»Das Oslo Abkommen war keine Grundlage für einen gerechten Frieden, sondern für die Unterwerfung der Palästinenser. Die wichtigsten Fragen wurden damals ausgeklammert: Israel kontrolliert 83% des Wassers der West Bank und verbraucht davon 80%, es fehlte die Flüchtlingsfrage, die Frage der Landnahme. Die PLO erkannte Israel an, aber Israel anerkannte nicht die Rechte der Palästinenser auf Selbstbestimmung, sondern nur die PLO als Vertreterin ihrer Bevölkerung. Es gab keine Klausel über die Völkerrechtswidrigkeit der israelischen Siedlungen oder ein Verbot der Landbeschlagnahme für weiteren Siedlungsbau. Das Völkerrecht wurde ignoriert. Die Quintessenz der UN Resolution 242, daß Landerwerb durch Krieg unzulässig ist und daß die 1967 okkupierten Gebiete geräumt werden müssen, wurde von Israel abgelehnt. Israel diktierte, die Palästinenser hatten zuzustimmen. Die 7 Jahre »Interimslösung« haben gezeigt, daß das Interesse Israels darauf zielt, Landnahme und Siedlungspolitik zu legitimieren. Tatsächlich ist in den Besetzten Gebieten ein Status von Apartheid entstanden: die privilegierten Siedler und die unterdrückten Palästinenser.
Camp David als Fazit: Ohne palästinensische Kapitulation kein Frieden! Dabei wissen wir doch, daß solche Kapitulation nie Frieden gebracht hat. Voraussetzung für eine friedliche und gerechte Lösung wäre die komplette Räumung der besetzten Gebiete. Ein unabhängiger und lebensfähiger palästinensischer Staat mit Ostjerusalem als Hauptstadt. Dazu die Flüchtlingsfrage, die kein Tabuthema mehr ist. Unsere »Neuen Historiker« reden darüber und unterstreichen, was die israelische Linke seit 50 Jahren behauptet: 417 arabische Dörfer wurden zerstört, um die Rückkehr unmöglich zu machen. Es gibt eine eindeutige UNO Resolution (Nr. 194, 11.12.1948), die fordert, daß »denjenigen Flüchtlingen, die zu ihren Wohnstätten zurückkehren und mit ihren Nachbarn in Frieden leben wollen, dies zum frühestmöglichen Zeitpunkt gestattet werden soll und daß für das Eigentum derjenigen, die sich entscheiden, nicht zurückzukehren, sowie für den Verlust oder die Beschädigung von Eigentum auf der Grundlage internationalen Rechts oder nach Billigkeit von den verantwortlichen Regierungen und Behörden Entschädigung gezahlt werden soll«. Friedenswille bedeutet nicht nur materielle Entschädigung, sondern auch Schuldbekenntnis – als Voraussetzung für Verständigung und Versöhnung.
Ein binationaler Staat wäre die beste Lösung, obwohl sie gegenwärtig utopisch erscheint angesichts der Verhältnisse in beiden Gesellschaften, insbesondere was das exklusivistische jüdische Israel betrifft. Vordringlich ist jetzt die Beendigung der Besatzung und der Unterdrückung der Palästinenser. Möglicherweise wird in der Zukunft die Zweistaatenregelung zu einer Föderation oder zu einem binationalen Staat führen. Die Frage Jerusalem: Ostjerusalem wurde 1967 okkupiert und danach annektiert. Das ist völkerrechtswidrig und im Sinne der Weltgemeinschaft null und nichtig. Als Vergleich kann die Annexion Kuwaits durch Saddam dienen, die zu Recht auch nicht anerkannt wurde. Auch hier muß die Lösung dem internationalen Recht entsprechen: die UN Resolution 242 gilt auch für Osterjerusalem und danach haben die Palästinenser das Recht, dort ihre Hauptstadt zu fundieren. Die Heiligkeit von Jerusalem für die drei monotheistischen Religionen muß in jeder Lösungsform berücksichtigt werden. Die Palästinenser und die israelischen Friedenskräfte befürworten diesen Weg. Ich habe selber die Enteignung und Besiedelung von Ostjerusalem miterlebt, die Vertreibung von Menschen und die Zerstörung ihrer Häuser. Seit 1990 lebe ich in Deutschland, ein Leben zwischen zwei Welten: Israel, meine Heimat, Deutschland mein geliebtes Zuhause. Ich plädiere für Solidarität mit den Palästinensern und mit denjenigen in Israel, die sich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen. Mein Wunsch wäre, eine Solidaritätsbewegung zu erleben wie die der Bewegung gegen die Apartheid. Die Weltgemeinschaft, Menschen mit Gewissen müssen sich einmischen. Das wird auch für Israel ein Segen sein, weil diese israelische Politik zur Katastrophe gerade auch für Israel selber führen kann. Jede kritische Einwirkung wird die israelischen Friedensbewegung stärken. Dies wird ein Beitrag zu einem Frieden mit Gerechtigkeit werden.«
(Das hier gekürzte Gespräch führte Hans Branscheidt. Der vollständige Text ist auf Anfrage vorhanden)
Die Menschenrechtlerin & Autorin Felicia Langer wurde 1930 als Kind jüdischer Eltern in Polen geboren. Sie floh 1939 vor den Deutschen in die Sowjetunion. 1950 wanderte sie nach Israel aus. 1965 wurde sie als Anwältin zugelassen. Sie wurde die erste Rechtsanwältin und die bekannteste, die sich für die Menschenrechte der Palästinenser einsetzte. Die heute in Tübingen lebende Felicia Langer publizierte in Deutschland mehrere Bücher. Ihr neuestes, »Miecius später Bericht« – Eine Jugend zwischen Ghetto und Theresienstadt« ist bei Lamuv erschienen. Frau Langer steht gerne für Vortragsveranstaltungen zur Verfügung.