Die gemeindeorientierte Basisinitiative „The Culture and Free Thought Association“ (CFTA) wurde 1991 gegründet. Die Frauenorganisation betreibt im südlichen Gazastreifen sechs Zentren: Zwei für Kinder, eins für Teenager, ein Kulturzentrum für Kinder, die ihrerseits Interesse an Gemeindearbeit mit Jugendlichen und Kindern haben, ein Frauengesundheitszentrum und ein Kreditzentrum für Frauen.
CFTA wird von medico gefördert und hat 65 MitarbeiterInnen, die in den Bereichen Gemeindearbeit, Gesundheit, Soziales, psychologische Arbeit, Kunst und Administration tätig sind. Für Leistungen werden Gebühren erhoben, doch werden diese für 40% der Klienten erlassen. CFTA ist eine Ausnahmeerscheinung im Gazastreifen, versinnbildlicht durch Majeda Al-Saqqa, einer weltoffenen Frau, die ihr kurz geschnittenes Haar offen ohne jede Form von Verschleierung trägt.
Die Arbeit ihrer Initiative stößt nicht immer auf Gegenliebe: 2003 wurde bei einer Freitagspredigt gegen CFTA gehetzt, 2005 gab es einen Brandanschlag einer salafitischen Gruppe auf eine CFTA-Bücherei. 2006 schloss eine örtliche Hamaszelle für kurze Zeit den Kindergarten. Im Februar 2009, kurz nach Ende des Krieges, gab es einen erneuten Angriff von Maskierten auf einen Spielplatz von Mädchen und Jungen im CFTA-Gemeindezentrum in Rafah.
Insgesamt berichtet CFTA von einer Zunahme der Einschüchterungsversuche, seitdem die Hamas die Macht übernommen hat. Da CFTA jedoch im Gazastreifen fest etabliert ist, konnten sie bislang gut weiterarbeiten. So war CFTA in der Lage, mit dem örtlichen religiösen Führer ins Gespräch zu kommen, und der genannte Kindergarten konnte wieder geöffnet werden. Ein Dialog mit dem Hamas nahen Imam der Moschee führte dazu, dass dessen Tochter die Rechtsberatung des Zentrums frequentiert.
Das Frauengesundheitszentrum wurde 1995 gegründet und befindet sich in Flüchtlingslager Al Bureij, etwa fünf Kilometer südlich von Gaza-Stadt im Zentrum des Gazastreifens und in unmittelbarer Nähe zu anderen Flüchtlingslagern. Heute leben in dem eigentlichen Lagerkomplex ca. 30.000 Personen, dazu nochmals 10.000 im unmittelbaren Umkreis. El Bureij gilt als besonders gewalttätiger Ort für Frauen. Eine Studie einer Frauenorganisation ermittelte im Jahr 2005, dass ca. 30% aller Frauen im Lager unter schwerer häuslicher Gewalt litten (Prügel, Vergewaltigung in der Ehe).
Viele Männer lassen ihre Frauen nur dann unbegleitet aus dem Haus, wenn diese eine Klinik besuchen. Deshalb ist das Zentrum, das durch einen relativ hohen Zaun schwer einsehbar und von fremden Blicken geschützt ist, bewusst als gemeindeorientierte Klinik konzipiert: So können die 600 Besucherinnen, die das Zentrum monatlich nutzen, ungestört verschiedenste Kurse und Angebote wahrnehmen: Schmink- und Körperpflege, Fitnessstudio, eine beliebte Sauna, Rechtsberatung (CFTA beschäftigt die einzige Anwältin in Gaza am Gerichtshof), wechselnde Kurse (Tanz, Handarbeit, Singen) und Workshops. Die Klinik selbst bietet Geburtsberatungen, einen Frauenarzt, Psychotherapie, ein Labor für Diabetes, AIDS-Tests und eine Apotheke.
medico unterstützt die CFTA-Brustkrebskampagne. Im Gazastreifen ist das Bewusstsein für Brustkrebs und für die Möglichkeiten, ihn frühzeitig zu erkennen, gering. Es gibt zwar rudimentäre Behandlungsmöglichkeiten für Brustkrebs im Shifa–Krankenhaus, doch diese müssten ausgebaut werden. Die aktuelle Kampagne zielt darauf Brustkrebs Ernst zu nehmen und Behandlungsmöglichkeiten in Gaza anzubieten. Das soll erreicht werden durch Gesundheitsaufklärung, Vorsorgeuntersuchungen auf Brustkrebs und Netzwerken mit anderen Gesundheitsinitiativen.
Die Frauen von Al Bureij nennen das vielfältige Angebot in der alten UNWRA-Schule des Lagers schlicht den „Himmel“, sagt Majeda Al-Saqqa. Sie widerspricht auch der oft genannten These, dass die steigende Frustration innerhalb der palästinensischen Gesellschaft angesichts der steten israelischen Dominanz die Ursache für die steigende Gewalt innerhalb der palästinensischen Familien ist: „Das ist eine Sache der Machtübernahme und des Machterhalts. Es ist ein Problem, das bereits vor dem jüngsten Krieg in Gaza und der letzten Intifada existierte: Die innerfamiliären Verhältnisse werden dramatischer, weil die aktuelle politische Krise alles dominiert und immer weniger Leute bereit sind über die Probleme in unserer Gesellschaft, unsere eigenen Probleme zu reden.“
Projektstichwort
medico förderte die Arbeit seiner Partnerorganisation „The Culture and Free Thought Association“ (CFTA) im Gazastreifen bisher mit 10.000 Euro. Dies wollen wir auch zukünftig fortsetzen. Spenden Sie unter dem Stichwort: Israel-Palästina