Todesfalle Mittelmeer

Seenotrettung kann nur ein Anfang sein

20.04.2015   Lesezeit: 2 min

Die Rettung Schiffbrüchiger im Mittelmeer hat Priorität. Um weitere Tote zu vermeiden, müssen aber legale Einreisemöglichkeiten in die EU her.

„Was wir letzte Woche erlebt haben, hat alles Bisherige übertroffen“, erklärt Hagen Kopp vom Alarmtelefon Watch the Med, das von medico unterstützt wird. Kopp ist einer der Freiwilligen, die das Alarmtelefon betreuen. Er nimmt Anrufe von Flüchtlingen entgegen, die auf dem Mittelmeer in Seenot geraten. Am Sonntag letzter Woche waren über 5.000 Menschen gleichzeitig auf verschiedenen Schiffen in Lebensgefahr. 400 Menschen starben. „Wir werden dann am Telefon zu unmittelbaren Zeugen des Überlebenskampfes auf See“, erklärt Kopp.

Vor zwei Tagen haben noch einmal 700 Flüchtlinge ihr Leben bei der Überfahrt verloren. Sämtliche Boote waren von Libyen aus in See gestochen oder hatten dort Flüchtlinge an Bord genommen. Ousmane Diarra von der medico-Partnerorganisation AME (Association Malienne des Expulsés) in Mali erklärt: „Seit dem Sturz Gaddafis herrscht Chaos in Libyen. Die Situation für die dort lebenden Migranten und Migrantinnen ist sehr schwierig geworden.“ Außerdem versuchen viele Menschen aufgrund des aktuellen Geschehens in Herkunftsländern wie Syrien, Eritrea oder Somalia über Libyen nach Europa zu gelangen.

Legale Einreisemöglichkeiten in die EU schaffen

Vor diesem Hintergrund ist die Forderung nach der Wiederaufnahme des Seenotrettungsprogramms „Mare Nostrum“, das bis vergangenen Herbst von Italien finanziert und durchgeführt wurde und dass die EU nicht übernehmen wollte, richtig. „Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass auch unter Mare Nostrum tausende Flüchtlinge ihr Leben verloren“, mahnt Hagen Kopp. Neben der sofortigen Rettung von Menschen, die an Europas Außengrenzen in Seenot geraten,  ist daher die Schaffung legaler und sicherer Einreisemöglichkeiten in die EU der einzige Weg, um das Sterben auf dem Mittelmeer dauerhaft zu beenden. Zudem gilt es, die Fluchtursachen in den Blick zu nehmen und zu bekämpfen. Auch hier muss Europa zur eigenen Verantwortung stehen.

Solange die Menschen nicht bleiben können, werden sie migrieren

Diarra sieht jedoch nicht nur die EU in der Pflicht, sondern auch die Regierungen in  Herkunfts- und Transitländern. „Wir wirken auf unsere Regierungen ein, keine Rückübernahmeabkommen oder ähnliches mit der EU zu unterzeichnen und bei allen migrationspolitischen Entscheidungen die Zivilbevölkerung einzubeziehen.“ Derzeit kämpft die AME gemeinsam mit zahlreichen anderen Organisationen und Aktivisten um die Aufkündigung des Cotonou-Abkommens zwischen der EU und den AKP-Staaten, das die AKP-Staaten im Gegenzug für Handelserleichterungen und Entwicklungshilfen dazu verpflichtet, aus Europa abgeschobene Flüchtlinge wieder aufzunehmen.

Diarra weiß aus eigner Erfahrung, was es bedeutet, als Abgeschobener zurückzukehren. Er weiß auch um die Sorgen und die Trauer der Menschen in Mali, die ihre Angehörigen bei der Überfahrt nach Europa verloren haben oder nicht wissen, wo sie sind. Von den Betroffenheitsbekundungen der EU-Kommission und den Bemühungen der europäischen Innen- und Außenminister, jetzt alles daranzusetzen,  die Flüchtlinge von der gefährlichen Reise über das Mittelmeer abzuhalten, hält er jedoch nichts. „Die Menschen werden immer migrieren. Einfach weil sie nicht dort bleiben können, wo sie gerade sind. Das muss auch die EU endlich verstehen.“


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