Rechtshilfe in Sri Lanka
Menschenrechte zwischen den Fronten
Als wir mit unseren srilankischen Partnern die ersten Tsunami-Projekte verabredeten, ahnten wir bereits, dass es nicht nur um die Verwüstungen des Seebebens gehen würde. Überall kreisten die Gespräche um den brüchigen Frieden und die Furcht, dass der Konflikt beim Wiederaufbau zum Wiederausbruch des 20-jährigen Krieges führen würde. Die Formel, mit der unsere Partner die gegenwärtige Lage benennen, heißt "no war – no peace", kein Krieg, kein Frieden. Sie baten uns, ihre Namen nicht mehr zu nennen: zwischen den Fronten arbeitend, wurden sie von beiden Kriegsparteien "verwarnt". Längst geht es nicht mehr nur um den Wiederaufbau, sondern um aktive Friedens- und Menschenrechtsarbeit, und die tun wir nicht nur vor Ort. Als die Rebellen der LTTE auch von der EU zur "terroristischen Organisation" erklärt wurden, warnten wir zusammen mit Brot für die Welt vor dieser einseitigen Parteinahme und bestanden auf der Umsetzung des von der srilankischen Regierung gekündigten Abkommens zur gerechten Verteilung der Tsunami-Hilfsmittel. Unsere Partner fordern jetzt die Entsendung einer internationalen Menschenrechtskommission. Wir sprachen andere deutsche Hilfswerke an und wandten uns gemeinsam an die Ministerin Wieczorek-Zeul. Wir ergänzten die Forderung um eine weitere Idee unserer Partner: die Schaffung eines Rechtshilfefonds, der es Opfern der Gewalt ermöglichen soll, ihre Peiniger vor Gericht zu bringen. Das Ministerium zeigt sich offen, und wir werden demnächst wieder in Colombo sein, um aus der Idee ein Projekt zu machen. (TS)
Handgemenge in Ramallah
Das neue medico-Büro in Palästina
Wie die meisten anderen ist auch der Neubau, in dem das medico-Büro in Ramallah sitzt, ohne Heizungen. Auch wenn es bis in den April hinein empfindlich kalt werden kann. Das hält zwar die Medikamente frisch, kann für unsere Büroleiterin Marinella, den Logistiker Omar und die Finanzfachfrau Maisa aber zur frostigen Qual werden. Sie behelfen sich deshalb mit drei mobilen Elektroheizern, die sicher kein Öko-Siegel erhalten werden. Unbilden, die im EU-finanzierten Projekt zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung in 22 Dörfern der Westbank zu den einfacheren gehören. Größer ist schon die Herausforderung, die der seit über zwei Monaten andauernde Streik des öffentlichen Gesundheitspersonals bedeutet, ist doch das von dem Arbeitskampf betroffene palästinensische Gesundheitsministerium neben unserem bewährten langjährigen Partner Palestinian Medical Relief Society (PMRS) an dem medico-Projekt beteiligt. Zudem sollen unsere beiden Teams doch just in den bestreikten Gesundheitszentren mitarbeiten. Also ist viel Verhandlungsarbeit angesagt, bis die Zustimmung erreicht ist, bis die lokalen Krankenschwestern unseren Kollegen die Zentren öffnen können, ohne als Streikbrecher angesehen zu werden. Grund für den Streik ist das finanzielle Embargo der internationalen Gemeinschaft und Israels gegenüber der von der palästinensischen Hamas geführten Regierung. Seit April wurden keine Löhne mehr ausgezahlt. Zu guter Letzt ist auch der medico-Partner PMRS an Verhandlungen mit den streikenden Verbänden beteiligt, die die Aufrechterhaltung der Notfallversorgung in den öffentlichen Krankenhäusern sichern soll. Not a simple story in Ramallah. (AW)
Erinnerung in Halabja
Am Tag des Urteils im Nordirak
Gemeinsam mit Kamal Kareem, Arzt bei dem medico-Partner Kurdistan Health Foundation (KHF), fahre ich von Sulemaniya aus Richtung Südosten. Unser Ziel ist Halabja. Sichtbar boomt es im Nordirak. Harte Dollars sind im Land. Entlang der Straße werden im Schnellbau Reihenhäuser errichtet. Nur Halabja wirkt wie aus der Zeit gefallen. Am Ortsanfang endet der Asphalt, matschige Straßen beginnen. Die Trümmer im alten Zentrum erinnern an den 16. März 1988, den Tag des Giftgasangriffs. Das Baath-Regime wollte damals wörtlich eine "Endlösung" des kurdischen Widerstands, bis zu 182.000 Menschen "verschwanden" in den Anfal- Operationen. An die Giftgastoten erinnert das Halabja Memorial Museum. Auch das ist eine Ruine. Bei den Gedenkfeiern in diesem Frühjahr protestierten Stadtbewohner mit einem Sit-in gegen die ausgebliebene Hilfe der Regionalregierung. Sicherheitskräfte schossen in die Menge. Ein Toter und mehrere Verletzte. 30 Millionen Dollar sind bis heute versprochen. Nichts passierte. "Das Geld fließt woanders hin", sagt Dilshad Nameq, der Leiter des Menschenrechtsoffice. Noch immer sind Erde und Wasser kontaminiert, häufen sich Krebsfälle und Fehlbildungen bei Geburten. Als ich die zerstörte Halle des Museums verlasse, erzählt mir ein Mitarbeiter der KHF vom Todesurteil gegen Saddam. Teilnahmloses Schweigen. Erst auf mein Fragen kritisiert er das Urteil und die fehlende Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens: "Soll Saddam doch nur sehen, dass wir ohne ihn besser leben." Wir müssen aufbrechen, da die Dunkelheit naht. Während der Rückfahrt klingt mir die letzte Bemerkung des Menschenrechtsbeauftragten von Halabja im Ohr: "Als wir vom 11. September hörten, haben wir geweint. Hat jemand von euch je um Halabja geweint?" (SE)