Über 14.000 Sahrauis haben in den letzten Wochen ca. 14 Kilometer von der Stadt Laayoune entfernt Zeltstädte errichtet, um gegen die anhaltende Armut und politische Unterdrückung durch die marokkanische Polizei zu protestieren. Jetzt erschossen Sicherheitskräfte einen 14-jährigen Jungen.
Am Anfang waren es nur einige hundert, dann wurden es über Nacht tausende von Bewohnern der besetzten Westsahara, unter ihnen auch viele Frauen und Kinder, die begannen die Städte der seit Jahrzehnten von Marokko besetzten Westsahara zu verlassen. Sie verließen Laayoune, die Hauptstadt der von Marokko seit 1975 besetzten Westsahara und zogen in die Wüste und errichteten ein „Camp der Würde“, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. Ihr Sprecher Omar Zreybia betonte in verschiedenen Interviews mit Nachrichtenagenturen und europäischen Zeitungen, dass es darum ginge „die Marginalisierung zu beenden“, da die sahrauische Bevölkerung von den marokkanischen Behörden auf allen Ebenen systematisch benachteiligt wird. So dürften nur Marokkaner Häuser, Geschäfte und Werkstätten besitzen, die diese dann mit hohen Mieten an die sahrauische Bevölkerung weitergeben. Auch im Ausbildungssektor und in der öffentlichen Verwaltung werden Sahrauis seit Jahrzehnten erwiesenermaßen benachteiligt.
Die Demonstranten fordern in dieser größten zivilen Protestaktion seit Jahrzehnten von Marokko das Ende aller sozialen und kulturellen Diskriminierungen. „Wir fühlen uns von Regierung völlig alleingelassen. Niemand kümmert sich um uns oder nimmt von uns Notiz. Unsere Jugend leidet unter Arbeitslosigkeit und blickt einer völligen Zukunftslosigkeit entgegen“, erklärte ein Sprecher des Camps der US-amerikanischen Nachrichtenagentur Magharebia.
Seit dem Beginn der Proteste haben sich immer mehr Menschen dem Exodus in die Wüste angeschlossen. Hunderte von Zelten sind entstanden, die eine immer größere Fläche einnehmen. Unterstützt wird diese Aktion auch von ehemaligen Arbeitern der Phosphatminen von Bu Craa. Viele von ihnen wurden entlassen und durch marokkanische Siedler ersetzt, die aufgrund staatlicher Vergünstigungen und guter Löhnen in die Westsahara kamen. Nur noch wenige der Minenarbeiter sind sahrauischer Herkunft und werden zudem im Vergleich mit ihren marokkanischen Kollegen benachteiligt. Die sahrauische Bevölkerung ist in ihrer eigenen Heimat zur ausgegrenzten Minderheit geworden. Die Bodenschätze und das fischreiche Meer der Westsahara erlaubt es Marokko, mit Versprechen und Anreizen Tausende von Marokkanern anzulocken und in die besetzten Gebiete umzusiedeln.
Die Reaktion der marokkanischen Behörden auf diesen massenhaften Protest blieb nicht aus. Seit dem 12. Oktober sind die Sicherheitskräfte in Stellung gegangen und umzingeln mit Camions und Dienstfahrzeugen die entstandenen Zeltlager. Helikopter überfliegen regelmäßig die Lagerplätze der Sahrauis. Ein Polizeigürtel sperrt das Gelände der Camps in Richtung Stadt hin ab. Seit eine Woche haben 2000 Soldaten und Polizisten das Lager umstellt, das Handynetz wurde gekappt und die Versorgung der Protestierenden mit Wasser und Nahrungsmitteln mit Straßensperren verhindert. Im Zuge dieser Blockade wurde am 24. Oktober der Jugendliche Nayem Al-Garhi erschossen, als er in einem Landrover zusammen mit sieben weiteren Personen das camp verließ, um Nahrungsmittel, Wasser und Medikamente aus der Stadt zu holen. Nach einer Verfolgungsjagd wurde das Fahrzeug unweit des Camps von marokkanischen Militärs beschossen. Dabei wurde der 14-jährige Junge tödlich getroffen. Sein Bruder Daoudi Al-Garhi, eine ehemaliger politischer Gefangener, wurde mit sechs weiteren Verletzten ins Krankenhaus gebracht.
<object width="560" height="340"><param name="movie" value="http://www.youtube-nocookie.com/v/S6pMCiSC2Jg?fs=1&hl=de_DE&rel=0"><param name="allowFullScreen" value="true"><param name="allowscriptaccess" value="always"><embed src="http://www.youtube-nocookie.com/v/S6pMCiSC2Jg?fs=1&hl=de_DE&rel=0" type="application/x-shockwave-flash" allowscriptaccess="always" allowfullscreen="true" width="560" height="340"></object>
medico international unterstützt die aktuelle Forderung der protestierenden Sahrauis nach einem sofortigen Abzug der marokkanischen Sicherheitsorgane. Eine sofortige Versorgung der Eingeschlossenen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten muss garantiert werden. Die internationale Presse muss freien Zugang erhalten. Darüber hinaus müssen alle Menschenrechtsverletzungen und Repressalien gegen die sahrauische Bevölkerung eingestellt werden.
Die internationale Gemeinschaft und hier die UN müssen ihrer Pflicht nachkommen, damit der letzte Kolonialkonflikt in Afrika ein Ende findet und die sahrauische Bevölkerung in einem demokratischen Votum über ihre Zukunft frei entscheiden kann.
Projektstichwort:
medico unterstützt seit mehr als 30 Jahren die Lager der sahrauischen Flüchtlingsrepublik in der algerischen Wüste. Wir lieferten Nahrungsmittel, Medikamente, auch um bewusst die Selbstverwaltungsstrukturen der Lager zu stärken. Aktuell liefern wir aus freien Spenden medizinische Geräte und prüfen weitere Projekte mit internationaler Unterstützung zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung. Das Stichwort der Solidarität lautet: Westsahara