Mit großem Selbstbewusstsein wiesen gleich mehrere Redner aus dem globalen Süden auf der medico-Konferenz „Beyond Aid“ im Februar 2014 eine Rolle als Hilfsempfänger zurück und pochten stattdessen auf eine Zusammenarbeit gleichberechtigter Partner. Eine von ihnen war Shreen Saroor vom Women‘s Action Network in Sri Lanka. In ihrem Beitrag zeichnete sie zunächst ein erschütterndes Bild von der Lage der tamilischen Minderheit im Norden und Osten des Landes.
Sie erzählte von Einschüchterung, Armut, Enteignung, Vergewaltigung und Mord – und dem Gefühl, von der Welt im Stich gelassen worden zu sein. Gleichzeitig aber sprach sie von dem Mut vieler Frauen, trotz aller Gefahren Mahnwachen abzuhalten, Proteste zu organisieren und Menschenrechtsverletzungen sichtbar zu machen – und das bewusst ohne Hilfe von außen.
Die Erfahrung habe gezeigt, dass Gelder von NGOs und die damit einhergehenden Anforderungen die Einheit der Frauen spalteten. Die vielfältige Erfahrung, bevormundet und entmündigt zu werden, gipfelte in einem Satz: „Heute sagen wir internationalen Geldgebern: Lasst uns in Ruhe.“
Widerstand gegen sexualisierte Gewalt
Saroor wurde 1969 im Nordwesten Sri Lankas geboren, einer Gegend, die traditionell von Tamilinnen und Tamilen muslimischen Glaubens bewohnt war: der Minderheit der Minderheit. So machte sie selbst die Erfahrung, diskriminiert und vertrieben zu werden. Nach einem Studium in Colombo und einigen Jahren in der Privatwirtschaft arbeitete sie fünf Jahre lang für eine auf Sri Lanka tätige kanadische Entwicklungsorganisation. Von Anfang an aber knüpfte sie eigenständige Strukturen. So gründete sie die Mannar Women’s Development Federation (MWDF), ein heute weit verzweigtes Netzwerk von Frauengruppen.
Mit den Mannar Women for Human Rights and Democracy (MWHRD) schuf sie zudem ein Komitee, das Frauen in ihrem Widerstand gegen die sexualisierte Gewalt von Seiten des Militärs unterstützt. Ehrenamtlich ist sie darüber hinaus für das sri-lankische Centre for Human Rights and Development (CHRD) tätig, das politisch Verfolgten und Kriegsopfern juristischen Beistand leistet.
Unabhängige Partnerin
Die Zusammenarbeit mit medico begann 2005. Ein Jahr nach dem verheerenden Tsunami nahm Saroor an einer von medico und Brot für die Welt initiierten Fact Finding Mission teil, die Auswirkungen der internationalen Hilfsanstrengungen im Land untersuchte. Das Ergebnis fiel erschütternd aus und bestärkte sowohl medico als auch Saroor darin, dass der Wiederaufbau, soll er wirksam, gerecht und nachhaltig sein, von den Menschen vor Ort gestaltet werden muss.
Seitdem ist sie die engste Partnerin medicos in Sri Lanka: nicht als Empfängerin von Projektförderung, sondern als hocherfahrene und -begabte Netzwerkerin. Ihre maßgebliche Rolle besteht darin, andere zusammenzuführen und zu ermutigen, sich zu organisieren und Forderungen zu stellen – und das in größtmöglicher Unabhängigkeit.
Es ist eben diese auf jahrzehntelangem Engagement für Frieden und Gerechtigkeit basierende Haltung, die sich in dem Satz auf dem medico-Podium im Februar 2014 in Frankfurt verdichtete.
Thomas Seibert/Christian Sälzer