch Familie, Bildung und Politik unter die Vorgaben des Marktes subsumiert wurden. Es ist diese „Kolonisierung der Lebenswelt“, in der die Gründe für das wachsende Unbehagen in den heutigen Gesellschaften auszumachen sind. Das, was als Freiheit glorifiziert wird, bedeutet für eine wachsende Zahl von Menschen weniger Freiheit, als eine aufgezwungene Freisetzung.

"There is no such a thing as society", postulierte Margret Thatcher Ende der 80er Jahr, um der Deregulierung der Märkte und der Aushöhlung staatlicher Sozialpolitik den Weg zu bereiten. Die krisenhaften Folgen dieser Entwicklung sind bekannt, ich muss sie hier nicht wiederholen. Erst langsam aber erkennen wir, wie der Neoliberalismus über seine Ideologie auch Einzug in die Psyche der Menschen gefunden hat, wie die Deregulierung der ökonomischen und politischen Verhältnisse auch zu einer Deregulierung dessen geführt hat, was die Repräsentanz der Verhältnisse im Inneren der Menschen genannt werden kann.

„Wenn jeder und jede an sich selbst denkt, dann ist auch an alle gedacht“: in etwa so lässt sich das Credo des Neoliberalismus zusammenfassen. Eine Vorstellung, die sich weltweit tief ins Bewusstsein der Leute eingegraben hat, auch übrigens in das derjenigen, die am meisten unter den Folgen der Globalisierung zu leiden haben.

Zwar ist noch immer von Solidarität und Empathie die Rede, aber sie ist auf bemerkenswerte Weise gebrochen; gebrochen über Prozesse faktischer Entsolidarisierung im Zuge der Aushöhlung staatlicher Sozialpolitik, gebrochen über eine skandalöse Verunglimpfung von Ansprüchen auf soziale Sicherheit als staatliche Bevormundung, gebrochen über all die stupiden castings-shows and rankings, mit denen immer weitere Bereiche des Lebens dem Kampf um die besten Plätze, dem Wettbewerb unterwerfen werden, gebrochen über die Idealisierung von Gier und Geiz (wer sich für Fußball interessiert, dem wir zuletzt aufgefallen sein, dass immer häufiger in einem positiven Sinne von Gier die Rede ist (die unersättliche Gier der Bayern), gebrochen aber vor allem über das Konzept einer ideologisch überhöhten Eigenverantwortung, das die Menschen aus ihren sozialen Beziehungen herauslöst und letztlich ein „unternehmerischer Selbst“ aufnötigt: - eines, das - von allem lästigen Traditionen und Bindungen befreit - dem Wirtschaftsgeschehen hochflexibel verfügbar ist.

Wie weit die Kolonisierung der Lebenswelt vorangeschritten ist, zeigt sich in der Ökonomisierung der menschlichen Existenz, besser: in deren Ver-Betriebswirtschaftlichung. Vielleicht erinnern Sie sich noch an Begriff der „Ich-AG“, der zunächst öffentlich die Runde machte und nun in Latenz sein Unwesen treibt - mit gravierenden Folgen.

Denn wenn menschliche Existenz allein an betriebswirtschaftlicher Effizienz ausgerichtet wird, dann bedarf es auch keiner stabilen zwischen¬menschlichen Beziehungen mehr, auch keiner echten Freundschaften; es reichen am Nutzen orientierte Verbindungen zu einflussreichen Partnern, das Eingebundensein in Netzwerke, in die man strategisch investiert, weil sie einem im gesellschaftlichen Wettbewerb nützlich sein könnten.

Das Ziel ist möglichst gut aufgestellt zu sein, weshalb man sich fit hält, nicht unbedingt aus Gesundheitsgründen, sondern um jederzeit ein Maximum an Leistung abrufen zu können. Sie kennen die Sprache, wir hören und lesen sie alltäglich in den Medien.

Das Leben gerät auf diese Weise zu einer einzigen Verrechnung von In- und Output, wobei das eigentliche Ziel, nämlich möglichst synchron zu den Wirtschaftsabläufen zu funktionieren, kaum noch bewusst wahrgenommen wird.

Derart ist die neoliberaler Variante von Eigenverantwortung allerdings zutiefst fremdbestimmt: - durchdrungen von wirtschaftlichen und politischen Zwecken, auf deren Gestaltung die Leute selbst kaum noch Einfluss haben. Dabei wäre gegen mehr Selbstbestimmung gewiss nichts einzuwenden, schon gar nicht aus emanzipatorischer Sicht. Der Appell zur Eigenverantwortung, der heute so vielen Politikerreden zu hören ist, ergeht aber auf fatale Weise in dem Augenblick, indem die Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Leben systematisch abgebaut werden. Weder gibt es noch jene soziale Sicherheit, von der heraus sich das eigene Leben angstfrei in die Hand nehmen ließe, noch haben die Einzelnen die Möglichkeit, die strukturellen Vorgaben, innerhalb der sie eigenverantwortlich leben sollen, die Vorgaben von Marktwirtschaft und Verwaltungsstaat, wirkungsvoll beeinflussen zu können

Mit der Propagierung einer Eigenverantwortung, der jeder „emotionale Anker“, wie das Richard Sennett formuliert hat, abhanden gekommen ist, wächst das Risiko für etwas, das in dem neoliberalen Lebensentwurfs gar nicht vorgesehen ist: das Scheitern. Und zu denen, die scheitern, zählen alle, für es keinen Platz zugeben scheint, die Bewohner der Armutssiedlungen Rande der Metropolen ebenso wie die hoch ausgebildeten arbeitslosen jungen Menschen, ob in Spanien, den USA und sonst wo auf der Welt: sie fallen aber nicht nur raus, sie werden aus Sicht des Systems nutzlos.

Um die Angst vor dem Scheitern, die Angst vor Nutzlosigkeit abzuwehren, bleibt nur eine schier endlose Suche. Die Suche nach einer Identität, für die es freilich keine festen Bezugspunkte mehr gibt. Die Suche nach Jobs, die es immer weniger gibt, das permanente Bemühen um Anschluss an Umstände, die so schnelllebig sind, dass sie kaum noch Planung zulassen.

Was aus dieser hoch flüchtigen Suche resultiert, ist das, was Christoph Türcke ein flackerndes Bewusstsein bezeichnet hat: eines, dessen innerstes Gesetz die Unruhe selbst ist. Und solche Unruhe ist hochgradig systemkonform. Auf perfekte Weise korrespondiert das Gefühl einer innern Getriebenheit mit der Allgegenwart eines Marktes, dessen hochflüchtige Bilderwelt eine ebenso flüchtige, aber permanente Bewegung erfordert. Mit Blick auf diese rastlose Suche, die eigentlich nie zum Ziel kommen kann, kann es nicht verwunden, dass sich Erschöpfung breit macht. Das unternehmerische Selbst mündet in einem erschöpften Selbst: in Depression.

4.

Sie werden fragen, was das alles mit den Lebensrealitäten der Menschen im globalen Süden zu tun hat. Nun, eine ganze Menge.

Denn mit der globalen Entfesselung des Kapitalismus sind die Vorgaben der Markwirtschaft bis in die letzten Winkel der Erde vorgedrungen. Auch in den postkolonialen Gesellschaften nimmt das Unbehagen als Folge der Kolonisierung der Lebenswelt zu. Daran haben die von außen aufgezwungenen wirtschaftlichen Strukturanpassungsprogramme Anteil, die heute Griechenland aufgenötigt werden, aber auch fehl geleitete entwicklungspolitische Konzepte, die – zur Bekämpfung der Armut – auf sogenannte „Entrepreneurship“-Modelle gesetzt haben: auf das unternehmerische Selbst. Statt z.B. genossenschaftliche Gemeinwesen zu fördern oder den Aufbau von steuerfinanzierten sozialen Sicherungssystemen voranzutreiben, drehten sich in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten auffallend viele Hilfsprogramme um die Frage, wie die Einzelnen z.B. via Mikrokredite für den Wettbewerb unter- und gegeneinander fit gemacht werden könnten, wie Gesundheitsdienstleistungen über Eigenleistungen, sog. user fees, die noch den Ärmsten abverlangt werden, finanziert werden können.

Übersehen haben die Entwicklungsplaner in aller Regel, dass solche Vorgaben in den Länder des Südens auf gesellschaftliche Umstände getroffen sind, die – auch wenn unterdessen x-fach gebrochen - viel stärker von Traditionen und sozialen Werten geleitet werden. Häufiger als hierzulande wird im Süden der Verlust an sozialer Sicherheit, das disembedding, als zutiefst traumatisierend empfunden

Die Folgen spiegeln sich in den politischen Gegenentwürfen. Letztlich ist es ist das Unbehaben in der Globalisierung, das all die fundamentalistischen Bewegungen dieser Welt antreibt. Bewegungen, die alte Ordnungen ideologisch überhöhen und ihren Mitgliedern über die Flucht in religiöse Illusionen einen gewissen Schutz vor individuellem Leid ermöglichen.

Auch die Zunahme von Xenophobie und Rechtsextremismus ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Die Gewalt untereinander wächst. Deutlich wird in solchen Reaktionen, dass eine Globalisierung, die sich auf die Liberalisierung des Waren- und Kapitalverkehr beschränkt und zugleich alle Chancen eines politischen und sozialen Zusammenrückens der Menschen missachtet, letztlich auch die Möglichkeit weltbürgerlicher Verhältnisse und globaler Solidarität verrät, die in der Idee von Transnationalität im Prinzip angelegt ist.

5.

Bei der Beschreibung des Elends der Welt ist Vorsicht geboten. Denn auf bemerkenswerte Weise haben wir es nicht nur mit wachsendem Unbehagen zu tun, sondern auch mit einer kaum noch zu stoppenden Inflation psychopathologischer Diagnosen, die das Elend am Individuum festmachen. In der Zunahme von Diagnosen wie Depression, ADHS, Posttraumatisches Belastungssyndrom (PTSD) spiegelt sich eben nicht nur das wachsende Unbehagen in der Globalisierung, sondern auch die Pathologisierung gesellschaftlicher Missstände.

Welche Interessen in der Privatisierung gesellschaftlich verursachter Not zum Ausdruck kommen, das wird eines der Themen sein, das das nachfolgende Panel beschäftigen wird.

Am Nachmittag, zunächst in den Arbeitsgruppen und dann im Abschlusspanel geht es dann um die Frage, wie der Krise begegnet werden kann. Was ist zu tun, um die Kolonisierung der Lebenswelt zurückzudrängen, wie die sozialen Rechte von Menschen gegen die kommerziellen Schuldtitel durchzusetzen und wie das das Eigensinnige der Menschen gegen die Übergriffe des Systems zu verteidigen? Fragen, die vor allem politische Antworten verlangen, aber auch eine Klärung dessen, was angemessene Formen psychosozialer Hilfen für diejenigen sind, die an den Verhältnissen erkrankt sind.

Seit bald 30 Jahren zählt das Bemühen um eine solche psychosoziale Unterstützung zu den Schwerpunkten der Arbeit von medico. Hilfen, die nicht unter der Zwangsjacke diagnostischer Kategorien daherkommen, sondern eingebunden sind in ein umfassendes Konzept sozialen Handeln, das auf die Schaffung menschenwürdiger Lebensumstände drängt.

Übergreifendes Ziel ist die Förderung von Eigenständigkeit und Solidarität, die Schaffung einer anderen, einer solidarischen Welt, in der das Unbehagen in der Globalisierung auf ein Minimum reduziert ist.

In unserem Engagement sind wir davon überzeugt, dass - und ich zitiere noch einmal Sigmund Freud:

„dass eine Kultur, welche eine so große Zahl von Teilnehmern unbefriedigt lässt und zur Auflehnung treibt, weder Aussicht hat, sich dauernd zu erhalten, noch es verdient.“

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns allen ein gutes Gelingen. Vielen Dank.


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