Das Recht zu gehen, anzukommen und zu bleiben
Mit der Zustimmung des Europäischen Parlaments zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) im April 2024 ist ein gefährlicher Trend zur systematischen Entrechtung festgeschrieben worden. Die Aufrüstung des Grenzschutzes geht Hand in Hand mit der Bekämpfung sogenannter Schleuser. Asylsuchende, auch Kinder, sollen überall an den EU-Außengrenzen in abgeschotteten Lagerkomplexen inhaftiert werden. Geflüchtete, die aus Ländern kommen, deren durchschnittliche Asylanerkennungsrate bei unter 20 Prozent liegt, werden von der Inanspruchnahme geltenden Rechts ausgeschlossen. Das Recht auf Prüfung des individuellen Asylanspruchs eines Menschen ist abgeschafft. Im Rahmen der GEAS-Krisenverordnung können Grundrechte vollständig ausgehebelt werden: Argumentiert eine Regierung, dass Fliehende an ihrer Landesgrenze von einem anderen Staat „instrumentalisiert“ werden, können sie im Schnellverfahren ausgewiesen werden. Dabei ist es die europäische Politik, die das Thema Migration gegenüber anderen Ländern instrumentalisiert, indem sie Entwicklungshilfegelder an den Kampf gegen die „irreguläre Migration“ knüpft.
Beistand ermöglichen
Unsere Partnerorganisationen stellen sich dieser Erosion des Rechts und der Kriminalisierung der Migration entgegen. Vielerorts entlang der EU-Außengrenzen leisten Aktivist:innen, Anwält:innen und selbstorganisierte Gruppen Hilfe für Menschen auf der Flucht. Mit dem Aufbau von Solidaritätsnetzwerken und Hilfsstrukturen setzen sie sich ein für das Recht zu gehen, anzukommen und zu bleiben. Einige Beispiele: Die Helsinki Foundation for Human Rights kämpft gegen gewaltsame Pushbacks und die Kriminalisierung von Helfer:innen an der polnisch-belarussischen Grenze. An der türkisch-iranischen Grenze setzt sich die Organisation Ortakça für das Recht auf Flucht aus Afghanistan und dem Iran ein, während unsere Partner:innen vom Alarmphone Sahara in Niger Migrant:innen in der Wüste vor dem Verdursten bewahren. Nachdem im Juni 2023 fast 600 Menschen von einem Flüchtlingsboot, das vor der griechischen Hafenstadt Pylos von der Küstenwache zum Kentern gebracht wurde, umkamen, streiten unsere Partner:innen vom Legal Centre Lesvos für den Freispruch von neun Überlebenden, die unter dem Vorwurf der Schleuserei angeklagt sind. Pylos ist kein Einzelfall: 2022 saßen in Griechenland über 2.000 Migrant:innen wegen des gleichen Vorwurfs im Gefängnis. Wie unsere Partnerorganisation borderline-europe mit der Auswertung von 81 aktuellen Verfahren zeigen konnte, dauert ein durchschnittlicher Gerichtsprozess gegen diese Menschen 37 Minuten. Das Urteil sieht im Schnitt eine Haftdauer von 46 Jahren vor.
Wenn das Recht und der Schutz von Menschen auf der Flucht so eklatant untergraben werden, wird Beistand lebenswichtig. Deshalb ruft medico international im Sommer den Fonds für Bewegungsfreiheit ins Leben, der von Kriminalisierung betroffene Geflüchtete und Netzwerke der Solidarität vor Gericht unterstützt. An der Seite der Betroffenen verteidigen wir das Recht auf Bewegungsfreiheit.