Fatal Transactions – Der Erfolg eines internationalen Netzwerkes
Der Kampf um das tägliche Überleben im afrikanischen Kriegsalltag ist kein »sexy issue«. Nur selten werden die Geschehnisse in Angola oder in der Demokratischen Republik Kongo zu einer Meldung in deutschen Medien. Die Folge: Die Erkenntnisse über die Ursachen und Auswirkungen bewaffneter afrikanischer Konflikte haben regelrecht den Status einer Geheimwissenschaft. Der einzige positive Effekt dabei ist, dass die wenigen, die trotz der medialen Ignoranz an dem Thema festhalten, eng zusammenarbeiten und sich im regelmäßigen Austausch befinden. Angola ist eines jener vergessenen Länder. In der angolanischen Provinzhauptstadt Luena fördert medico seit 1999 ein integratives Rehabilitationsprojekt für Minenopfer. Dieses Projekt wurde in enger Kooperation mit anderen Hilfsorganisationen realisiert und die Arbeit vor Ort stand von Beginn an im Kontext der internationalen Kampagne zum Verbot von Landminen. Hilfe zu leisten und dabei immer auch die Ursachen von Krieg und Gewalt zu benennen ist ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. Die Projekt- und Kampagnenarbeit sind eng verbunden und ein Beitrag zur Parteinahme für die Opfer.
Subversive Informationen
In Angola wurde der lange Krieg und damit auch die Verlegung von Landminen aus dem Erlös des Öl- und Diamantenhandels finanziert. Das ist schon länger bekannt. Weniger bekannt waren die internationalen Akteure, die mit den kriegszerrütteten Ländern Afrikas Handel treiben und damit dazu beitragen, dass der Nachschub an Waffen sichergestellt wird. Als die britische Researcher-Organisation global witness 1999 einen Report über die Verflechtung des internationalen Diamantenhandels mit der Kriegsfinanzierung Afrikas veröffentlichte, verbreitete sich das Papier in der beschriebenen »Geheimgesellschaft« wie ein Lauffeuer. Die Studie wies nach, dass internationale Diamantenkonzerne, allen voran der Diamantenmonopolist De Beers, mit der angolanischen Rebellenorganisation UNITA Geschäfte gemacht haben. Wir beschlossen, mit den Autoren der Studie und weiteren europäischen Organisationen wie dem Netherland Institute on Southern Africa (NIZA) und dem belgischen IPIS-Institut über die Gründung einer Kampagne nachzudenken. Die Notwendigkeit des Handelns lag auf der Hand. In der europäischen Öffentlichkeit war kaum etwas bekannt über Konfliktdiamanten und ohne öffentlichen Druck bestand keine Chance, dass die Industrie das bereits 1998 in Kraft getretene UN-Embargo gegen den Diamantenhandel einhalten würde. Fatal Transactions tauften wir die Kampagne, die über die politischen und ökonomischen Hintergründe von Kriegen in Afrika und die illegale Ressourcenausbeutung informieren sollte. Ziel war es, ein effektives Kontrollsystem zu implementieren, dass dazu beiträgt, dass Kriege nicht mehr über den Handel mit Rohstoffen finanziert werden und die Reichtümer der Länder gerechter verteilt werden.
Soweit die Planung. Als die Kampagne Fatal Transactions im Herbst 1999 europaweit lanciert wurde, war die Aufregung bei der Diamantenindustrie groß. Die Pressesprecherin von De Beers rief umgehend bei medico an und versicherte, dass der Konzern sich aus Angola und weiteren Kriegsregionen zurückziehen würde. Nie zuvor hatte die Industrie so schnell das Gespräch gesucht. In der Branche breitete sich Panik aus. Diamanten sind das Symbol für ewige Liebe. An diesem Bild hatte die Industrie jahrelang mit aufwendigen Werbekampagnen gefeilt. Nun drohten Negativ-Schlagzeilen ungeahnten Ausmaßes. Börsenspezialisten rieten wegen der drohenden Kampagne sogar zum Verkauf von De Beers-Aktien!
Öffentlichkeit sichert Handlungsräume
Durch öffentliche Aktionen in vielen europäischen Städten und Lobbyarbeit übte Fatal Transactions Druck auf die Diamantenindustrie und die am Handel beteiligten Regierungen aus. Mehrere tausend Menschen forderten auf dem Kirchentag 2000 ein Verbot des Handels mit Konfliktdiamanten. Bücher, Filme und Ausstellungen entstanden in verschiedenen europäischen und afrikanischen Ländern. In England wurden flächendeckend konfliktfreie Klunker an Juweliere und die Presse verschickt. Mutige afrikanische Journalisten und Aktivisten wie Mario Paiva aus Angola und Abu Brima aus Sierra Leone versorgten uns in Europa mit Infos über die Diamantenkriege, über Kinderarbeit in den Minen und Vertreibungen. In den Diamantenregionen Sierra Leones unterstützt Abu Brima nach dem Ende des Krieges die Minenarbeiter in ihrem Kampf um die Einführung arbeitsrechtlicher Standards und von Mindestlöhnen. Sein Überleben verdankt Abu Brima nach eigenen Angaben auch den zahlreichen Interviews, die er westlichen Medien über die Fron in den Diamantenclaims gab – kritische Öffentlichkeit in Europa kann auch direkt »vor Ort« wirken. Nach vier Jahren hat sich die Diamantenindustrie im sog. »Kimberley-Abkommen« verpflichtet, in Zukunft keine Konfliktdiamanten mehr zu handeln. In Angola hat der Rückgang des Handels mit Konfliktdiamanten maßgeblich zum Ende des Krieges im Jahr 2002 beigetragen.
Auch wenn wichtige Ziele der Kampagne noch nicht erreicht werden konnten – solange den Händlern, die weiterhin mit Konfliktdiamanten Handel treiben, keine ernstzunehmenden Strafen drohen, bleibt die Selbstregulierung ein zahnloser Tiger und auch die Eigentumsverhältnisse haben sich nicht entscheidend verbessert – ist mit der Kampagne Fatal Transactions ein Netzwerk entstanden, dass erst durch die internationale Dimension handlungsfähig werden konnte und so vieles erreichen konnte. Und weitere Rohstoffe warten: Öl, Coltan und Tropenholz.
Anne Jung