Haifa al-Eid, ist aus dem umkämpften syrischen Deir Ez-Zor geflohen. Seit vier Jahren lebt die Dreißigjährige mit ihren vier Kindern in Beirut unweit vom AMEL-Gesundheitszentrum in Burj el Barajneh, das sie regelmäßig besucht. Nur wenige Schritte sind es über einen Platz mit Cafes und Geschäften, über dem nur locker von Kabelbindern zusammengehaltene Stromkabel bedrohlich hin und herschaukeln. Über vier schiefe Stufen und einen Gang entlang, in dem eine Wäscheleine nur seitliches Begehen erlaubt, gelangen wir in die Wohnung von Haifa.
Wohnung? Ein feuchter, acht Quadratmeter großer Raum, in dem der Putz von den Wänden bröckelt. Ein Fenster zum Hof bietet kaum Tageslicht. Hier lebt die fünfköpfige Familie und zahlt dafür monatlich 200 Dollar. Haifa sitzt auf einer durchgelegenen Matratze, ihr rot leuchtendes Kopftuch macht ihr Gesicht noch blasser. Sie erzählt, dass sie seit Monaten die Miete schuldet und vor der Zwangsräumung steht. Was kann sie tun? „Es kommt, was kommt“, sagt Haifa gleichgültig. Sie küsst ihre Kinder, die sich an sie schmiegen. Plötzlich beginnt sie zu weinen. Vor wenigen Stunden habe sie die Nachricht erhalten, dass ihr 13-jähriger Neffe bei einem Bombenangriff in Syrien ums Leben gekommen sei.
Haifa hat mit anderen Flüchtlingsfrauen, die sich im AMEL-Gesundheitszentrum trafen, von zwei französischen Fotografinnen Unterricht erhalten und eine gute Kamera in die Hand bekommen. Ende Oktober stellten sie im Gesundheitszentrum ihre Bilder aus. Seit langem sind sie erstmals keine Bittstellerinnen, sondern Erzählerinnen ihrer Geschichte. Haifas Fotos zeigen ihre Kinder beim Spielen, beim Lernen. Die Kinder symbolisieren auch in dieser Misere die Hoffnung auf eine andere Zukunft. „Meine Kinder sind Syrer. Sie lernen für ihre Zukunft“, schreibt Haifa auf eines ihrer Fotos.
Amel, unser Partner im Libanon, stellt die Gesundheitsversorgung tausender libanesischer und syrischer Familien sicher. medico unterstützt diese Arbeit mit Mitteln des Auswärtigen Amtes. In einem Fotoprojekt ermöglichte Amel zusammen mit dem Künstlerkollektiv Jungleye den syrischen Geflüchteten, ihre Realität zu zeigen. In Workshops lernten sie den Umgang mit der Kamera und erzählen ihre Geschichten vom Überleben in den Flüchtlingswohnungen Beiruts.