Die International People´s Health University (IPHU) fand bereits in fast allen Teilen der Welt (Afrika, Amerika, Asien und Europa) statt. Jeweils 30-50 junge Gesundheitsaktivisten und Gesundheitsprofessionelle beschäftigten sich dort mit den Themen, Analysen, Erfahrungen und Projekten der politischen Ökonomie der Gesundheit und der globalen Gesundheitsbewegung. Jetzt traf sich Anfang Februar im Senegal diese einzigartige nomadische Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden aus 23 Ländern anlässlich des 10. Weltsozialforums, an dem rund 90.000 Menschen teilnahmen, doppelt so viele wie erwartet.
Stop dem Braindrain
Der Workshop „Die Krise des Gesundheitspersonals in Afrika“ fand in einem alten, leicht verfallenen Hörsaal der Rechtsfakultät statt. Hier zeigten nach einer Woche intensiven Lernens die jungen Teilnehmer ihre selbst erarbeiteten Präsentationen, ohne Strom und damit ohne die Möglichkeit vorbereitete Grafiken an die Wand zu projizieren und ein Mikrophon zu nutzen. Die junge Silvi aus Nigeria hatte sich für den Tag besonders schick gemacht. Nun stand sie in ihrem schwarzen Jackett in dem Hörsaal vor ca. 200 Studenten und musste mit ihrer leisen Stimme und einem Laptop in der Hand erklären, warum das Gesundheitspersonal in Nigeria und Südafrika regelmäßig Streiks organisiert, um die staatliche Notfallversorgung zu verbessern. Ihr senegalesischer Kurspartner erklärte, wie internationale Körperschaften wie der IWF oder die Weltbank über ihre Kreditvergabe einen fatalen Einfluss auf die Budgets der nationalen Gesundheitssysteme ausüben. Weitere Beispiele folgten: In Tansania musste das Gesundheitsministerium in den letzten fünf Jahren die Zahl seiner ausgebildeten Angestellten um 65% kürzen. In Togo lässt sich lehrbuchartig nachvollziehen, wie eine schlampige staatliche Planung die Qualität der Gesundheitsversorgung sukzessive ruiniert: Überall im Land fehlt nun qualifiziertes Personal, und all jene, die noch für schlechte Löhne und in heruntergekommenen Kliniken arbeiten, drängen ins Ausland. In Ghana führte der gleiche fatale Prozess des Braindrain dazu, dass mehr als 60% aller in Medizin Graduierten ins Ausland gingen. In Südafrika sind 78% aller Ärzte im ländlichen Bereich Nicht-Südafrikaner. Das People’s Health Movement (PHM) blieb nicht bei der Beschreibung des Status Quo stehen, sondern startet gerade eine globale Kampagne gegen den Braindrain des Gesundheitspersonals aus Afrika. Dabei geht es nicht nur um die Kritik am Privatisierungsdruck von IWF und Weltbank auf die noch bestehenden staatlichen Gesundheitssysteme. Es geht vielmehr um die Durchsetzung finanzieller Entschädigungen für den Abzug gut ausgebildeten Gesundheitspersonals aus den afrikanischen Ländern. Verantwortlich dafür sind die „entwickelten“ Länder, die seit Jahren Gesundheitspersonal aus Afrika abwerben, dessen Ausbildung aber den armen Ländern selbst überlassen.
Martin Glasenapp
Für öffentliche Gesundheit!
Beim Weltsozialforum in Dakar diskutierten die Aktivisten der Gewerkschaftsbewegung, der sozialen Netzwerke und der Interessenvertretungen kranker Menschen über die Krise der Weltgesundheit, insbesondere über die kritische Situation im subsaharischen Afrika. Es wurde beschlossen die Debatten zu vertiefen und strategische Vorschläge zur Lösung der Weltgesundheitskrise voranzubringen.
Es eilt!
Die Krise des Kapitalismus hat die Situation der Menschen verschlimmert: Das Recht auf Trinkwasser, eine saubere Umwelt, Essen, Wohnen, Arbeit und Würde wird unterminiert. • In fast allen Ländern werden die Gesundheitssysteme durch zunehmende Privatisierung und Kommerzialisierung zerstört und damit das Gefälle zwischen Nord und Süd sowie die soziale Ungleichheit innerhalb der jeweiligen Länder verstärkt. • Die ärmsten Bevölkerungsgruppen sind die ersten Opfer der Diktatur der Finanzmärkte und der multinationalen Pharmakonzerne.
Unsere Vorschläge:
Es sollte ein System des Sozialschutzes ohne Grenzen vorangetrieben werden, das auf wirtschaftlichen, sozialen, bürgerlichen und politischen Rechten beruht. • Es sollte ein Zusammenschlusses von Fachleuten aus dem Gesundheits- und Sozialbereich gefördert werden, um alle Aktivitäten auf lokaler und globaler Ebene zu unterstützen. • Es sollten Instrumente der Solidarität mit den Revolutionen in Tunesien und Ägypten, die die Hoffnung auf eine bessere Welt mit besseren Gesundheitsbedingungen befördern, vorangetrieben werden.
Unterzeichner: Mitglieder des People’s Health Movement und Gesundheitsaktivistinnen aus Ägypten, Belgien, Brasilien, Frankreich, Indien, Kolumbien, Marokko, Philippinen, Senegal und Tunesien.