Gaza

Ununterbrochen im Einsatz

06.05.2024   Lesezeit: 3 min

Die gesundheitliche Lage im Gazastreifen verschlechtert sich durch Blockade und Bombardierung rapide. Wie arbeiten unsere Partner:innen der Palestinian Medical Relief Society unter diesen Bedingungen?

Von Riad Othman

Die Palestinian Medical Relief Society (PMRS) arbeitete mit Unterstützung von Medico International jahrelang daran, die Versorgung einer stetig wachsenden, aber stark vernachlässigten Gruppe von Patient:innen zu verbessern: Menschen in Gaza mit nicht übertragbaren Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck. Das Gesundheitswesen in Gaza war stets dem Kollaps nahe. Gründe dafür waren die jahrelange Abriegelung durch Israel, die chronische Fiskalkrise der Palästinensischen Autonomiebehörde und die Weigerung der Hamas, sich an den Kosten zu beteiligen. Menschen mit nicht übertragbaren Krankheiten hatten daher wenige Möglichkeiten, sich gut und vor allem frühzeitig im öffentlichen Sektor behandeln zu lassen. Für deutlich teurere Privatkliniken fehlte den meisten das Geld.

Das Labor des Zentrums der PMRS bot mit seinen in Gaza einzigartigen Diagnosekapazitäten einem Patientenkreis weit über jene mit chronischen Erkrankungen hinaus wertvolle und bezahlbare Dienstleistungen. Mittellose Familien hatten immer die Möglichkeit, vergünstigte Angebote und sogar kostenfreie Leistungen zu erhalten. Das war die Situation vor dem 7. Oktober 2023, in der PMRS versuchte – auch mit Unterstützung der Bundesregierung –, die Lücke zumindest etwas zu schließen und den Verlust der Lebensqualität durch chronische Krankheiten zu verhindern.

Nach dem israelischen Einmarsch schaltete die Organisation wie schon bei früheren Kriegen in den Nothilfemodus. Aus dem PMRS-Zentrum heraus wurde medizinische Nothilfe geleistet: Als Basisgesundheitsorganisation half die PMRS in den ersten Tagen bei der Erstversorgung Verwundeter und transportierte sie mit ihren Ambulanzen je nach Erreichbarkeit in umliegende Krankenhäuser, darunter das Shifa-Hospital, das größte des Gazastreifens, das nun zerstört ist. PMRS-Helfer:innen richteten dezentral sogenannte Pop-up-Kliniken ein, um eine sofortige Versorgung akut Kranker und Verletzter zu gewährleisten. Da sich immer weniger chronisch kranke Patient:innen in das Zentrum trauten oder den Weg dorthin körperlich nicht bewältigen konnten, intensivierten Ärzt:innen und Pflegepersonal außerdem die Betreuung durch Hausbesuche. Denn auch wenn die Gewalt rundherum eskaliert, werden Menschen weiter krank, chronische Patient:innen benötigen weiter Medikamente und ärztliche Fürsorge.

Nachdem ein großer Teil der rund 160 PMRS-Mitarbeiter:innen in die Flucht gezwungen worden ist, befinden sich viele von ihnen in Rafah, Deir Al-Balah und Khan Younis. Rafah an der Grenze zu Ägypten war von ursprünglich 300 000 Einwohner:innen zwischenzeitlich auf fast 1,5 Millionen Menschen angewachsen. Der Stadt droht zusätzlich zu den monatelangen Bombardierungen eine Bodenoffensive. Anders als im Norden Gazas kam in Rafah bisher aber immer noch mehr Hilfe an. Dieser Umstand erklärt auch die Tatsache, dass in Rafah nur fünf Prozent der 6 bis 23 Monate alten Kinder akut unterernährt sind, während das Global Nutrition Cluster im Februar 2024 für den Norden Gazas mehr als dreimal so viele angab.

Fliehen musste auch Bassam Zaqout, der in der Ukraine studiert hat und nun mit seiner Familie in einer Notunterkunft mit mehreren Zehntausend Menschen lebt. Zaqout koordiniert die mobilen medizinischen Teams der PMRS, die an mehr als 50 Zufluchtsorten, vom Norden bis in die im Süden entstandenen Zeltstädte, Menschen medizinisch mit dem Allernötigsten versorgen. »Falls wir gezwungen sein sollten, als Flüchtlinge in Ägypten zu leben, deponiere ich meinen Autoschlüssel für dich«, scherzte Zaqout mit dem medico-Büroleiter für Palästina und Israel, Chris Whitman, in einem ihrer Gespräche. »Du darfst es dann benutzen, wenn hier alles vorbei ist und du mal wieder nach Gaza kommst.«

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Riad Othman

Riad Othman arbeitet seit 2016 als Nahostreferent für medico international von Berlin aus. Davor war er medico-Büroleiter für Israel und Palästina.

Twitter: @othman_riad


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