Während die israelische Regierung gegenüber dem Engagement von Menschenrechtlern in den besetzten Gebieten stets eine ambivalente Haltung einnahm, konnten ihre Kollegen in Israel bis vor kurzem relativ ungehindert arbeiten. Die Redefreiheit war gewährleistet, und der medico-Partner Ärzte für Menschenrechte – Israel (PHR) konnte auf professioneller Ebene mit Armee- und Regierungsstellen kommunizieren und nötigenfalls über dafür vorgesehene Kanäle Anliegen palästinensischer Einwohner vortragen.
Doch seit den israelischen Angriffen auf den Gazastreifen um die Jahreswende 2008/09 stellt die israelische Regierung die Legitimität von Menschenrechtsorganisationen immer stärker in Frage. Ein Mitarbeiter der PHR wurde durch die Geheimdienste verhört und gewarnt, sich „politischer Aktivitäten“ zu Gaza zu enthalten. Mitglieder einer Kriegsdienstverweigererorganisation wurden verhaftet. Die Regierung eröffnete eine öffentliche Kampagne gegen den medico-Partner Breaking the Silence, der Zeugnisse israelischer Soldaten über die Operation ‚Gegossenes Blei’ veröffentlichte. Und die Kontakte, über die PHR mit den Behörden kommunizierte, funktionieren immer seltener.
Einschränkung des eigenen Universalprinzips
Die Versuche, den Spielraum israelischer Menschenrechtler einzuschränken, kulminieren aktuell in zwei Gesetzesinitiativen. Die erste sieht die Aberkennung der Steuerfreiheit für Organisationen vor, die sich für gesellschaftliche und politische Veränderungen engagieren. Diese müssten sich als politische Organisation anmelden und die Liste ihrer Mitglieder an die Behörden weitergeben. Die zweite wendet sich speziell gegen israelische Organisationen, die vor der Goldstone-Kommission Zeugnis ablegten. Jede Aktion, die dazu führen könnte, dass Militärs oder Staatsvertreter internationalen Gerichtsverfahren ausgesetzt werden, soll künftig bestraft werden. „Damit könnten wir etwa vor künftigen UN-Kommissionen nicht mehr auftreten, ihnen nicht einmal Informationen zukommen lassen“, sagt Hadas Ziv, Geschäftsführerin der PHR. Dabei sei Israel eine führende Kraft hinter dem ‚Universalprinzip’ gewesen, damit nationalsozialistische Verbrecher weltweit verfolgt werden können.
Beide Gesetzesentwürfe stammen von Kadima, also der Partei, die im westlichen Ausland stets als Alternative zu Netanjahus Rechtsaußenregierung gepriesen wird. „Deshalb sind diese Vorhaben so gefährlich. Ihr Ziel, die Delegitimierung von Organisationen wie amnesty oder PHR, kommt aus der Mitte unserer Gesellschaft.“ Das, was die Parlamentarier tun, entsteht nicht im luftleeren Raum. So textete Amir Benayun, einer der erfolgreichsten israelischen Sänger: „Ich bin Dein Bruder, ich schreite fort, mein Rücken Dir stets zugewandt – und Du wetzt das Messer“. Im Stil eines jüdischen Gebets, wurde das Lied tausendfach in Synagogen verteilt, um gegen kritische innerisraelische Stimmen zu polemisieren. Den Adressat musste er kaum nennen.
Ein jeder wusste, von welcher fünften Kolonne er sang. „Die Welt sympathisiert mit den Palästinensern, lässt ihnen aber nur humanitäre Hilfe zukommen“, sagt Hadas. „Für die Israelis hat die Welt immer weniger Empathie. Folglich nimmt sich Israel als eine Gesellschaft unter Belagerung wahr, die jede Abweichung vom Konsens als Verrat versteht. Gleichzeitig blüht die Wirtschaft und das Land konnte der OECD beitreten. Israel glaubt daher keine konkreten Schritte unternehmen zu müssen, um die Isolation zu überwinden. Aber für das Ende der Besatzung benötigen wir ein klares Signal: Ein wenig mehr Empathie bei gleichzeitigem Druck.“
Projektstichwort:
Einsamkeit im eigenen Land, so charakterisierten die mutigen Ärzte für Menschenrechte aus Tel Aviv (PHR) oftmals ihre Arbeit. Dennoch ist ihr Engagement für die Gesundheitsversorgung, die Menschen- und Bürgerrechte aller Menschen in Israel und Palästina bereits jetzt ein Moment gelebter Zukunft in einem Nahen Osten jenseits der Segregation und der Gewalt. Das Spendenstichwort lautet: Israel-Palästina.