Statt Vorlesungen zu besuchen oder auf die zahlreichen Prüfungen zu büffeln, kamen 150 Studierende in 5 Städten zu Tagesseminaren zusammen, die gemeinsam von der Medizin-Studierendengruppe GandHI, medico international und dem Projektbereich Internationale Gesundheitswissenschaften des Instituts für Sozialmedizin der Charité vorbereitet und mit Hilfe lokaler Unterstützerinnen an den medizinischen Fachbereichen durchgeführt wurden.
Nicht nur diese Zahlen und die gute Organisation, sondern vor allem die lebhaften Diskussionen im Anschluss an die zwei thematischen Inputs von medico (zur Geschichte und Gegenwart der Primary Health Care) und der Charité (zur Ausbildung in Global Health) machten deutlich, dass trotz immer stärkerer Verschulung und rigiden Zeitmanagements des Studiums nicht alle den Blick über den Tellerrand der Berufsausbildung und Karriere im Medizinsystem hinaus verlieren – und das ohne die üblichen Zwangsmechanismen von Anwesenheitspflichten und Scheinvergabe.
Gerade diejenigen, die Auslandserfahrungen während des Studiums sammeln, kommen mit Eindrücken zurück, die eine weitergehende Beschäftigung mit den Themen der Globalen Gesundheit anregen, und sind offen für eine kritische Diskussion über Ursachen von Gesundheit und Krankheit, die über Tropenerreger und Epidemien hinausgehen – Ungleichheit, Ungerechtigkeit und strukturelle Ursachen des Elends.
Und beachtlich war auch, wie leicht auch die Verbindungen zur Situation von illegalisierten Flüchtlingen in Europa und Deutschland gezogen wurden, und so das „Menschenrecht auf Gesundheit und Gesundheitsversorgung“ nicht nur in seiner abstrakten Form von UN-Menschenrechtserklärungen und –abkommen zum Thema wurde, sondern an konkrete Handlungsoptionen in den Städten Anschluss fand.
Zugleich wurde aber auch deutlich, dass Medizinstudierende sich immer noch weitgehend getrennt von anderen Akteuren bewegen: dass es an vielen Fachhochschulen inzwischen Ausbildungen in Gesundheitspädagogik und Gesundheitsförderung gibt, war kaum bekannt. Hier brachten die Veranstaltungen besonders in Würzburg, Marburg und Frankfurt nicht nur die Medizinstudierenden, sondern auch Studierende anderer Fachbereiche zusammen und eröffnete ein gemeinsames Gespräch, dass in den Städten weiter fortgesetzt werden soll.
Ein solches umfassenderes Verständnis von Gesundheit zu fördern, in die Ausbildung auch der Medizin zu verankern und auch ein kritisches Rollenverständnis der nächsten Generation der ÄrztInnen zu entwickeln – das stand im Mittelpunkt der Diskussionen am Ende des Tages – ein nächster Schritt hin zu konkreten Aktionen, auch über den universitären Kontext hinaus in die eigene Stadt und Gesellschaft hinein wäre dann der notwendige nächste Schritt – wir sind gespannt, wie es in den Städten weitergeht. Medico wird mit ihnen in Kontakt bleiben und mit Rat und Tat daran mitzuwirken.
Dann entsteht am Ende daraus möglicherweise die Gesundheitsbewegung der Menschen in Deutschland.
Andreas Wulf
Die Vortragsfolien der Veranstaltung zum Download: s. rechte Spalte Dokumente.