Project 2025

Rechter Masterplan

19.01.2025   Lesezeit: 5 min  
#autoritarismus  #demokratie 

Mit Trumps Regierungsantritt beginnt die Umsetzung eines rechten Programms, das von langer Hand geplant ist.

Von Ulli Jentsch

Es wird wohl noch Monate dauern, bis die Linien der internationalen Politik unter der neuen Trump-Administration konkreter werden. Viele versuchen derzeit, Trumps zukünftige Außenpolitik zu erahnen, die oft als unvorhersehbar und sprunghaft beschrieben wird. Doch man muss nicht spekulieren, um absehen zu können, was auf die an Menschenrechten und Demokratie orientierte internationale Zusammenarbeit zukommen wird.

Schon die Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Donald Trump war ein Schaulaufen der internationalen Rechtsaußen-Politik. In einem Bruch mit den üblichen Gepflogenheiten hat Trump nicht nur ausländische Regierungsspitzen sondern auch eine Reihe einflussreicher Personen der extremen Rechten eingeladen. Neben dem argentinischen Rechts-Libertären und aktuellen Shooting-Star Javier Milei waren auch die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, Viktor Orbán aus Ungarn und Nayib Bukele aus El Salvador angekündigt. Und auch der international selten zu sehende Co-Chef der AfD, Tino Chrupalla, durfte in Vertretung von Alice Weidel teilnehmen. Die Trump-Verehrer:innen weltweit bringen sich für seine zweite Amtszeit in Stellung.

Handbuch für autoritäre Herrschaft

Die Überlegungen, welche Politik die US-Rechte unter der neuen Regierung voranbringen will, sind schon lange im Gange. Diana Cariboni beschrieb im November 2024 detailliert am Beispiel von Mileis Argentinien (das sie aktuelles „Labor der globalen extremen Rechten“ beschreibt), wie das für Trumps Regierung entworfene „Project 2025“ bereits jetzt im Globalen Süden angewendet wird. In dem 2023 erschienenen Handbuch für die ersten 180 Tage einer neuen Regierung hatte die Heritage Foundation auf 920 Seiten vor allem Mitglieder der christlich-konservativen, republikanischen Rechten zu Wort kommen lassen, unterstützt von einem Beirat von 100 Personen und mehr als achtzig einflussreiche Organisationen. „Das von der Heritage Foundation ins Leben gerufene Project 2025 zielt auf die ‚Rettung des Landes’ von der ‚Herrschaft der Eliten und woken Kulturkriegern‘ und den Ersatz der Demokratie durch einen christlich geprägten Autoritarismus“, so das US-amerikanische „Global Project against Hate and Extremism“ (GPAHE), das diese Bestrebungen akribisch nachzeichnet.

Das „Project 2025“ fordert die komplette Beendigung von LGBTQI+-Rechten und -Programmen und sieht den Stopp der staatlichen Förderung von allen DEI-Programmen (DEI steht für ‚Diversity, Equity & Inclusion‘, also Vielfalt, Gerechtigkeit und Teilhabe) vor. Genauso wie in Argentinien sollen Ministerien und Behörden abgewickelt werden; im Bereich des Klima- und Umweltschutzes und der staatlichen Gesundheitsfürsorge werden alle Förderungen und geförderten Organisationen auf den Prüfstand gestellt. Die Umsetzung würde unter anderem dazu führen, dass etwa 48 Millionen Frauen in den USA ihren Zugang zu kostenfreien Verhütungsmitteln verlieren, so das Center for American Progress.

Welche Folgen ein Jahr Milei-Regierung – und damit auch ein Jahr „Project 2025“ in Argentinien – für soziale Organisationen hatten, verdeutlicht die Menschenrechtsorganisation CELS: „Die Ausübung demokratischer Rechte ist heute gefährlicher“, schreiben sie, es gab Beschränkungen öffentlicher Demonstrationen, schärfere Polizeieinsätze mit willkürlichen Verhaftungen. Dies traf die Freiheit sozialer Organisationen, ihre politischen Meinungen zu äußern, genauso wie die Vielzahl von Strafanzeigen, die gegen sie erhoben wurden. Es ist wichtig, diese Erfahrungen den schwärmerischen Reden auf Mileis angebliche Wirtschaftserfolge entgegen zu setzen.

Globaler Anti-Feminismus

Die US-Organisation Ipas, die im Bereich reproduktive Gesundheit aktiv ist, zeigte schon im Juli 2024 auf, welchen Schaden das „Project 2025“ in den internationalen Beziehungen, „insbesondere im Hinblick auf die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte“ anrichten kann. Denn die anti-feministischen Politiken würden auch in der Entwicklungszusammenarbeit Folgen haben. Die sogenannte „Global Gag Rule“ solle wieder gelten, wie schon in der ersten Trump-Regierung. Diese sieht vor, dass keine Organisationen in der internationalen Zusammenarbeit US-Förderungen erhalten, die Abtreibungen befürworten.

Max Primorac von der Heritage Foundation: „Die Biden-Administration hat die Agentur USAID (die für die Entwicklungszusammenarbeit zuständig ist, Anm. Ulli Jentsch) deformiert, indem sie sie benutzt hat als globale Plattform zur Verfolgung einer spaltenden politischen und kulturellen Agenda in Übersee, die Abtreibung, Klimaextremismus, Gender-Radikalismus und Interventionen gegen vermeintlichen systematischen Rassismus fördert.“ Die Ausrichtung und die millionenschwere Ausstattung der Entwicklungszusammenarbeit, auch auf der Ebene der UN, stehen vor scharfen Einschnitten.

Auf den internationalen Konferenzen der Globalen Rechten sind gleichlautende Klagen über die progressive Ausrichtung der NGOs und der transnationalen Institutionen bereits seit vielen Jahren zu hören – und werden in konkrete Forderungen an die Regierenden übertragen. So betonte im Dezember 2024 Valerie Huber, Präsidentin des Institute for Women’s Health aus den USA, auf einer Versammlung in Madrid, dass sich der designierte US-Präsident Trump ihr gegenüber bereits dazu bekannt habe, die „Genova Consensus Declaration“ wiedereinzusetzen, die sich gegen das Recht auf Abtreibung ausspricht. Dieses Ziel hat auch das auf dieser Konferenz verabschiedete „Madrid Commitment“. Die Unterzeichnenden verpflichten sich darin, alles zu tun, damit ihre Regierungen die „Geneva Consensus Declaration“ in ihren Ländern umsetzen. Das Dokument wurde angeblich von 300 Personen unterschrieben.

Wackelnde Solidarität

Auf vielen Konferenzen der Globalen Rechten in den letzten Jahren, ob in Amerika oder Europa, war die Heritage Foundation vertreten: mit Referent:innen auf Podien oder als finanzstarke Unterstützerin der Veranstaltungen. Die Liste ihrer Kontakte und damit auch der Kanäle, über die sie ihre Ideen in die internationale Rechte weitergeben, ist lang. Sie reicht von den einschlägigen Orbán-nahen ungarischen Instituten, der spanischen VOX-nahen Fundación Disenso bis hin zur CDU und CSU. Auf diese Weise wird durch die Arbeit der Heritage Foundation ein Diskursraum geschaffen, in dem jene Strategien diskutiert und für die Regierungspolitik vorbereitet werden, die eine feministische, Gender-affirmative und an Menschenrechten orientierte internationale Zusammenarbeit angreifen und zurückdrängen sollen. Daran sind christlich-fundamentalistische Organisationen aus den USA aber auch weltweite Zusammenschlüsse rechts-konservativer Parteien beteiligt, insgesamt Dutzende Stiftungen, Institute und Privatorganisationen.

„‚Project 2025‘ ist der Höhepunkt einer jahrzehntelangen transnationalen Organisierung durch Anti-Gender-Bewegungen“, so die präzise Einschätzung von Ipas. Als die erste Trump-Regierung begann, NGOs in der Entwicklungszusammenarbeit finanziell auszutrocknen, gab es eine Welle von Unterstützung anderer Regierungen. Doch die wachsende Zahl der Regierungsbeteiligungen von Rechtsaußen-Parteien, auch in Europa, macht eine nochmalige Solidarisierung aus dieser Richtung zumindest unsicher. Bereits im vergangenen Jahr haben einige Regierungen ihrerseits Kürzungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit verkündet. Mit Trumps Amtsantritt und dem Aufschwung rechter Positionen weltweit werden sich progressive Akteure darauf einstellen müssen, dass sowohl die finanziellen als auch die rechtlichen und ethischen Grundlagen ihrer Arbeit weiter und drastischer angegriffen werden. Auf lokaler und nationaler Ebene sowie international sind die Grundlagen menschenrechtsorientierter Arbeit in Gefahr.

Ulli Jentsch

Ulli Jentsch ist Journalist und Researcher. Seit Jahrzehnten ist er in der antifaschistischen internationalen Zusammenarbeit aktiv, in deren Zentrum aktuell die europäischen und globalen Beziehungen und Strategien der AfD stehen.


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