Ich bin kein Terrorist!

medico-Partner kritisiert Hetzkampagne gegen kritische Journalisten

06.02.2012   Lesezeit: 7 min

Seit Wochen nehmen Angriffe auf Journalisten und Medienarbeiter in Sri Lanka zu. Büros oppositioneller Medien werden verwüstet, Websites gesperrt, Journalistinnen undd Journalisten "verschwinden" oder werden ermordet. Die Gewaltakte meist "unbekannter Täter" werden durch eine Kampagne der regierungstreuen Medien offen ermutigt, für die vor allem der Minister für Massenmedien und Kommunikation verantwortlich ist, Keheliya Rambukwella. Im Mittelpunkt dieser Kampagne steht aktuell der im Genfer Exil lebende Journalist und medico-Partner Sunanda Deshapriya, führender Aktivist des Free Media Movement (FMM). Unmittelbar gefährdet sind dabei auch und gerade die in Sri Lanka lebenden Verwandten und Freunde des Journalisten. Auch um sie zu schützen, hat sich Deshapriya jetzt mit einem Offenen Brief direkt an Minister Rambukwella gewandt.

Offener Brief an Minister Keheliya Rambukwella:

"Herr Minister, ich weiß nicht, ob Sie den Film My Name is Mr. Khan kennen (in Deutschland 2010 auf der Berlinale und in den Kinos. Anmerkung der Redaktion). Um seine Unschuld zu beteuern, wiederholt der Hauptdarsteller, der bekannte Schauspieler Shah Rukh Khan, mehrfach den Satz „Mein Name ist Khan. Ich bin kein Terrorist“. Ich habe eine ähnliche Geschichte zu erzählen: „Mein Name ist Sunanda Deshapriya. Ich bin kein Terrorist.” Davon spreche ich jetzt.

Im Film geht es um das Schicksal eines Moslems in den USA nach den terroristischen Angriffen auf das World Trade Center in New York. Die Angriffe auf die Twin Tower schürten bei den Menschen in Amerika Angst und Wut. Extremistische Gruppen versuchten damals, diese Angst gegen einfache Muslime in Amerika zu kehren. Die Handlung des Films entspinnt sich vor diesem Hintergrund.

Sie spielen heute dasselbe Spiel. Sie versuchen, die von der Brutalität der Tamil Tiger hervorgerufene Angst und Wut der Singhalesinnen und Singhalesen gegen die zu kehren, die sich in Sri Lanka für die Menschenrechte und damit auch für das Recht der Tamilinnen und Tamilen auf Selbstbestimmung einsetzen. Wenn ich von Ihnen, Herr Minister, spreche, meine ich nicht nur Sie persönlich. Ich meine alle, die auf derselben Tonleiter spielen, insbesondere die Journalistinnen und Journalisten, die schamlos Ihr Lied singen.

Wissen Sie von den grundlosen und giftigen Lügen, die in den von Ihnen kontriollierten Medien in den letzten Wochen über mich verbreitet wurden? Sind Sie oder Ihre Gefolgsleute auch nur im Ansatz bereit, universell gültige Standards der Medienethik zu wahren und mir die Chance zu geben, zu den gegen mich erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen? Ist ihre Anrufung der Medienethik mehr als ein politisches Papperlapapp?

Im Film wird der Sohn Khans und seiner Frau Mandira, Sameer, von einer Bande junger Leute seines Alters brutal getötet. Möglich wurde dieser barbarische Akt durch die gezielte Anstachelung von Gefühlen der Angst und des Hasses. Niemand, der den Film gesehen hat, blieb von der Tragödie der Ermordung des Jungen und den ihr folgenden Geschehnissen unberührt. In den letzten Wochen war in den Zeitungen auch von Ihren Kindern zu lesen (Die Tochter des Ministers soll sexuell belästigt worden sein. Anmerkung der Redaktion). Ich kann mir vorstellen, wie diese Berichte Sie getroffen haben. Können Sie sich vorstellen, welche Tode meine Familie, meine Kinder gestorben sind, in der Folge der bösartigen Kampagne, die von Ihnen und den Ihnen dienstbaren Medien gegen mich betrieben wird?

Ich hoffe inständig, dass Sie eines Tages in der Lage sein werden, ebenso an andere wie an sich selbst zu denken; dies ist es, was auch Lord Buddha predigt.

Sie reden wieder und wieder von Medienethik. Sie ordnen die Schließung von neuen Webseiten an, weil sie diese Ethik nicht respektieren würden. Sie drohen uns mit einem eigens für Sri Lanka verfassten „Ethik Code der Medien“.

Sie stellen eine ganze Reihe von Journalistinnen und Journalisten unter Anklage, denen Sie vorwerfen, Geld von den Tamil Tigers anzunehmen und Verräter zu sein. Sie behaupten, dass diese Medienleute und Journalisten jetzt im Ausland leben und deshalb nicht bestraft werden können. Herr Minister, während Ihre Medien Sie mit diesen Worten zitieren, werden im Hintergrund Fotos von mir präsentiert, die während verschiedener Demonstrationen des Free Media Movement aufgenommen wurden. Mit der Deckung durch welchen „Ethik Code“ benutzen Sie diese Fotografien zur Illustration grundloser Anklagen? (…) Tun Sie das nicht einfach, weil Sie glauben, an keine Ethik gebunden zu sein, da Sie die Macht dazu haben?

Sie unterweisen die Medien im Gebrauch der Sprache. Doch die von Ihnen kontrollierten Medien gebrauchen die abscheulichsten Hasstiraden, wenn sie von mir sprechen, ohne jede Scham und ohne den geringsten Beweis für ihre Verleumdungen. Sie zeichnen Ihre Gefolgsleute dafür mit Medienpreisen aus. Meinen Sie, dass die Gebote der Medienethik nur für Ihre Kritiker gelten? Entwerten Sie so nicht Ihren eigenen Umgang mit den Medien? (…)Das erste Gebot für Journalisten und Medienpersonen ist der Respekt vor der Wahrheit. Brechen die von Ihnen kontrollierten Medien dieses Gebot nicht Tag für Tag neu? Gilt das Gebot „Handelt wie ihr sprecht“ nicht für den Medien- und Kommunikationsminister?

Seit längerem schon fordere ich Sie auf, die „Beweise“ vorzulegen, nach denen ich Geld von den Tamil Tigers erhalte. Die Wahrheit ist, dass weder Sie noch sonst jemand auch nur den Hauch eines Beweises dafür hat. (…) Ich klage Sie an, gegen mich und alle Verteidigerinnen und Verteidiger der Menschenrechte und der Medienfreiheit auf Sri Lanka dieselben Kräfte des Extremismus zu schüren, mit denen Khan und Mandira konfrontiert wurden, als ihr Sohn Sameer ermordet wurde.

Dass ich der Rajapaksa-Regierung äußerst kritisch gegenüberstehe, ist allgemein bekannt. Als Medienminister sind Sie verpflichtet, mein Recht zu dieser Haltung zu verteidigen. Stattdessen versuchen Sie, uns jeden Spielraum zu nehmen und uns zu terrorisieren. Bitte erinnern Sie sich daran, dass das Recht auf abweichende Meinung die ethische Grundlage der Medienfreiheit ist.

Lächerlicherweise behaupten Sie, uns in der Öffentlichkeit anklagen zu müssen, weil Sie uns nicht vor Gericht stellen können. Was bedeutet das? Warum müssen Sie Behauptungen, die vor keinem Gericht standhalten, in die Arena der Öffentlichkeit tragen? Zeigt dass nicht, dass es Ihnen um eine Hasskampagne gegen mich geht?

Im Juni 2009 wurde Poddala Jayantha, Sekretär des Journalisten-Verbandes und selbst ein preisgekrönter Journalist, in der Folge einer ähnlichen Hasskampagne entführt und brutal misshandelt. Was haben Sie getan, um Jayantha Gerechtigkeit zukommen zu lassen, drei Jahre nach dem Überfall? Nennen Sie uns einen einzigen Fall, in dem die Verantwortlichen für die Tötung, Verletzung und Verleumdung von Journalisten zur Rechenschaft gezogen wurden! Während unsere Vorwürfe gegen Sie den Tatsachen entsprechen, entbehren Ihre Anschuldigungen gegen uns Medienfreiheitskämpfer und –kämpferinnen jeder Grundlage.

Als der Kartoonist und Aktivist Prageeth Eknaligoda vor drei Jahren entführt wurde, haben Sie und Ihresgleichen uns erzählt, dass er in zwei Wochen wieder auftauchen würde. Als vor ein paar Monaten Lalith und Kugan entführt wurden, zwei Aktivisten aus Jaffna, haben Sie behauptet, dass Sie gar nicht verschwunden seien und noch leben würden. Als der Herausgeber des Magazins Uthayan, Kuhanathan, während eines brutalen Überfalls fast zu Tode kam, haben Sie als Medienminister lediglich verlauten lassen, ihm den Krankenhausaufenthalt bezahlen zu wollen.

Haben Sie die Fotografien der bewaffneten Gangster gesehen, die vor der Fort Railway Station versucht haben, die Demonstrantinnen und Demonstranten zu stoppen, die dort gegen die Überfälle auf Journalisten protestieren wollten? Warum sind Ihre eigenen Medien von jeder Überprüfung ausgenommen? Als Medienminister sollten Sie sich diesen Fragen stellen! Muss ich an dieser Stelle aussprechen, wie lange die Liste unserer Anschuldigungen ist? (…) Nähmen Sie diese Anschuldigungen ernst, könnten Sie sich selbst nur noch leid tun.

Wir können gerne über Politik und ideologische Differenzen diskutieren. Doch jetzt wollen wir darüber diskutieren, ob Journalisten ermordet wurden oder nicht, ob Redaktionsräume in Brand gesteckt wurden oder nicht, und ob die wahren Schuldigen geschützt werden, während Unschuldige unter Anklage gestellt wurden. Ich verteidige Ihr Recht, meine Politik zu kritisieren. Sie aber haben kein Recht, gegen mich eine Hasskampagne zu betreiben, für die es keinen Anhalt gibt. Sie und Ihre Kohorten haben kein Recht, mich als Terroristen zu denunzieren.

Herr Minister, mein Name ist Sunanda Deshapriya. Ich bin kein Terrorist."


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