Hilfsorganisationen: „Nahost-Quartett fundamental gescheitert“

Internationaler Bericht zeigt Defizite und Lösungsansätze im Nahost-Friedensprozess

25.09.2008  

Gemeinsame Pressemitteilung von: CAFOD; CARE Deutschland-Luxemburg; CARE France; CARE Nederland; CARE Norge; CARE Ősterreich; CARE International UK; Christian Aid; DanChurchAid; diakonia; Euro Mediterranean Human Rights Network (EMHRN) ; medico international; Medicos del Mundo; Oxfam International; Save the Children Sweden; Save the Children UK; United Civilians for Peace (UCP); World Vision Jerusalem

Hilfsorganisationen: „Nahost-Quartett fundamental gescheitert“ /
Internationaler Bericht zeigt Defizite und Lösungsansätze im Nahost-Friedensprozess

„Das Nahost-Quartett, bestehend aus EU, Russland, UNO und den USA, scheitert. Denn weder wurde das Leben der Palästinenser verbessert noch die Aussicht auf Frieden erhöht.“ Dies erklären CARE Deutschland-Luxemburg, medico international Deutschland und 16 weitere internationale Hilfsorganisationen in einem heute veröffentlichten Bericht. Anlass ist das Treffen des Nahost-Quartetts am Freitag, den 26. September 2008 in New York. Dort werden die Mitglieder des Quartetts die Zukunft des Friedensprozesses diskutieren.

{meqjpg class="links"}

„Der Report zeigt, dass das Nahost-Quartett fundamental daran gescheitert ist, die humanitäre Lage zu verbessern“, sagt Wolfgang Jamann, Hauptgeschäftsführer von CARE Deutschland-Luxemburg. Solange den Empfehlungen des Quartetts nicht „nachhaltiger Druck und entscheidende Begleitmaßnahmen folgen, wird sich die Situation weiter verschlechtern“. Die Zeit dränge. Das Quartett müsse seine Methode radikal ändern. „Und den Menschen in der Region zeigen, dass es dabei helfen kann, einen Umbruch herbei zu führen.“

Die Organisationen warnen in dem Report „The Middle East Quartet: A Progress Report“, dass sich die Lage seit der Annapolis-Konferenz nicht verbessert oder teilweise sogar verschlechtert habe. Auf dieser Konferenz im vergangenen November hat das Nahost-Quartett seine Bemühungen um den Frieden in der Region gestartet.

In folgenden Punkten war das Nahost-Quartett erfolglos:

  • Siedlungen: Das Nahost-Quartett scheiterte darin, die israelischen Behörden für die andauernde Erweiterung der illegalen Siedlungen verantwortlich zu machen. Laut Report sprach das Quartett 18-mal über die Siedlungen. Dennoch beschleunigt sich die Siedlungsexpansion – mit drastischen Folgen für das tägliche Leben der palästinensischen Bevölkerung.
  • Zugang und Bewegungsfreiheit: Das Quartett hatte keinen maßgeblichen Erfolg in seinem Ziel, die Bewegungsfreiheit der Palästinenser in ihrem eigenen Gebiet zu verbessern, so dass diese arbeiten, zur Schule gehen, grundlegende Versorgung erhalten und Waren importieren als auch exportieren können. Die Zahl der Beschränkungen, inklusive Check-Points, Mauer und gesperrter Straßen, erhöhte sich von 561 im November 2007 (Annapolis-Konferenz) auf rund 600 im August 2008.
  • Gaza-Streifen: Trotz Einstellung der Gewalt im Gaza-Streifen war das Nahost-Quartett weder in der Lage, die Blockade aufzuheben noch eine erhebliche Verbesserung der humanitären Situation sicherzustellen. 80 Prozent der Bevölkerung im Gaza-Streifen ist ganz oder teilweise abhängig von Hilfe, viele Nothilfeprojekte sind noch immer ausgesetzt.

Der Report untersucht die Fortschritte von zehn der vom Nahost-Quartett aufgestellten Ziele. Die Ziele beinhalten unter anderem:

  • Israel soll alle Siedlungsaktivitäten einfrieren
  • Dringende Schritte sind notwendig, um Zugang und Bewegungsfreiheit zu verbessern
  • Respektierung des Gewaltverzichts zwischen Hamas und Israel
  • Erhöhung des humanitären und kommerziellen Zugangs durch Übergänge des Gaza-Streifens sowie die sofortige Wiederaufnahme ausgesetzter Projekte der UNO und anderer Geldgeber
  • Fortsetzung der palästinensischen Bemühungen im Kampf gegen den Terrorismus und Umsetzung einer umfassenderen Sicherheitsstrategie

Der Report fand heraus, dass es in fünf von zehn Punkten keine Fortschritte, sondern entweder keine Veränderung oder sogar eine Verschlechterung der Situation gab. Dem zugrunde liegen Daten, die die Hilfsorganisationen vor Ort erhoben haben.

Zwar hat das Quartett seit der Annapolis-Konferenz teilweise Erfolge erzielt: Bei der Unterstützung der palästinensischen Sicherheitsreform, der Sicherung finanzieller Zusagen, Erhöhung der Benzinlieferungen in den Gaza-Streifen sowie Stimulation des Privatsektors. Doch in den dringendsten Bereichen gab es keine Erfolge. Laut Report können diese Verfehlungen eine Bedrohung für den Frieden in der Region bedeuten.

Tsafrir Cohen, Repräsentant der deutschen Hilfsorganisation medico international in Jerusalem, sagt: „Der Annapolis-Prozess sollte ein neuer Aufbruch für den Nahost-Friedensprozess sein. Knapp ein Jahr später sehen wir wachsende Siedlungsaktivitäten, zusätzliche Check-Points und deshalb wirtschaftliche Stagnation. Das Quartett verliert an Bedeutung im Friedensprozess.“

Aufgrund dieser Punkte rufen die Hilfsorganisationen das Nahost-Quartett dazu auf, das Treffen in New York dazu zu nutzen, um:

  • Die beschlossenen Abkommen durchzusetzen und sicherzustellen, dass alle Parteien dafür verantwortlich gemacht werden, wenn sie ihre Verpflichtungen im Friedensprozess nicht einhalten oder gegen das Humanitäre Völkerrecht sowie die Menschenrechte verstoßen.
  • Den UNO-Sicherheitsrat dabei zu unterstützen, eine Resolution zu verabschieden, die die humanitären und wirtschaftlichen Folgen der Siedlungsaktivitäten für die palästinensischen Gemeinden und den weiteren Friedensprozess behandelt.
  • Einen neuen Lösungsvorschlag anzuwenden, damit der Zugang und die Bewegungsfreiheit in den besetzen Palästinensergebieten verbessert wird. Das Geflecht von Beschränkungen sollte aufgehoben werden.
  • Die Blockade des Gaza-Streifens und die Politik der kollektiven Bestrafung schnellstmöglich zu beenden.
  • Den Gewaltverzicht zwischen Hamas und Israel zu bestärken und mit regionalen Regierungen zusammenzuarbeiten, um die palästinensische Aussöhnung zu fördern.

„Wir stehen vor einen Führungsvakuum“, sagt Tsafrir Cohen von medico international: „Das Quartett war nicht in der Lage, die Konfliktparteien an ihre Verpflichtungen zu binden. Das muss sich schnell ändern. Die Glaubwürdigkeit des Nahost-Quartetts steht auf dem Spiel. Wir hoffen, dass die Mitglieder des Quartetts die Chance des Treffens nutzen werden, um zu zeigen, dass sie mehr als nur rhetorische Zusagen machen und stattdessen das Leben der Palästinenser verbessern können.“

Der vollständige Report steht hier zum Download bereit.

Kontakt

Für Nachfragen und Interviewwünsche wenden Sie sich bitte an:

  • Tsafrir Cohen, Repräsentant in Israel/Palästina von medico international, Büro Jerusalem: Telefon 00972/25815576, mobil: 00972/546539790 oder ho-jlem@medico.de
  • Dr. Jamann, Hauptgeschäftsführer von CARE Deutschland-Luxemburg: Telefon 0228/9756346, mobil: 0160/7459361 oder schwarz@care.de

 


Jetzt spenden!