Die traumatischen Folgen von Krieg und Gewalt, von Missbrauch und Vernachlässigung sind zu einem globalen Thema geworden. Kein Unglück und keine Katastrophe, in denen sich nicht fachkundiges Personal der seelischen Folgen annimmt. Die Enttabuisierung von Kindesmissbrauch und Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen hält die hiesige öffentliche Aufmerksamkeit in ständiger Alarmstellung. Therapeutische und pädagogische Hilfestellungen stehen zur Verfügung und entwickeln sich weiter. Das Trauma und seine Bearbeitung sind heute genauso Teil des psychologischen, medizinischen und pädagogischen Settings wie der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit. Zugleich lässt sich beobachten, dass Selbstbemächtigung und Emanzipation als Ziel von psychosozialen und therapeutischen Hilfen aus dem Blick geraten. Damit einher geht oftmals die Individualisierung und Pathologisierung von politischen und sozialen Problemen.
Die Fachtagung „Trauma und Politik“ nahm diese Entwicklung zum Ausgangspunkt, um sich kritisch mit der gegenwärtigen Situation auseinanderzusetzen und u.a. folgende Fragen zu thematisieren: Wie nachhaltig wirksam sind als Fortschritt gefeierte Methoden in der Traumabearbeitung? Welchen Einfluss haben ökonomische Sachzwänge und der herrschende psychische Anpassungsdruck auf ein emanzipatorisches Verständnis von Trauma-Bearbeitung? Welche Bedeutung und Folgen haben biomedizinische und psycho- technische Interventionen westlicher Experten in Ländern des Südens, die auf einen möglichst messbaren „quick impact“ zielen?
Im Plenum und in den Arbeitsgruppen ging es in Vorträgen und an praktischen Beispielen darum, Ziele und Bedingungen einer Trauma-Arbeit zu definieren, die die Emanzipation belasteter Menschen wieder in den Mittelpunkt stellt. Wie können wir die Individualisierung des Leids und mitleidlose Vermarktung des Schreckens durchbrechen, damit Trauma-Bearbeitung und emanzipatorische Prozesse wieder gemeinsam gedacht werden?
Wir bedanken uns herzlich, bei den Vortragenden und den zahlreichen, engagierten TeilnehmerInnen der Tagung für den regen Ideenaustausch. Ein herzliches Dankeschön auch an die Tagungsleiterinnen Barbara Schindler-Bäcker, Kerstin Frei, Dr. Brigitta Sassin, Wilma Weiß und Katja Maurer.
Dokumentation
EINSTIEGSVORTRAG
- Prof. Dr. Ariane Brenssell, Hochschule Ludwigshafen
Trauma als Prozess – Wider die Pathologisierung struktureller Gewalt und ihrer innerpsychischen Folgen
Der Vortrag endete mit dem Plädoyer, dass eine emanzipatorische Trauma-Arbeit versuchen müsse, die Dichotomie von Betroffenen und Experten zu überwinden. Das letzte Wort gab Ariane Brenssell daher der Flüchtlings-Aktivistin Napuli Paul Langa in einem Video-Statement.
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KRITISCHE WÜRDIGUNGEN DES VORTRAGS
- Wilma Weiß, Zentrum für Traumapädagik, Hanau
Die Selbstbemächtigung als Methode der Traumapädagogik - Jochen Strauss, Bundesarbeitsgemeinschaft Traumapädagogik
Die Psychotherapie in Deutschland hat ihre emanzipatorische Kraft verloren - Usche Merk, medico international, Frankfurt
Trauma-Arbeit im Kontext der internationalen Zusammenarbeit - Sabine Lübben, Frankfurter Arbeitskreis Trauma und Exil (Fatra e.V.)
ARBEITSGRUPPEN
- Die Pädagogik der Selbstbemächtigung – über Bedingungen emanzipatorischer Traumaarbeit, Wilma Weiß
- Trauma in Kindheit und Jugend, Christiane Leonhardt-Içten, Caritas-Verband e.V., Frankfurt
- Trauma in der Gesellschaft – die Arbeit der runden Tische sexuelle Gewalt und Heimerziehung, Jochen Strauss
- Trauma und Migration, Marie-Luise Rössel-Cunovic und Sabine Lübben
- Traumaarbeit im Kontext der Entwicklungshilfe: Erfahrungen aus Südafrika, Usche Merk
Die Diskussionen in den einzelnen Arbeitsgruppen und die offenen Themen wurden stichwortartig in der einer gemeinsamen Auswertung festgehalten.