Geflüchtete auf Samos

Dieses Leben gefährdet die Gesundheit

17.06.2020   Lesezeit: 4 min

Die Verhältnisse im überfüllten Flüchtlingslager bei Vathy sind menschenunwürdig. Die Klinik der medico-Partnerorganisation Med'EqualiTeam leistet medizinische Grundversorgung.

Nicht nur in Moria auf Lesbos ist die Situation für Geflüchtete dramatisch. Auch das Lager Vathy im Osten der griechischen Insel Samos ist hoffnungslos überfüllt. Konzipiert für 648 Menschen leben derzeit um die 7.000 Flüchtlinge dort. Die meisten aus Syrien, Afghanistan und der Demokratischen Republik Kongo. Die Überbelegung führt zu katastrophalen Lebensbedingungen im Lager, die die Gesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner massiv beeinträchtigen. Aufgrund der Überbelegung und der unhaltbaren Zustände kam es in den letzten Monaten mehrmals zu gewaltsamen Protesten und Bränden sowie zu Konflikten mit den Inselbewohnerinnen und -bewohnern. Das von medico unterstützte Med'EqualiTeam mit seinen rund zwanzig Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreibt eine Klinik in der Nähe des Flüchtlingslagers, um den Zugang der Geflüchteten zu medizinischer Grundversorgung zu verbessern und den Spannungen entgegenzuwirken.

Die Klinik des Med'EqualiTeams ist fußläufig rund 15 Minuten vom Lager entfernt und mit sieben Sprechzimmern ausgestattet, in denen Patientinnen und Patienten je nach Bedarf kostenlos behandelt werden. Der größte Teil der Erkrankungen, die dort behandelt werden, sind auf die schlimmen Lebensbedingungen im Lager zurückzuführen. Viele Flüchtlinge müssen außerhalb des offiziellen Lagers, im so genannten Jungle, zurechtkommen. Wenn die kleinen Zelte nass und im Winter kalt werden, macht dies die Menschen für Infektionen anfällig. Im Sommer wird es darin unerträglich heiß. Die wenigen vorhandenen Toiletten sind meist schmutzig oder kaputt, was zur Verbreitung von Durchfallerkrankungen führt. Die beengten Wohnverhältnisse ohne Zugang zu Waschmaschinen erleichtern die Ausbreitung von Parasiten wie Bettwanzen und Krätze. Aufgrund der mangelnden Hygiene haben sich auch Ratten, Skorpione und Schlangen im Lager ausgebreitet. Häufig kommen Menschen mit Bisswunden in die Klinik. Die Flüchtlinge haben kaum oder keinen Zugang zu Duschen, was dazu beiträgt, dass sich Wunden hochgradig infizieren. Für das nährstoffarme Essen, das oftmals zu Unverträglichkeiten führt, müssen sich die Bewohnerinnen und Bewohner mehrere Stunden pro Mahlzeit anstellen. Unter diesen Bedingungen leben zu müssen, macht nicht nur den Körper, sondern auch die Seele krank. Vor allem Frauen erfahren oftmals sexuelle und geschlechtsbezogene Gewalt. Es gibt keine Sicherheit im Lager.

Hinzu kommen zahlreiche Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes und Bluthochdruck. Viele kommen erst in fortgeschrittenen Krankheitsstadien, weil sie in der Vergangenheit keinen Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung hatten. Der Mangel an Übersetzerinnen und Übersetzern, fehlende Ausweispapiere, Sozialversicherungsnummern und finanzielle Mitteln sowie die Behandlungsverweigerung von Ärztinnen und Ärzten und die Entfernung zu Arztpraxen und Kliniken stellen hohe Hürden für Flüchtlinge dar. Das Med'EqualiTeam bemüht sich, die beträchtliche Lücke in der medizinischen Grundversorgung zu füllen, die so für Asylsuchende entstanden ist. In ihrer Klinik bieten sie außerdem Physiotherapie, tägliche Wundversorgung sowie Sehstärkenmessung und Brillenanpassung an und führen wöchentlich Gesundheits-Workshops zu Themen wie reproduktive Gesundheit, psychische Gesundheit und Kinderkrankheiten durch. Ein Drittel der Patientinnen und Patienten sind Kinder.

Durch ihre Arbeit entlastet die Klinik das örtliche Krankenhaus. Auch für die Bewohnerinnen und Bewohner von Samos war das letzte Jahrzehnt schwer. Sie haben nicht nur mit den Folgen der Wirtschaftskrise 2008 zu kämpfen, sondern müssen auch die Überbelegung der Insel mit Flüchtlingen bewältigen. Regelmäßig protestieren Inselbewohnerinnen und -bewohner gegen das Flüchtlingslager auf Samos und fordern eine Schießung des „Hotspots“. Auch das kleine örtliche Krankenhaus wurde überwältigt von dem plötzlichen Bevölkerungsanstieg, was zu unzumutbaren Wartezeiten sowohl für die griechische Bevölkerung als auch für die Geflüchteten führte.

Bisher gab es auf der Insel keine bestätigten COVID-19-Infektionen. Dennoch wurde die Bewegungsfreiheit der Geflüchteten im Lager stark eingeschränkt. Die Arbeit aller nicht im medizinischen Bereich arbeitenden Organisationen wurde eine Zeitlang ausgesetzt, was die Situation zusätzlich erschwert hat. Der UNHCR versucht, ältere und immungeschwächte Geflüchtete in Wohnungen und Hotels auf der Insel sowie auf das Festland umzusiedeln – auch in Kooperation mit MedEqualiTeam, die 200 chronisch Kranke im Rahmen ihrer Arbeit identifiziert haben. Patientinnen und Patienten, die fachärztliche Versorgung wie zum Beispiel HIV- und Tumor-Behandlung, spezielle OPs und stationäre psychiatrische Therapie benötigen, können nicht vor Ort behandelt werden und müssen auf das Festland überführt werden, um entsprechende Behandlung zu erhalten, was in Zeiten der Corona-Pandemie erheblich erschwert wurde.

Unterstützen Sie die unermüdliche Arbeit des Med'EqualiTeams auf Samos. Es braucht dringend die konkrete Hilfe und ebenso eine Lösung auf politischer Ebene. Es muss Schluss sein mit den überfüllten Flüchtlingslagern an der EU-Außengrenze.


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