Ukraine

Erneut vertrieben

07.06.2023   Lesezeit: 3 min

Nach der Zerstörung des Staudamms bei Nowa Kachowka sind Zehntausende von den Fluten betroffen. medico unterstützt die Soforthilfe für die intern Vertriebenen.

Noch ist die Situation in vielem unklar: Die Zahl der unmittelbar Betroffenen schwankt zwischen 42.000 und 100.000 Menschen. Laut den Vereinten Nationen sind 37 Orte überschwemmt, und ihre Zahl könnte auf bis zu 80 anwachsen. Die russisch besetzte Seite des Ufers soll stärker betroffen sein, weil sie niedriger liegt, auch sollen die Evakuierungen dort sehr viel später eingesetzt haben als auf dem rechten Ufer des Dnipro/Dnjepr. Die ukrainischen Behörden evakuieren derzeit ca. 17.000 Personen aus 20 bis 25 kleineren Ortschaften. Die meisten dieser Menschen werden zu Sammelpunkten am Bahnhof in Cherson gebracht, von wo es in drei Richtungen weiter zu Zufluchtsstätten gehen soll.

Unsere Partnerorganisation Mirnoe Nebo aus Charkiw/Charkow hat uns bei Bekanntwerden der Flut unmittelbar kontaktiert und um Unterstützung bei ihrer Nothilfe für die Betroffenen gebeten. Bereits 4 Uhr morgens ist eine erste Abordnung der Kolleg:innen von Mirnoe Nebo in Richtung Cherson aufgebrochen, um vor Ort zu klären, an welchem Standort eine Großküche am besten installiert werden kann, um in den kommenden 7 bis 14 Tagen täglich 1.000 bis 2.000 Menschen mit warmen Mahlzeiten zu verpflegen. Sollte sich die Lage dramatisch verschärfen, könnte die Küche die Produktion auf 6.000 Mahlzeiten pro Tag erhöhen.

Während vor Ort noch Zugänge zu Wasser und Strom sowie Transportwege geprüft werden, stellen die Kolleg:innen im Gebiet Charkow bereits Geräte zusammen und verpacken diese zum Transport nach Cherson. Aus sechs existierenden Großküchen in Charkow-Stadt und Umgebung werden dafür Apparaturen vorübergehend abgezogen. Der Weiterbetrieb jener Küchen ist dennoch gesichert.

Sie können die Nothilfe vor Ort mit einer Spende unterstützen:

Spendenstichwort: Ukraine

Der Verlust des eigenen Zuhauses ist eine traumatische Erfahrung. Einige, die jetzt erneut unterwegs sind, befanden sich auf Grund des andauernden Krieges bereits in Cherson im Transit. Die Zerstörung des Staudamms, der den Fluss Dnjepr/Dnipro an der Frontlinie in Nowa Kachowka in der Oblast Cherson kontrollierte, wirft jedoch zusätzlich schwerwiegende Fragen auf, die das Land – abgesehen von den derzeitigen massiven Überschwemmungen – noch auf Jahre beschäftigen werden: Die Überflutung so großer Gebiete „wird den Zugang zur Grundversorgung, einschließlich der Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wasser für Hundertausende Menschen auf beiden Seiten der Frontlinie erheblich beeinträchtigen und die ohnehin schon prekäre humanitäre Lage weiter verschlechtern“, so die Vereinten Nationen.

Der durch den Damm begrenzte Kachowka-Stausee erstreckte sich über 240 Kilometer durch die Oblaste Saporischschja, Dnipropetrowsk und Cherson und war bis zu seiner Zerstörung eine der größten Wasserquellen im Süden des Landes, die auch wichtige Industriestädte wie Kryvyi Rih, Marhanets, Nikopol und Pokrov mit Wasser, einschließlich Trinkwasser versorgte. In diesen Städten leben fast 700.000 Menschen.

Weitreichende Folgen

Die Zerstörung des Kachowka-Damms hat nach Angaben der ukrainischen Behörden zudem das Bewässerungssystem und die Wasserversorgung in der gesamten Südukraine, einschließlich der Krim, beschädigt. Die betroffenen Gebiete sind größtenteils landwirtschaftliche Nutzflächen, mitten in der Saison hat das nicht nur unmittelbare, sondern auch langfristige Folgen.

Massive Überschwemmungen am Kachowka-Damm können auch das Risiko einer Kontamination durch Minen und Sprengkörper erhöhen. Nach Angaben der ukrainischen Behörden sind mindestens 30 Prozent des ukrainischen Territoriums vermint. Die Oblast Cherson sei davon am stärksten betroffen. Durch Überschwemmungen und schnell fließendes Wasser gelangen Minen und Sprengkörper nun in Gebiete, die zuvor als sicher eingestuft wurden. Das Kernkraftwerk in Saporischschja gilt derzeit eigentlich nur deshalb nicht als zusätzliche Gefahr, weil es einerseits ein eigenes Kühlwasserbecken hat und andererseits sein Betrieb schon seit einiger Zeit heruntergefahren worden ist.


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