Das Zufluchtshaus für junge Frauen in Notsituationen

Kampf an zwei Fronten: Women Against Violence

08.09.2011   Lesezeit: 3 min

In ihrem Kampf um die Verbesserung der Situation arabischer Frauen in Israel kämpfen die Frauen gegen Gewalt (Women against Violence, WAV) an zwei Fronten: Auf der einen Seite gegen die Vormacht der Männer innerhalb der arabisch-palästinensischen Minderheit in Israel, auf der anderen gegen die Ausgrenzung der arabisch-palästinensischen Minderheit durch die jüdische Mehrheit.

Manche sehen darin einen Widerspruch. Der Feminismus würde nicht nur arabische Traditionen verletzen, sondern den Zusammenhalt unter den Palästinensern schwächen. WAV ist aber davon überzeugt, dass beide Kämpfe miteinander verzahnt sind: Starke Frauen seien nur förderlich für einen erfolgreichen Kampf der arabischen Minderheit um Gleichberechtigung. Und umgekehrt: Der Kampf gegen ethnische Ausgrenzung bedeutet auch, für Frauenrechte zu kämpfen, da die ethnische Ausgrenzung reaktionäre Kräfte innerhalb der arabischen Minderheit stärkt und vor allem die Schwachen in der Gesellschaft trifft.

Die Verzahnung beider Kämpfe erleben die Women against Violence tagtäglich: Etwa 1,5 Millionen Menschen in Israel gehören der arabisch-palästinensischen Minderheit an. Im Gegensatz zu den Palästinensern in den besetzten Gebieten, also im Gazastreifen und in der Westbank, leben diese nicht unter Besatzung, sondern in Israel selber und besitzen die israelische Staatsbürgerschaft seit der Gründung Israels 1948. Doch die israelische Regierung lässt bewusst kein urbanes arabisches Zentrum in Israel oder gar eine arabische Universität entstehen. Dadurch werden tradierte Dorfstrukturen durch den Staat zementiert. Eine Studie der WAV weist nach, dass nicht die tradierten Geschlechterrollen, sondern vor allem die sozioökonomischen Folgen der ethnischen Ausgrenzung, darunter die fehlende urbane Mitte, dazu führen, dass arabische Frauen regelrecht in die Küche zurückgedrängt werden.

Hier setzt WAV an: Die 1993 gegründete Organisation mit Sitz in Nazareth versteht sich als feministische Initiative, die den öffentlichen Dialog um Frauenrechte und Lebensperspektiven von Frauen innerhalb der arabisch-palästinensischen Minderheit in Israel fördern will und gezielt gegen Diskriminierungen und legale und soziale Ungleichheit von Frauen vorgeht. Sie setzen gezielt bei den Schwächsten an.

Etwa bei Frauen aus innerfamiliären Gewaltverhältnissen. Diese lassen sich in die vorhandenen Strukturen, in denen die (erweiterte) Familie die soziale Institution darstellt, nur schwer integrieren, wenn sie ihren ganzen Mut aufgebracht haben, ihre Ehemänner zu verlassen. WAV gründete deshalb das erste Frauenhaus für arabische Frauen im Nahen Osten auf und in einem weiteren Schritt das Halfway House. Dieses bietet als einzige Institution in Israel (und in der arabischen Welt) speziell jungen palästinensischen Israelinnen im Alter von 18-25, die aus inner-familiären Gewaltverhältnissen flüchten oder ausgestoßen werden, einen vorübergehenden Zufluchtsort. Hier können sie anfangen, ein neues Leben aufzubauen. Geschützt.

Bis zu einem Jahr lang werden hier die jungen Frauen vom Fachpersonal psychologisch und sozial betreut, und ein Freiwilligennetz gibt den jungen Frauen den notwendigen gesellschaftlichen Rückhalt, damit sie während ihres Aufenthalts im Halfway House eine eigenständige Perspektive aufbauen. Von den Bewohnerinnen wird deshalb erwartet, dass sie Verantwortung für sich übernehmen, jene klaren Grenzen akzeptieren, die die Hausregeln ihnen auferlegen, und dass sie bereit sind, aktiv ein neues Leben aufzubauen. Die jungen Frauen bilden sich weiter, suchen nach Arbeit und lernen, wie ein Haushalt – auch finanziell – geführt wird. WAV stellt Bildung immer entschiedener in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Nur diese bietet den jungen Frauen, die häufig aus Familien mit Bildungsdefiziten kommen, die Möglichkeit, ein unabhängiges Leben zu führen und den Hindernissen zu begegnen, die ihnen eine stark auf die Familie ausgerichtete Gesellschaft, die alleinstehende oder verstoßene Frauen ablehnt, in den Weg stellt.

Projektstichwort

Medico fördert die Arbeit im Halfway House und unterstützt die Frauen gegen Gewalt in ihrem Zweifrontenkampf gegen die Vormacht der Männer innerhalb der arabisch-palästinensischen Minderheit in Israel und gegen die Ausgrenzung der arabisch-palästinensischen Bevölkerung durch die jüdische Mehrheit. Spenden Sie unter dem Stichwort: Israel-Palästina


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