Schlaglichter von der People's Health Assembly in Cuenca (Ecuador)
Vom 17.-22. Juli 2005 versammelten sich im ecuadorianischen Cuenca fast 1.300 Menschen zur zweiten Versammlung des People's Health Movement (PHM). Fünf Jahre nach dem Gründungstreffen in Savar, Bangladesh. Dort war die große Organisation Gonoshasthaya Kendra Gastgeberin gewesen. Die Basisgesundheitsorganisation hat in den 30 Jahren ihres Bestehens nicht nur eine funktionierende Generika-Medikamenten-Produktion aufgebaut, sondern auch ein Ausbildungszentrum und ein Netz von Basisgesundheitsinitiativen. In Cuenca logierte die Versammlung in der medizinischen Fakultät der Universität. Das war eine Brücke zur People's Health University, die eine Woche vor Beginn der Versammlung stattgefunden hatte, und einen Versuch alternativer globaler Wissensvermittlung darstellte.
Während des Treffens gab es intensive Diskussionen darüber, wie eine globale Kampagne für das Recht aller auf Gesundheitsversorgung geführt werden könne. In Indien steht dieses Recht bereits in der Verfassung. Nun betreibt das indische PHM mit beachtlichem Erfolg eine Kampagne, diese Rechtsgarantie auch durchzusetzen. Von der lokalen bis hin zur bundesstaatlichen und nationalen Ebene gibt es Demonstrationen, Untersuchungen über verweigerte Behandlungen von Armen, Anhörungen, Tribunale, Einzelfallpräsentationen gegenüber dem Menschrechtsbeauftragten der regionalen Regierungen etc. Die indischen Organisationen schlugen vor, ihre Kampagne zu internationalisieren. Überraschend in Cuenca waren die neuen, sehr unterschiedlichen regionalen Netze des PHM. Etwa das wachsende PHM Australien. In Australien wird die Bewegung getragen von den "Aboriginal Community Controlled Health Services", unterstützt von fortschrittlichen Akademikern. Auch in den USA ist das PHM aktiv. Dazu gehört zum Beispiel die "Poor People's Economic Human Rights Campaign", die von der "Kensington Welfare Rights Union" angeschoben wurde: eine Selbstorganisierung von Armen und Obdachlosen aus Philadelphia. Für sie steht die Unterstützung von Menschen ohne Krankenversicherung im Mittelpunkt. Dabei handelt es sich nicht allein um "traditionell" marginalisierte Gruppen (indigene, schwarze, hispanics) sondern auch um die "working poor", die Absteiger der US-amerikanischen weißen Mittelschicht, die dem neoliberalen Umbau zum Opfer fielen.
Auch das PHM Iran ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Unter seinem Dach sind Freiräume entstanden. Denn das Motto "Gesundheit für alle" genießt auch bei offiziellen Stellen Unterstützung. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit liegt beim Thema Frauengesundheit. Über Medizin unter Kriegsbedingungen und einen erschreckenden "brain drain" besonderer Art berichteten die erstmals teilnehmenden Doctors of Iraq. Die im Jahre 2003, unmittelbar nach dem Fall der Baath-Diktatur, gegründete junge irakische Ärzteinitiative, zeigte anhand drastischer Zahlen – monatlich mindestens 200 tote Kinder durch Infektionskrankheiten - nicht nur den völligen Kollaps des Gesundheitssystems. Sie verdeutlichte auch, wie Mediziner und Universitätsdozenten von Besatzungstruppen und Aufständischen gleichermaßen attackiert werden. Mehr als 100 Ärzte sowie 180 Akademiker, unter ihnen Medizinprofessoren, Dozenten und Schullehrer, wurden seit der "Befreiung" Bagdads im April 2003 getötet. Tausende sind im Zuge der militärischen Besatzung und des Gegenterrors ins Exil geflohen.
medico beteiligte sich mit insgesamt 20.000 Euro an dem Zustandekommen der Versammlung ebenso wie an der Gesundheitsuniversität, aber auch die Reise von zwei Gesundheitsverantwortlichen der Landlosen-Bewegung in Brasilien (MST) wurde mitfinanziert. Diese kehrten so begeistert zurück, dass nun auch das MST überlegt, Teil des PHM zu werden.
Andreas Wulf