von Katja Maurer
Liebe Leserinnen und Leser,
spätestens wenn Hilfsorganisationen statt des sozialen Wiederaufbaus den Einsatz von Sicherheitsteams fordern, stellt sich die Frage, wessen sich wohl noch der Sicherheitsdiskurs bemächtigt, der uns allenthalben entgegenschallt. In einer zunehmend entsicherten Gesellschaft kann man mit der Sicherheitsverheißung, bestehend aus Videokameras, privatisierten Wachdiensten und gefüllten Gefängnissen, nicht nur Wahlen gewinnen. Die Suggestion siegt über die Realität und eine alte Ideologie in neuem Gewand überzeugt uns davon, dass die Bedrohung von außen kommt und nur durch Ausschluss zu bekämpfen ist. Diese sich selbst erfüllende Prophezeiung, die mit den »Sicherheitsmaßnahmen« auch die vermeintlichen Täter produziert, findet ihren Niederschlag in der Absurdität des sog. Präemptiv-Schlages. Vor den Toren des südafrikanischen Cape Town liegt der Entwurf der »brave new world«, an dem schon keiner seiner Insassen mehr Anstoß nimmt. Nur durch eine Ausfallstraße getrennt liegen sich ein mit hohen Mauern blickdicht umgebenes Areal der wohlhabenden Mittelschicht mit Swimmingpool und Golfplatz und das ebenfalls streng gesicherte und eingemauerte größte Gefängnis der Stadt gegenüber. Wer hindurch fährt sieht nur Mauern auf beiden Seiten. Sinnfälliger lässt sich das, was der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer das »Sicherheitsparadox« nennt, kaum beschreiben. Das Sicherheitsparadox, so Heitmeyer, bestünde darin, dass »mit dem Aufbau von neuen Sicherheitsagenturen immer mehr Sicherheitslücken entdeckt werden«. Der Effekt könne sein, dass »nicht mehr Sicherheit entsteht, sondern Freiheit verringert und Eskalation befördert wird«. Beispiele dazu finden sich in diesem Heft. Dazu gehört auch, dass die vermeintliche oder tatsächliche Sicherheit des einen auf Kosten der Sicherheit des anderen geht, und dass dies zur globalen Norm zu werden droht. Wie anders will man das Beispiel Afghanistan lesen, wo unsere Partnerorganisationen heute den größten Sicherheitsverlust der vergangenen 10 Jahre zu erleiden haben? In den neueren entwicklungspolitischen Diskussionen haben findige Denker versucht, der Allgegenwart des staatlichen Sicherheitsbegriffs ein gesellschaftliches Verständnis subversiv entgegenzusetzen und den Begriff der »human security«, der menschlichen Sicherheit, entwickelt. Das Konzept buchstabiert menschliche Sicherheit nicht als staatliches Gewalt- und Herrschaftsinstrument, sondern als Frage der sozialen und ökonomischen Entwicklung. So weit, so gut. Nur, wer human security im Internet googelt, wird umstandslos an die Kleinwaffenkampagne verwiesen. Gegen sie polemisiert Peter Lock im Heft, weil er in ihr eher ein Instrument der Herrschaftssicherung denn der Sicherheit vermutet. In Abkehr vom Sicherheitsbegriff wenden wir uns den nicht weniger umkämpften Menschenrechten zu. Sie sind gerade in den Auseinandersetzungen darum, dass soziale Konflikte immer sicherheitstechnisch, also herrschaftssichernd wahrgenommen werden, in ihrer zivilen wie sozialen Dimension von zunehmender Bedeutung. Worauf das beispielsweise hinauslaufen könnte, hat die brasilianische Regierung vorgemacht. Sie ernannte einen Berichterstatter für das Menschenrecht auf Nahrung, Wasser und Land.
Herzlichst Ihre Katja Maurer