Von Thomas Gebauer.
Große Erwartungen richten sich auf die „Agenda für nachhaltige Entwicklung“, die die Staats- und Regierungschefs Ende September in New York verabschieden werden. Tatsächlich lassen sich die 17 Ziele schon heute mit viel Zustimmung lesen. Endlich eine universelle Strategie, die alle Länder gleichermaßen auffordert, die Armut zu bekämpfen und den Planeten zu retten.
Mit großem Engagement haben auch zivilgesellschaftliche Akteure an der Erarbeitung der Agenda mitgewirkt. 169 Unterziele sind das erstaunliche Ergebnis: Nahezu jeder Ausschnitt der globalen Krise, jede Zielgruppe, jedes Thema findet Berücksichtigung. Allerdings scheint kaum jemand das „Kleingedruckte“ gelesen zu haben, dass in den „means of implementation“, den Mitteln zur Umsetzung, aufgelistet wird.
Nicht über eine gerechte Verteilung der vorhandenen Ressourcen sollen die Ziele verwirklicht werden, sondern über ökonomisches Wachstum. Wobei für die Billiarden Dollar, die gebraucht werden, die Länder primär selbst aufkommen sollen. Selbstverständlich unter Respektierung all der internationalen Regeln und Verpflichtungen, die den politischen Handlungsspielraum ärmerer Länder dramatisch einschränken. Neue Regeln, etwa zur Bekämpfung von Steuerflucht und Korruption, sind am Veto mächtiger Industriestaaten gescheitert. Eklatant aber ist vor allem der Rückschritt in der Frage des Umgangs mit den Schulden. Hieß es in früheren globalen Vereinbarungen noch, dass beide Seiten, die Schuldner wie die Gläubiger, gemeinsam Verantwortung tragen, sind es nun der in erste Linie die Schuldner.
Das fundamentale Problem der neuen Entwicklungsagenda ist ihre Widersprüchlichkeit, die so weit geht, dass sich ihre Ziele gegenseitig aufheben. Wie sollen Klima und Umwelt geschützt werden, wenn die Mittel, die für solche Maßnahmen notwendig sind, über das Wachstum einer zerstörerischen Produktionsweise generiert werden? Wie soll zugleich mehr und weniger realisiert werden? Wie die Armut bekämpft werden innerhalb eines Systems, dass Armut immer wieder systematisch produziert?
Weil sich das herrschende Weltwirtschaftssystem nicht transformieren lässt, ohne es zu verändern, droht auch die neue Entwicklungsagenda als Blendwerk zu enden. Als Flickschusterei, die das System allenfalls ein bisschen weniger zerstörerisch und gewalttätig aussehen lässt.
Thomas Gebauer ist Geschäftsführer von medico international. Der Artikel erschien in der Frankfurter Rundschau am 14.09.2015