Kommentar

Rechter Kulturkampf

28.08.2024   Lesezeit: 2 min

Im Windschatten der Trauer um die Opfer von Solingen soll das Recht auf Asyl weiter ausgehebelt werden.

Von Imad Mustafa

Wir sind erschüttert über den Anschlag von Solingen, bei dem drei Menschen getötet wurden und mehrere schwerverletzt. Der Anschlag stürzt die betroffenen Familien in große Trauer, er verbreitet Angst. Schnell bekannte sich Da´esh/ISIS zu der Tat.

Anstatt sich in der Trauer über die Opfer zu begegnen, entbrannte auf der politischen Ebene eine erneute Abschiebedebatte. Es wirkt wie eine Wiederholung der Debatte nach dem Attentat von Mannheim im Mai dieses Jahres. Politiker:innen von AfD, CDU, BSW und der Ampelkoalition überbieten sich mit Forderungen nach einem Aufnahmestopp für Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan sowie einer Erleichterung von Abschiebungen in diese Länder.

1,3 Millionen Menschen aus Syrien und Afghanistan sind in Deutschland. Sie leben hier, sie arbeiten hier, sie werden hin- und herausgehalten. Sie alle werden für die schreckliche Tat eines 26-jährigen verantwortlich gemacht. Im Windschatten richtungsweisender Wahlen – dieses Mal die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg – behaupten Politiker:innen im Wahlkampf, für Sicherheit zu sorgen, indem sie Migration stoppen, Menschen nach Syrien und Afghanistan abschieben, dafür mit dem jeweiligen diktatorischen Regime verhandeln und entschlossen gegen sogenannten Islamismus vorgehen wollen. In einer offenen Gesellschaft kann es keine absolute Sicherheit geben. Wer dies dennoch verspricht, betreibt Populismus – in der Regel auf dem Rücken der Schwächsten.

Auch zeitlich unbegrenzter Abschiebegewahrsam für Straftäter:innen und anlasslose Kontrollen in Fußgängerzonen werden von der CDU/CSU ins Spiel gebracht. Was das alles noch mit Menschenrechten und dem Grundgesetz zu tun haben soll, bleibt im Verborgenen. Dies wiegt umso schwerer, als das Recht auf Asyl gerade in Deutschland nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs eigentlich besonderes Gewicht hat.

Stattdessen nutzen hiesige Parteien seit über einem Jahrzehnt die menschenverachtenden Taten und die Ideologie von Da´esh/ISIS als Vorwand, um rassistische und menschenverachtende Maßnahmen auf dem Rücken derjenigen zu implementieren, die häufig genug selbst Opfer von Da´esh/ISIS in Syrien und Irak waren. Schutzsuchende werden sukzessive nicht nur ihrer Schutzgarantien beraubt, sondern auch immer mehr entmenschlicht und nur als angebliche Gefahr für das gesellschaftliche Zusammenleben und die kulturelle Identität Deutschlands gebrandmarkt.  

Dieses Narrativ verbreitet sich in atemberaubender Geschwindigkeit. Fast schon scheint es selbstverständlich, dass Gewalttaten benutzt werden, um Grundrechte weiter zu beschränken. Doch diese von Rassismus getriebene Reaktion ist genau der falsche Weg. Gegen Gewalt und Verrohung lässt sich nur vorgehen, indem wir für Grundrechte und Menschlichkeit einstehen, anstatt sie abzubauen. Dafür steht auch das Recht auf Asyl.

Imad Mustafa (Foto:medico)

Imad Mustafa ist Referent für Menschenrechte bei medico. Außerdem ist der Politologe und Islamwissenschaftler für die Öffentlichkeitsarbeit zu Afghanistan sowie Nordafrika und Westasien zuständig.

Twitter: @imadmustafa_


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