Der Herbst des Despoten
Syrien: Unterstützung für lokale Basiskomitees
Al-Assad ila al-abad“ - „Al-Assad für immer“: diesen Satz ließ Syriens Präsident jahrelang an Kasernenwände, Schulhofmauern und Autobahnbrücken pinseln, als Gebot für alle Ewigkeit. Am 6. März 2011 sprayten Schulkinder im südsyrischen Deraa ihren Kommentar an die Wand ihres Pausenhofes: „Das Volk will den Sturz des Systems“. Der lokale Gouverneur, ein Cousin des Präsidenten, ließ sie festnehmen, seine Schergen rissen den Teenagern die Fingernägel aus. Als die Väter die Freilassung ihrer Kinder forderten, antwortete der Gouverneur: „Bringt mir eure Frauen, ich mache euch neue Kinder“.
Zutiefst empört demonstrierten tagelang Hunderte, dann schossen Soldaten von den Häuserdächern. Damit begann der Aufstand in Syrien und brach die Kultur der Angst, mit der die Baath-Partei das Land über 40 Jahre geschlagen hatte. In Homs und Hama, Hochburgen der Opposition, demonstrieren seither Hunderttausende, die Armee feuert in die Menge. Zu den bisher 3.500 Toten gehören allerdings vermehrt Soldaten und Polizisten. Gruppen der Protestbewegung haben sich bewaffnet, mancherorts beginnt schleichend der Bürgerkrieg.
Die Local Coordination Committees (LCC) setzen weiterhin auf friedlichen Wandel. Ihre jungen Aktivisten organisieren wöchentlich Demonstrationen, veröffentlichen Berichte und Handyfilme via Internet. Die vorwiegend säkulare Basisbewegung kritisiert die Militarisierung des Aufstandes, lehnt zugleich jede Intervention von außen ab. Doch die Komitees wissen auch, dass der Assad-Clan nicht so schnell weichen will und bitten deshalb um internationale Solidarität - und finanzielle Hilfe. medico steht den Komitees in Deutschland mit Rat zur Seite und verhandelt Möglichkeiten direkter medizinischer Hilfe in Syrien.
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Alternativen am Kap
Südafrika: Gesundheitsaktivisten verändern Versicherungssystem
Im kommenden Jahr wird der 1912 gegründete African National Congress (ANC) 100 Jahre alt. Schon jetzt zeichnet sich ein zeremonieller Reigen ab, in dem sich die ehemalige Befreiungsbewegung als erfolgreiche Regierungsorganisation feiern will. Aber auch wenn die Apartheid besiegt wurde, bleibt die demokratische Regenbogennation ein Land der Armut und sozialen Ungerechtigkeit. Der neue medico-Partner Section27 will die ANC-Regierung im Jubiläumsjahr 2012 an die vorenthaltenen Rechte der armen Bevölkerung auf eine Gesundheitsversorgung, ausreichend Wasser und Ernährung sowie Grundbildung erinnern, wie sie im Artikel 27 der südafrikanischen Verfassung garantiert sind. Section27 fordert mit anderen Basisinitiativen seit Jahren vom ANC nicht nur eine aktivere HIV-Aids-Politik, sondern hat sich auch für eine Öffnung der maroden staatlichen Gesundheitspolitik gegenüber Ideen aus der Zivilgesellschaft eingesetzt. Und das mit Erfolg: Das Gesundheitsministerium wird nicht länger dem neoliberalen Credo folgen, das die Kosten von Gesundheitsleistungen nur privatisiert, sondern will die künftige Gesundheitsversorgung durch eine staatliche Solidarversicherung gemeinschaftlich finanzieren.
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Politik der rebellischen Plätze
Pakistan: Die Occupy-Bewegung erreicht Karachi
Der medico-Partner PILER ist eine Basisinitiative von Gewerkschaftsaktivisten und Akademikern, die sich seit Jahrzehnten für alternative öffentliche Räume und politische Partizipation einsetzen. Sie unterstützen die Flutnothilfe vom medico-Partner HANDS mit politischer Kampagnenarbeit und fordern einen Wiederaufbau auf Grundlage eines neuen Gesellschaftsvertrags, der Marginalisierung, Machtlosigkeit und Mangel ein Ende bereitet. Weil die Aktivisten wissen, dass in Zeiten der Globalisierung autochthone Auswege chancenlos sind, waren sie dabei, als die Occupy-Bewegung Pakistan erreichte. In Lahore entstand ein Protestcamp, und am 23.10.2011 demonstrierten mehrere Hunderte in Karachi und erklärten, dass die „Menschen nur überleben und voranschreiten, wenn Kapitalismus und Feudalismus überkommen werden”.